COMPUTERWOCHE Roundtable Cloud-Telefonie

"Die Cloud-Telefonie ist bereits heute die bessere Alternative"

06.08.2015
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Kontrovers diskutierten die Teilnehmer des COMPUTERWOCHE-Roundtable das Thema Cloud-Telefonie. Bei aller Euphorie sahen sie auch noch etliche Hürden, die zu nehmen sind.
Engagiert und kontrovers diskutierten die Roundtable-Teilnehmer über die Zukunft der Cloud-Telefonie.
Engagiert und kontrovers diskutierten die Roundtable-Teilnehmer über die Zukunft der Cloud-Telefonie.
Foto: Armin Weiler

Eigentlich hätte unter den Teilnehmern des COMPUTERWOCHE-Roundtable - Cloud-Telefonie- und IP-Telefonie-Anbieter - Goldgräberstimmung herrschen müssen: Die Telekom will bis Jahresende 22 Prozent ihrer Geschäftskunden weg von ISDN auf All IP migrieren und eine Cloud-Telefonie-Lösung wird sie wohl erst zur IFA 2016 anbieten können. "Nein, eine Goldgräberstimmung gibt es noch nicht", so Carl Mühlner, Geschäftsführer beim Systemhaus Damovo, "der Anwendermarkt erfordert zunehmend IT-Agilität, grundsätzlich ja eine Domäne von Cloud-Lösungen. Daher sind im Zuge von Managed-Cloud-Projekten teilweise auch Telefonie-Lösungen gefragt. Hier kann man tatsächlich schon jetzt den einen oder anderen Nugget finden."

Noch vermisst Mühlner die Goldgräberstimmung beim Thema Cloud-Telefonie
Noch vermisst Mühlner die Goldgräberstimmung beim Thema Cloud-Telefonie
Foto: Armin Weiler

Deutlich mehr Nuggets hat dagegen schon Jürgen Städing, Geschäftsführer bei nfon, gefunden: "Wir sehen eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Cloud-Telefonie, gerade auch bei Großkunden." Vor allem Unternehmen mit mehreren verzweigten Standorten seien für eine Cloud-Lösung offen. Für die Cloud spricht laut Städing etwa ein höherer Servicelevel. Ferner benötige der Anwender weniger Servicetechniker. Allerdings räumt Städing ein, dass es gerade für größere Unternehmen auch Herausforderungen bei der Migration geben könne, etwa die Umstellung älterer Alarmmeldeanlagen, Aufzugssteuerungen, Notmeldeanlagen etc. Die Cloud-Telefonie könne auch diese Anforderungen erfüllen. Allerdings seien nicht alle Anbieter dazu in der Lage und man müsse schon genauer hinschauen.

Klassisches TK-Netz ist 2018 Tod

Weiß bemängelte die immer noch anzutreffenden Kämpfe zwischen IT- und TK-Mitarbeitern.
Weiß bemängelte die immer noch anzutreffenden Kämpfe zwischen IT- und TK-Mitarbeitern.
Foto: Armin Weiler

Ein anderes Problemfeld, das einer Goldgräberstimmung entgegensteht, sieht Thomas Weiß, Geschäftsführer bei Teamfon. Er beobachtet in größeren Unternehmen noch immer, wie sich TK-Mitarbeiter und IT-Abteilung bekämpfen. Deshalb werde dann eine Cloud-Entscheidung oft nur von der IT getragen. Grundsätzlich waren sich aber alle Teilnehmer einig, dass die Cloud-Telefonie im Markt angekommen sei - auch wenn keine Goldgräberstimmung herrsche, würden sie ihre Umsatzziele erreichen. Unisono erhofft man sich einen Push für das Thema Cloud-Telefonie, wenn die Telekom mit Blick auf den Ausstieg aus dem klassischen TK-Netz im Jahr 2018 nun All IP stärker bewirbt.

Eine echte Goldgräberstimmung erwartet etwa Arnold Stender, Geschäftsführer der QSC-Tochter tengo, erst dann, wenn die Kunden aktiv bei ihren Systemhäusern Cloud-Lösungen nachfragen. Derzeit würden gerade die Mittelständler mit bis zu 500 Mitarbeitern noch sehr stark klassische TK-Lösungen nachfragen. Joao Gonzaga, CTO bei Swyx, ist überzeugt, dass die "Marktreife der Cloud-Telefonie" bereits erreicht ist und der Durchbruch bereits stattfindet. Das passiert weniger punktuell und eruptiv als tatsächlich kontinuierlich und auf mehreren Ebenen. "Die Umstellung auf ALL IP durch die Deutsche Telekom trägt natürlich dazu bei, dass dieses Thema in technischer Hinsicht wie auch in Sachen Marketing forciert wird. Damit geht auch eine stärkere Wahrnehmung von ALL IP durch den Mittelstand einher. Fragen wie - was bringt mir als Endkunden die Umstellung auf IP-Telefonie und welche Vor- und Nachteilen birgt sie? werden immer präsenter. Umso dringlicher also, dass wir als Hersteller, aber auch die Carrier und Provider schnell die richtigen Antworten finden und geben." "Zudem," fügt der SWYX-CTO an, "müssen wir klar kommunizieren, dass dieser Umstieg nicht in erster Linie der Verlust einer sowieso veralteten, wartungsintensiven Technik ist, sondern dass IP-Telefonie bzw. ALL IP ja Investitionsschutz, Zukunftssicherheit, Kostensenkung, Steigerung der Effizienz, High-Definition-Voice, etc. bedeuten."

Städing zufolge gibt es noch einen anderen Grund, warum an einer Cloud-Lösung kein Weg vorbei führt. Wenn die Telekom bis 2018 ihre zwei Millionen Geschäftskunden auf All IP migrieren will, dann müsse sie pro Monat fast 70.000 Anwender umstellen. Mit klassischer Anlagentechnik sei das wohl kaum zu bewältigen, nachdem die TK-Servicetechniker im Zuge verschiedener Restrukturierungsmaßnahmen sowohl bei Carriern als auch Herstellern abgebaut wurden. "Das kann nur funktionieren, wenn die entsprechenden Prozesse für die Cloud aufgesetzt sind und der Anwender per Mausklick migriert werden kann", argumentiert Städing. Allerdings ist dabei für Mühlner eine wichtige Voraussetzung zu erfüllen: "Alle Beteiligten müssen in der Lage sein, eine Cloud-Lösung zu integrieren - speziell mit anderen Cloud aber auch Legacy-Anwendungen. Solange diese Integrationsarbeit nicht zum Standardrepertoire gehört, wird es schwierig, die Anwender von der Cloud-Telefonie zu überzeugen."