Resümee zum Mobile World Congress 2016 (II)

Die Connected-Car Visionen nehmen Gestalt an

26.02.2016
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Wie bereits 2015 nahm auch dieses Jahr das Thema Connected Cars auf dem Mobile World Congress einen breiten Raum ein - aber mit einem Unterschied: Aus den Visionen werden konkrete Lösungen.
Die Connected Cars waren auch 2016 eines der bestimmenden Themen des MWC.
Die Connected Cars waren auch 2016 eines der bestimmenden Themen des MWC.
Foto: Jürgen Hill

Das Connected Car ist nicht länger eine Vision wie auf dem Mobile World Congress 2015. Noch in diesem Jahr oder bereits 2017 wollen etliche Hersteller, so war auf dem MWC zu hören, mit entsprechenden Modellen auf den Markt kommen - und zwar nicht nur in der Oberklasse. Ebenso nimmt das Thema Car Sharing mit dem Connected Car neue Dimensionen an, da sich so intelligentere Services und Angebote realisieren lassen. Ein Entwicklung, die vor dem Hintergrund, dass für die Generation Internet der Besitz eines eigenen Autos immer weniger erstrebenswert ist, und wie von den sozialen Medien gewohnt, das Sharing angesagt ist.

Gleichzeitig zeigte der Mobile World Congress, dass das Connected Car keine Domäne der Autobauer bleibt. Neben klassischen Ansätze, die bei der Konstruktion eines neuen Modells sofort in das Fahrzeug mit hinein designt werden, waren zahlreiche Lösungen zu sehen, die für den Aftersales-Market konzipiert sind.

Die Business-Modelle

Letztere haben zwei Vorteile: Sie versprechen zum einen eine schnellere Implementierung in der Masse, so dass darauf aufbauende Business-Modelle eine potenziell größere Zielgruppe haben. Auf der anderen Seite haben sie für den Käufer den Vorteil, dass er sich nicht gleich beim Autokauf für ein teures Zusatzinvestment entscheiden muss, sondern auch jüngere Fahrzeuge nachrüsten kann. Allerdings kämpfen sie mit dem Nachteil, dass sich Sicherheit eigentlich nicht nachträglich in ein Fahrzeug designen lässt.

Summit Tech setzt beim Connected Car auf CarPlay und Android Auto.
Summit Tech setzt beim Connected Car auf CarPlay und Android Auto.
Foto: Jürgen Hill

Ein Connected Car Lösung, die auch für den Aftersales-Market geeignet ist zeigte beispielsweise das kanadische Unternehmen Summit Tech. Sie rüsteten ein Fahrzeug mit Headup-Display und Videokamera aus und nutzen Schnittstellen wie Googles Android Auto oder Apples CarPlay um das Smartphone und ihre Anwendungen in das Fahrzeug zu integrieren. Auf diese Weise sind etwa Videoanrufe im Fahrzeug realisierbar, das Bezahlen von Maut und anderen Dienstleistungen per Paypal, Bitcoins etc. Bei einem Videoanruf kann dieser nicht nur auf dem Radio-Display betrachtet werden, sondern auch auf dem Headup-Display. Eine integrierte Sitzerkennung informiert den Anrufer zudem, ob sich noch andere Personen im Wagen befinden, so dass er ein vertrauliches Gespräch bereits beim Anruf abbrechen kann. Ein entsprechendes Home-Automatisation-System vorausgesetzt, ist vom Auto auch die Steuerung des Heims möglich. Oder das Fahrzeug regelt automatisch beim Entfernen oder Nähern an das Haus die Heizung. Eine mit dem Auto gekoppelte Smartwatch könnte den Fahrer zudem unterwegs daran erinnern, wenn seine bezahlte Parkzeit abläuft. In Verbindung mit Beacons sind zudem zusätzliche Services denkbar, etwa bei der Einfahrt in ein Parkhaus oder Annäherung an einen Drive in. Laut Summit Tech plant bereits ein deutscher Autobauer die Einführung der Lösung ab 2017.

Bezahlen mit dem Auto

Neue Business-Modelle standen bei diesem Prototyp von Accenture im Vordergrund.
Neue Business-Modelle standen bei diesem Prototyp von Accenture im Vordergrund.
Foto: Jürgen Hill

Einen anderen Aspekt verfolgen dagegen Intel, Visa und Accenture mit ihrer Nachrüstlösung. Hier stehen primär neue Business-Modelle im Vordergrund. So ermöglicht der Prototyp vom Auto aus das Bezahlen - etwa Maut, Parkgebühren oder das Benzin beim Tanken. Dies sind allerdings nicht die einzigen Funktionen, denn die Box weist zudem Schnittstellen zu den anderen Fahrzeugsystemen auf. So kann etwa der Verschleiß in Abhängigkeit zur Fahrweise ermittelt werden und bei Bedarf ein Werkstatttermin ausgemacht werden. Ebenso kann der Fahrer sich etwa per Smartphone gegenüber dem Fahrzeug mit seinem Fingerabdruck identifizieren und das Fahrzeug entriegeln. Gleichzeitig kann das Auto automatisch die passende Sitzposition und die Wohlfühltemperatur für den Fahrer einstellen, denn es kennt ja den Fahrer. Potenzielle Einsatzgebiete sieht man bei Accenture im Leasing, Car Sharing oder bei Mietwagenfirmen.

Aus einer Kooperation von Accenture und Seat stammt diese App für das vernetzte Auto.
Aus einer Kooperation von Accenture und Seat stammt diese App für das vernetzte Auto.
Foto: Accenture

Neben diesen Lösungen arbeiten diverse Player an fest integrierten Ansätzen wie etwa Seat in Verbindung mit Accenture. Dabei stehen neue digitale Services im Mittelpunkt. So ermöglicht eine App die Steuerung von Hausgeräten aus dem Auto heraus, benachrichtigt den Fahrer über den aktuellen Fahrzeugstatus, wertet das Fahrverhaltens des Nutzers aus und gibt Tipps zur Optimierung des Fahrstils. Per App kann der Nutzer ortsunabhängig über sein mobiles Endgerät auf Fahrzeuginformationen zugreifen - etwa den Füllstand des Tanks oder den aktuellen Ölstand. Die App zeigt weiterhin Warnhinweise oder Fehlermeldungen des Fahrzeugs oder einzelnen Bauteilen direkt auf dem mobilen Smartphone an. Zusätzlich können Händler und Werkstätten den Fahrer per App über den notwendigen Austausch eines Verschleißteils informieren oder an einen Werkstattermin erinnern. Des Weiteren ist ebenfalls die Steuerung eines Smart Homes möglich.

Valeo setzt auf Telematik-Services

Valeo zeigte eine Intouch Telematics Control Unit.
Valeo zeigte eine Intouch Telematics Control Unit.
Foto: Jürgen Hill

Auf Basis von Sierra-Wireless-Komponenten (Mobilfunk-Modem und eSIM) hat Autozulieferer Valeo eine Intouch Telematics Control Unit (TCU) entwickelt, die fest in das Fahrzeug integriert wir. Mit dem System verfolgt der Hersteller gleich mehrere Ansätze. Auf der einen Seite soll es in Notfällen, etwa wenn der Airbag auslöst, automatisch den Rettungsdienst alarmieren. Auf der anderen Seite soll es den Autoherstellern Umsätze bringen, indem es den Fahrer über fällige Wartungsarbeiten informiert und entsprechende Termine koordiniert. Ferner soll es dem Fahrer zusätzlichen Komfort geben, indem er etwa im Winter per Smartphone aus der Ferne einen Enteisungsvorgang (defrost) auslösen kann. Ebenso lässt sich per Handy über eine im Fahrzeug integrierte 360 Grad Kamera die Umgebung des Fahrzeugs überwachen, oder die Türen ver- und entriegeln. Während Valeo das System in Russland sowie China bereits mit 3G-Mobilfunktechnik vermarktet, rechnet das Unternehmen für Europa erst 2018 mit der Einführung von eCall mit einen Durchbruch. Die Netzanbindung dürfte dann per LTE erfolgen.

Secure Gateway schützt Auto

Ein Secure Gateway soll das vernetzte Auto vor Hackern schützen.
Ein Secure Gateway soll das vernetzte Auto vor Hackern schützen.
Foto: Jürgen Hill

Ebenfalls nur für Neufahrzeuge konzipiert, ist eine Sicherheitslösung von Giesecke & Devrient, "da sich Sicherheit nicht nachträglich einfach in ein Auto hineindesignen lässt", so G&D-Fachmann Volker Gerstenberger. Das Unternehmen hat gemeinsam mit IBM ein Secure Gateway entwickelt. Ziel ist es dabei zum einen, das Fahrzeug vor Angriffen außen zu schützen und gleichzeitig eine sichere Datenübertragung zu gewährleisten. Dabei sollen vor allem die miteinander vernetzten, für einen sicheren Fahrzeugbetrieb erforderlichen Steuergeräte (ECU) vor Hackern geschützt werden. Gleichzeitig soll ein Monitoring des Datenverkehrs es ermöglichen, ein abnormales Verhalten des Fahrzeugs zu erkennen und so mögliche Manipulationen zu entdecken. Zudem könnte der Hersteller dann von außen etwa Software-Updates einspielen oder bei gravierenden Sicherheitsmängeln den Betrieb unterbinden.