Atos übernimmt SIS

Die Chancen und Risiken der SIS-Integration

16.12.2010
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Siemens-Verkäufe sind immer problematisch

Warnende Beispiele: Der Verkauf der Handy-Sparte an BenQ mündete in der Insolvenz. Die Produktion von Mobiltelefonen wurde eingestellt.
Warnende Beispiele: Der Verkauf der Handy-Sparte an BenQ mündete in der Insolvenz. Die Produktion von Mobiltelefonen wurde eingestellt.
Foto: Siemens

Die Historie der Siemens-Veräußerungen lässt indes nichts Gutes erahnen. Der Verkauf der Handy-Sparte an BenQ, der Kommunikationsprodukte an Nokia, des SEN-Geschäfts an den Investor The Gores Group sowie des Telefonbereichs an die Beteiligungsgesellschaft Investor Arques waren allesamt mit Schwierigkeiten behaftet. Fast immer zahlte der Konzern hohe Summe drauf, um Problemfälle abzustoßen. Auch jetzt entledigt sich Siemens eines Sorgenkinds. SIS hat dem Konzern seit der Gründung des Vorläuferunternehmens SBS im Jahr 1995 Sorgen bereitet. Im letzten Geschäftsjahr bescherte die IT-Tocher dem Konzern einen Verlust in Höhe von 537 Millionen Euro.

In einem internen, im vergangenen Oktober in der "Wirtschaftswoche" veröffentlichen Papier stellte Siemens der IT-Sparte ein verheerendes Zeugnis aus: Umsatz und Gewinn seien seit Jahren rückläufig. Neue Deals glichen den hohen Verlust an Bestandskunden nicht mehr aus. Der harte Preiswettbewerb setze SIS enorm zu, gleichzeitig liefen die Kosten aus dem Ruder. Rund 15 Prozent vom Umsatz wende SIS für Vertrieb und Verwaltung auf. Spätestens seit 2001, als die Vorgängerorganisation SBS von einem faulen Deal mit den britischen Sparkassen tief in den roten Bereich gerissen wurde, ist die IT-Tochter ein Sanierungsfall.

Auch der Verkauf der Kommunikationssparte an Nokia bereitete viele Probleme.
Auch der Verkauf der Kommunikationssparte an Nokia bereitete viele Probleme.
Foto: Nokia Siemens Networks

Nach dem damaligen Geschäftsführer Friedrich Fröschl versuchten sich vier weitere Chefs mit wechselnden Strategien. Bei sämtlichen Restrukturierungen blieb der nachhaltige Erfolg aus. Das Siemens-Top-Management war zudem immer in erster Linie den eigenen Industriesparten verpflichtet. Das finanzintensive Auslagerungsgeschäft sowie das schwankende IT-Projekt-Business blieb stets ein Fremdkörper im Konzern.

Nun soll es also Atos Origin richten. Als Mitgift räumt Siemens den Franzosen hohe finanzielle Zugeständnisse ein. Der Verkaufspreis ist mit 850 Millionen Euro, davon lediglich knapp über ein Fünftel in bar, sehr niedrig. Die Münchner steuern zudem Millionenbeträge für Abfindungen und einen Forschungs- und Entwicklungstopf bei. Mehr als sechs Monate haben die Partner den Deal verhandelt. Branchenbeobachter vermuten, dass Siemens wenig Alternativen hatte. Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Verkaufsgerüchte, unter anderem sollen CSC, T-Systems und Atos Orgin vorstellig geworden sein. Doch die meisten Interessenten sollen angesichts der enormen Probleme von SIS immer wieder abgewinkt haben.