Unterschiedliche Erzeugnisangebote der Comecon-Länder auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1981:

Die DDR befindet sich im Mikroelektronik-Fieber

10.04.1981

LEIPZIG - Was die Exponate der einzelnen Comecon-Länder aus dem Bereich von Mikroelektronik und EDV auf der diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse anbetrifft, so zeigte sich wieder einmal mehr, daß Leipzig für die DDR eine "Hausmesse" ist und bleibt, die der Zurschaustellung eigener Leistungen und der eigenen Profilierung dient. Entsprechend dominierte das Angebot verschiedener DDR-Kombinate wie Robotron oder Carl Zeiss Jena. Die anderen Comecon-Länder zeigten verschiedene Erzeugnisse, die dem Leistungsstand entsprachen. Auffällig war, daß die UdSSR, die für sich auch im Bereich der Elektronik eine Führungsrolle im Comecon in Anspruch nimmt, mit ihren Exponaten hinter den Erwartungen zurückblieb.

Bei der Mikroelektronik handelt es sich um einen in der DDR noch relativ jungen Industriezweig, der mit Hilfe massiver Unterstützung von Partei- und Regierungsführung aufgebaut wurde. Gegenwärtig befindet sich die DDR in einem wahren Mikroelektronik-Fieber. Von der Partei aufgemuntert, wetteifern Betriebe und Kombinate um "Spitzenleistungen zur Hebung der Effektivität der Wirtschaft vor allem anläßlich des X. Parteitages der SED im April dieses Jahres. Entsprechend wurden daher gerade die Exponate der Mikroelektronik in Leipzig als Nachweis für den erreichten Entwicklungsstand in der DDR-Presse hervorgehoben und gewürdigt. Robotertechnik und Datenverarbeitung nahmen dabei eine Favoritenstellung ein.

Schaltkreise "made in DDR"

Mit der Produktion des gegenwärtig in der DDR zur Verfügung stehenden Schaltkreisangebotes hat man, von einigen Ausnahmen abgesehen, einen Entwicklungsstand erreicht, der in den in diesem Bereich führenden westlichen Industrieländern bereits vor rund vier Jahren vollzogen wurde. Im Kombinat Mikroelektronik Erfurt werden etwa 210 Typen von integrierten Schaltkreisen hergestellt, davon drei verschiedene Mikroprozessor-Schaltkreise. In Leipzig wurden als Messe-Novitäten 32 neue technologische Bauelemente neue technologische Ausrüstungen sowie Quarzarmbanduhren mit Flüssigkeitskristallanzeige und vollelektronischem Modul und ein Radio in Ein-Chip-Bauweise mit Quarzwecker besonders hervorgehoben. Zu den ausgestellten Schaltkreisen zählten unter anderem: TTL-Schaltkreise, Treiber-Schaltkreise in I2L-Technik, Teiler-Schaltkreise, Speicher- und Hybrid-Schaltkreise, CMOS-LSI-Schaltkreise, Mikroprozessor-Schaltkreise sowie Uhren-Schaltkreise.

Modulares Konzept bei Gerätetechnik und Software

Mit der Vorstellung von Erzeugnissen des Programms "Dezentrale Datentechnik" vor einem Jahr in Leipzig legte Robotron Dresden eine neue Entwicklungsrichtung in der DDR-Rechentechnik fest. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung "höher integrierter ... Komplexgeräte und Anwendungskomplexe bei gleichzeitiger Sicherung der Befriedigung weniger komplexer Informationsverarbeitungs-Bedürfnisse durch strikte Nutzung modularer Grundkonzepte" wie es in der Zeitschrift "rechentechnik/ datenverarbeitung" vom Januar 1981 hierzu heißt.

Bei dem neuen Erzeugnisprogramm handelt es sich um ein Sortiment von Bürocomputern, Datenerfassungssystemen, Basisrechnern, Textsystemen und Terminals auf Basis der Robotron-Mikrorechner K 1520 (8-Bit-Mikrorechner mit 64 KB) und K 1600 (16-Bit-Mikrorechner mit zwei n-MOS-LSI-Schaltkreisen U 830 von je 8 Bit). Neben den verschiedenen Geräten und Anwenderlösungen umfaßt es auch ein Programm von Systemunterlagen. Zu den Haupterzeugnissen zählen sechs Basisrechnersysteme der Reihe 6400 (zwei kommerzielle Basisrechnersysteme, zwei terminalorientierte Basisrechnersysteme und zwei Prozeßrechnersysteme) sowie drei verschiedene Bürocomputersysteme. Hiervon bildet der Bürocomputer A 5130 als Standgerät mit den Hauptelementen Drucker, Bildschirm, Tastatur und Externspeicher als Disketteneinheit das leistungsstärkste Gerät dieser Typenreihe. Es ist universell einsetzbar für Buchung, Fakturierung, Abrechnung, dialogorientierte Datenerfassung, Nebentextverarbeitung und der Konvertierung von Dateien zwischen verschiedenen Datenträgern.

In Leipzig stellte Robotron verschiedene Erzeugnisse und Anwendungslösungen seines neuen Erzeugnisprogramms vor. Robotron versucht mit seiner Programmbreite einen Anschluß an die Entwicklung im Westen zu finden und hofft auch dort einen neuen Interessentenkreis für diese Erzeugnisse zu gewinnen. Auf jeden Fall hat die DDR ihre Spitzenposition innerhalb des Comecon mit ihrem neuen Erzeugnisprogramm durchaus gefestigt.

Das sowjetische Ausstellungsprogramm war diesmal derartig begrenzt, daß selbst in der umfangreichen Messe-Berichterstattung der DDR nur wenige Zeilen notwendig waren, um die ausgestellten EDV-Erzeugnisse zu nennen. Nur im Modell wurde das sowjetische Computersystem EC 1060 mit rund 1,2 MOPS (Millionen Operationen pro Sekunde) gezeigt. Es war bereits 1973 als ESER-Erzeugnis der Reihe 1 im Gespräch, wurde jedoch aufgrund verschiedener Schwierigkeiten und Mängel erst 1979 als Rechner-Modell in die ESER-Reihe 2 eingegliedert. Von der sowjetischen Außenhandelsvereinigung Elektronorgtechnika wurden darüber hinaus gezeigt:

- das alphanumerische Bildschirmsystem EC 7920 (ESER-Reihe 1 m Zusammenarbeit UdSSR und L)VR) mit Drucker EC 7934, Bildschirmgerät EC 7927-01 und Modems für Auskunfts- und Informationsdienste,

- Magnetbandspeicher EC 5025 (ESER-Reihe 1, Informationsaufzeichnungsdichte in Bit/mm = 32 oder 63, Bandgeschwindigkeit = 2 m/s),

- Magnetbandsteuergerät EC 5525 (ESER-Reihe 1, maximale Datenübertragungsgeschwindigkeit in KB/s = 126),

- Lochbandstation EC 7903 sowie

- die Datenverarbeitungssysteme ISKRA 1256 zur Datenspeicherung und -bearbeitung von Informationen für wissenschaftliche Forschung und Wirtschaft und Omega III-3E.

Wie das gezeigte Erzeugnisprogramm, so war diesmal auch das Informationsangebot relativ knapp.

Innerhalb des Comecon zahlt Ungarn mit zu den Großproduzenten von Kleinrechnersystemen. Die Produktion von Videoton in Székesfehévar besteht zu rund 50 Prozent aus rechentechnischen Erzeugnissen, deren Ausstoß bisher von Jahr zu Jahr gestiegen ist. 80 Prozent der EDV-Produktion werden in andere Comecon-Länder exportiert. Größter Abnehmer ist noch immer die UdSSR. Relativ reichhaltig war auch diesmal das Messeangebot der ungarischen Außenhandelsunternehmen Videoton und Metrimpex. Es wurden bereits aus Vorjahren bekannte Erzeugnisse gezeigt und zwar Rechner und Terminals:

- Kleinrechnersystem EC 1011 aus der ESER-Reihe (mit mikroprogrammierter Zentraleinheit, Wortlänge von 16 Bits mikroprozessorgesteuerte Peripherieanschlußeinheiten, Arbeitsspeichererweiterung bis zu 127 KB).

- Minicomputersystem TPA-L/32, das auf der Basis eines CMOS-Mikroprozessors von Intersil arbeitet. Diese Version des TPA-L-Minicomputers hat eine Speicherkapazität von 32 K-Worten. Er stammt aus dem Institut für Meß- und Rechentechnik des Zentralforschungsinstituts für Physik der Akademie der Wissenschaften in Ungarn .

- Weiterhin das Datenerfassungssystem Videoplex, Magnetbandspeicher vom Typ Discmom, Modems sowie Terminals.

Bulgarien mit erweiterter Produktion

Bulgarien, das sich bisher im Rahmen einer "Produktionsspezialisierung im Comecon auf die Herstellung bestimmter EDV-Erzeugnisse konzentrierte und seine Erzeugnispalette ständig erweiterte, tut sich seit einiger Zeit ebenfalls als Produzent von Mikro-Chips hervor. In Leipzig stellte das Außenhandelsunternehmen Isotimpex das Mehrpultsystem zur Datenaufbereitung auf Magnetband EC 9003 (mit Steuereinheit, Magnetplattenspeicher, Drucker und Displays), verschiedene Magnetplattenstapel, Wechselplatten- und Magnetbandspeicher sowie den Bürocomputer ISOT 250 (mit MOS-IS, 12 KB Arbeitsspeicher und 18 KB Festwertspeicher) vor. Seit Ende der 70er Jahre läuft die Produktion von MOS-Schaltkreisen. Hierzu zählen zum Beispiel die Erzeugnis-Serien 400 (mit 4-Bit-Mikroprozessor), 600 (mit 8-Bit-Mikrorechnersystem in n-Kanal-Technologie),7000 (Festwertspeicher) und 8000 (Speicher mit wahlfreiem Zugriff).

Wie es am polnischen Messestand hieß, soll die EDV-Produktion trotz der anhaltenden Wirtschaftskrise in den Mera-Werken kaum eingeschränkt sein. Wichtigstes Ziel aller Anstrengungen sei die Erfüllung bestehender Exportverpflichtungen. Als ein relativ neues Erzeugnis wurde in Leipzig das Camac-Digital-Multimeter VC-10 T auf Mikrorechner-Basis (mit Grundkassette und umfangreicher Peripherie), weiterhin das Terminalsystem Mera 7905, der Kassetten-Plattenspeicher Mera 9525 (CDC-Lizenzbau), ein Monitorsystem, Lochbandleser sowie der Kleincomputer Mera 400 (Zweiprozessorsystem in Zentralbusstruktur, das bis zu 500 000 Operationen pro Sekunde ausführt und eine maximale Operationsspeicherkapazität von 512 KB in 16 Bit-Worten aufweist) vorgestellt. Der Mera 400 wird bereits seit längerer Zeit produziert.

Die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt, daß sich in Rumänien der Trend einer Modernisierung von Produktionsprozessen vor allem mit Hilfe neuer Rechentechnik und NC-Anlagen aus der eigenen Produktion weiter fortzusetzen scheint. Dabei wird in Anpassung an die allgemeine technologische Entwicklung besonders der Mikroelektronik große Bedeutung beigemessen. Die bisher in den letzten beiden Jahren neu herausgebrachten Rechner sind das Ergebnis einer intensiven staatlichen Förderung der EDV-lndustrie. Wie im letzten Jahr, so wurden auch diesmal in Leipzig von dem rumänischen Außenhandelsunternehmen Electronum neue Erzeugnisse gezeigt, so der Minirechner M 118 GS (Doppelprozessor mit 8 K EPROM und 2 K RAM) die Numerik-Rechner Numerom-331-SP 500 und Numerom 321-GPR 45 NC der Multiplexer MRX 410 sowie das "Gerätesystem Fellas", welches als "moderne Lösung für eine Verbindung zwischen Computer und Terminals auf Laser-Basis" herausgestellt wurde.

IS auch aus der CSSR

Wie alle anderen Comecon-Länder, so werden inzwischen auch in der CSSR von Tesla nicht nur Halbleiter-Bauelemente, sondern ebenso integrierte Schaltkreise produziert. In Anpassung an den internationalen Trend wurde Ente der 70er Jahre mit der Entwicklung von bipolaren Schaltkreisen begonnen.

Wenn auch in den letzten Jahren im Comecon das technologische Niveau merklich durch massive staatliche Förderungsprogramme angehoben wurde und in einigen Comecon-Ländern durch verstärkte Eigenproduktion und Diversifikation eine Unabhängigkeit vom Westen angestrebt wird, so bleibt andererseits westliches Know-how nach wie vor ein maßgeblicher Orientierungspunkt für die eigene Elektronik-Entwicklung und Elektronik-Erzeugnisse insbesondere aus den USA und Japan begehrte Importobjekte.

* Klaus Krakat ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für gesamtdeutsche wirtschaftliche und soziale Fragen, Berlin.