Weiterreiten auf dem toten Pferd?

Die De-Mail ist immer noch kein Behördenstandard

14.07.2016
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Marcel Mock ist CTO und Mitbegründer des Schweizer Sicherheitsexperten totemo. In dieser Funktion verantwortet er das gesamte technologische Portfolio und berät vorwiegend Großkunden. Davor war er als Head of Software Development bei WebSemantix AG tätig sowie als Consultant bei IBM Deutschland. Er ist Inhaber mehrerer Patente zum Thema E-Mail-Verschlüsselung.

Absichtserklärung mit Stolperfallen?

Wird ein Konzept wie das Angebot sicherer Kommunikation für die Bürger nicht zu Ende gedacht, ergeben sich automatisch Probleme. Zwar ist die De-Mail als Gesetz deklariert, wird aber nicht mit der notwendigen Konsequenz umgesetzt. Die Ergänzung der Verschlüsselung war nur lückenhaft und bis heute existiert kein einheitliches öffentliches Schlüsselverzeichnis. Noch immer müssen sich die Anwender selbst darum kümmern, dass der Kommunikationspartner den öffentlichen Schlüssel erhält. Dabei gibt es durchaus gute Ansätze, ein öffentliches Schlüsselverzeichnis bereitzustellen, wie die Volkverschlüsselung des Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) zeigt.

Da die Bundesregierung bei den öffentlichen Schlüsseln viel Verantwortung beim Nutzer lässt, müssen sich die Bürger folglich auch selbst um die Handhabung des privaten Schlüssels kümmern. Geht dieser verloren, kann das erhebliche Konsequenzen haben. Und wer nutzt schon gerne ein freiwilliges Angebot, das am Ende zu Problemen führen kann? Wer sich einmal für De-Mail entschieden hat, muss das Postfach im Prinzip täglich prüfen, denn darin können jederzeit wichtige, fristgebundene Nachrichten eingehen. Zumal wie bei der Papierpost die sogenannte Zustellfiktion des Verwaltungszustellungsgesetzes gilt. Das heißt, ein Bescheid gilt nach drei Tagen als zugestellt, auch wenn der Bürger in dieser Zeit nicht in seine De-Mail schaut, egal ob er nun den Schlüssel verloren hat oder im Urlaub seine Nachrichten nicht abrufen kann. Anders als bei der Papierpost gilt diese Frist sogar an Sonn- und Feiertagen. Das stellt den Bürger eigentlich sogar schlechter als der Papierweg, aber das De-Mail-Gesetz macht dazu keine Aussagen. Ein gutes E-Service-Angebot, das die Kommunikation mit Behörden digitalisiert und dadurch erleichtert stellt dies in keinem Fall dar. Schade, denn viele der Hürden hätten von Anfang an vermieden werden können – für jedes der Probleme existieren Best Practices im Markt.

Absteigen und auf ein anderes Pferd setzen

Es gibt also viele Gründe, warum es mit der De-Mail nicht gelingen wird, eine Service-orientierte Verwaltung zu etablieren und Prozesse zu vereinfachen. Das Verfahren ist für Bürger derzeit ähnlich aufwendig wie der Gang zur Post. Ein ähnliches Bild zeigt sich übrigens in der Wirtschaft: Bisher besitzen nur etwa 11.000 Unternehmen in Deutschland eine De-Mail-Adresse. Wenn dies so bleibt, ist nicht damit zu rechnen, dass sich die De-Mail vielleicht bis zu einem neuen Stichtag als Standard etabliert. Es ist also an der Zeit, auf ein neues Pferd zu setzen.