"Die Chancen liegen im Projektgeschaeft"

27.01.1995

"Sind wir alle noch zu retten? PC-Business in Deutschland." Dieses Thema diskutierten anlaesslich des 30jaehrigen Bestehens der Muenchner Firma Singhammer die deutschen Top-Manager der PC-Marktfuehrer und Distributoren mit Endanwendern und dem Singhammer-Management. Ausgangspunkte waren der Kampf um Marktanteile bei Herstellern und Distributoren und die Probleme des Fachhandels, der preisbewusste Anwender zufriedenstellen will - und das bei sinkenden Margen. Mit Wolfgang Felber, dem geschaeftsfuehrenden Gesellschafter des Jubilars, sprach CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstaetter.

CW: Die DV-Haendler stecken derzeit doch in der Zwickmuehle. Einerseits muessen sie den Herstellern fuer die Benutzung von Hotlines Geld bezahlen, andererseits akzeptieren die Endkunden nur ungern, dass ihnen Extraleistungen in Rechnung gestellt werden.

Felber: Wir sollten zunaechst definieren, was ein Haendler ist. Grundsaetzlich ist jeder, der einen PC verkauft, ein Haendler. Betrachtet man den Markt in Deutschland, faellt auf, dass es sehr, sehr viele kleine Haendler gibt, Zwei- oder Drei-Mann-Betriebe, die PCs an den Verbraucher verkaufen.

CW: Sie sprechen von den No-name-Anbietern?

Felber: Die koennen auch Markenprodukte fuehren, liefern allerdings nur Standardsoftware dazu und geben dem Kunden eine Kurzeinweisung. Demnaechst wird man PCs wohl bei Tchibo bekommen koennen.

CW: Und die andere Gruppe ...

Felber: ... ist der qualifizierte Fachhandel, der sehr umfangreiche Dienstleistungen erbringt und grundsaetzlich in Projekten denkt.

CW: Die qualifizierten Fachhaendler betreiben also Systemintegration. Wen haben Sie denn als Kunden?

Felber: Der qualifizierte Fachhandel hat einen starken Bezug zu Grossfirmen, macht dort sehr regelmaessig seine Geschaefte und liefert nicht nur Hard- und Software oder die Installation. Gefragt sind individuelle Loesungen, von der Management-Schulung ueber das Einrichten von Benutzerservicezentren bis hin zu Telefonunterstuetzung und Outsourcing von Anwendungssupport oder der Planung und Installation von komplexen Netzwerken. Die Einzelmaschine fuer den einzelnen Kunden haben wir gar nicht mehr im Programm.

CW: Wo kommt der qualifizierte Haendler her, was ist sein Hintergund?

Felber: Das sind die klassischen IBM-Systemcenter, Compaq- Systempartner, von Novell autorisierte Fachhaendler oder Microsoft Solution Provider.

CW: Also mittelgrosse Unternehmen?

Felber: Die Mitarbeiterzahl liegt bei 40 bis 50 Angestellten und mehr. Der Umsatz solcher Fachhaendler faengt bei 25 Millionen an.

CW: Fuer ein derart umfangreiches Angebot brauchen Sie teure Fachleute. Sind Ihre Kunden bereit, dafuer zu zahlen?

Felber: Schon das Vorhalten der Leistung kostet viel Geld. Wir sind dazu uebergegangen, dass der Kunde jede Leistung bezahlen muss, die ueber das Anfangsgespraech hinausgeht.

CW: Was wird dort besprochen?

Felber: Im ersten Gespraech wird versucht zu klaeren, ob wir zueinander passen, was die Anforderungen betrifft. Danach zahlt er fuer die Projektaufnahme, die Ausarbeitung durch einen Systemingenieur bis hin zur Installation und Einweisung. Das sind auf unserer Preisliste einzelne Posten, und der Kunde entscheidet, was er braucht und von uns kauft.

CW: Es gibt also kein Bundling mehr?

Felber: Genau. Beispielsweise kann der Kunde die Beratungsleistung kaufen, ohne die Hard- oder Software von uns zu beziehen.

CW: Koennen Sie Ihrem Kunden klarmachen, dass er den Rechner fuer 5000 Mark bekommt, er aber noch einmal 2000 Mark fuer Dienstleistung ausgeben muss?

Felber: Es hat sicher einige Jahre gedauert, bis die Kunden verstanden haben, dass sie bei der geringen Marge und den gesunkenen Preisen fuer Extraleistung zahlen muessen. Die Profis wissen aber, dass 20 Prozent einer Investition in die Hardware und 80 Prozent in Schulung, Support etc. gehen. Frueher, bei der mittleren Datentechnik, spielte es keine Rolle, ob jemand acht Tage laenger oder kuerzer programmiert hat.

CW: Ein Kunde mit gutem PC-Know-how profitiert aber auch von der aufgefaecherten Preisliste.

Felber: Der nimmt die Leistung mehr oder weniger in Anspruch. Aber dass es als solches Geld kostet, hat der Kunde heute akzeptiert.

CW: Doch gibt es nicht auch zweierlei Arten von Kunden?

Felber: Die Profis - an die wenden wir uns - und dann die Amateure, die sich mal ein Netz kaufen und den Service kostenlos haben wollen. Aber auch was die Support- und Serviceleistung angeht, bieten wir Staffelungen an, die der Kunde selbst definiert. Das reicht bis zur Punktekarte, auf der die Leistungen abgetragen werden.

CW: Was passiert, wenn vom Hersteller Ware auf den Markt kommt, die fehlerhaft ist. Ihr Kunde ist wohl kaum bereit, dafuer zu zahlen, dass solche Fehler ausgebuegelt werden. Sie muessen aber unter Umstaenden eine teure Hersteller-Hotline in Anspruch nehmen.

Felber: Wir versuchen den Druck in der Art zu kanalisieren, dass der Kunde direkt auf den Hersteller zugeht. Fallen bei uns Kosten an, etwa durch den Versand von Update-Disketten, haben wir es immer wieder geschafft, bei den Herstellern auch Rechnungen durchzusetzen.

CW: Wie ist denn die Situation bei den Margen?

Felber: Die sinken seit Jahren, genau wie die Preise. Schon allein wegen des Preisverfalls muss der Haendler von Jahr zu Jahr mehr verkaufen, um seinen Forecast zu erreichen und einen eventuellen Bonus vom Hersteller oder Distributor zu erhalten.

CW: Aber auch bei den Distributoren brechen die Margen weg.

Felber: Momentan sind fuenf staerkere Distributoren auf dem deutschen Markt, und der Konkurrenzkampf sowie das Ringen um Marktanteile liessen auch bei denen die Margen sinken. Dazu kommt, dass die Hersteller - ebenso wie auch die Distributoren - Personal abgebaut haben. Dadurch ist jetzt die Betreuung weniger intensiv. Ausserdem haben sich die Produktzyklen beschleunigt, mit der Folge, dass die Ware nicht besser geworden ist.

CW: Ihr Kunde erwartet aber nach wie vor einwandfreien Support.

Felber: Alles ist mehr geworden: mehr Abwicklung, mehr Aufklaerung, mehr Support, mehr Verwaltung, und das alles bei einer geringeren Marge.

CW: Wie kann der Handel also sicherstellen, dass die Qualitaet beim Kunden erhalten bleibt, wo doch die Hersteller die Hilfen fuer den Handel gekuerzt oder ganz eingestellt haben?

Felber: Er muss einerseits im Einkauf versuchen, die besten Preise auszuhandeln und Sonderangebote sowie Mengenverguenstigungen mitzunehmen. Andererseits gilt es, den Kunden davon zu ueberzeugen, dass Qualitaet, Leistung und Projektverantwortung nicht kostenlos zu haben sind. Ein wesentlicher Faktor ist auch eine transparente eigene EDV mit einer ausgefeilten Kostenrechnung.

CW: Aber geht der Trend bei den Herstellern nicht dahin, auf die Superqualitaet zu verzichten und sich auch mit mittlerer Qualitaet zufriedenzugeben, nur um Marktanteile zu gewinnen?

Felber: Wenn wir die Aussagen aller Hersteller hoeren, ist es so, dass jeder darauf achten muss, hohe Stueckzahlen zu produzieren, um kostenguenstig fertigen zu koennen. Dafuer gibt es dann die unterschiedlichen Vertriebswege, vom Direktgeschaeft bis hin zum qualifizierten Fachhandel.

CW: Ist denn an der Logistik noch Geld einzusparen? Man hoert von Distributoren, dass die Ware zukuenftig aus einem Sammellager direkt an den Endverbraucher gehen wird und so Transportkosten einzusparen sind.

Felber: Das haengt von den Kundenauftraegen ab. Bei unseren Grosskunden schaut jeder Auftrag anders aus. Das heisst, wir konfigurieren die PCs individuell fuer jeden Arbeitsplatz. Fuer einige Faelle ist die direkte Belieferung aus einem Sammellager allerdings denkbar.

CW: Bei den Haendlern ist die Lagerhaltung aus der Mode gekommen. Koennten Sie damit nicht schneller agieren?

Felber: Sehen Sie in die Preisliste der grossen Hersteller. Da finden Sie im Schnitt 60 verschiedene Rechnermodelle. Wir wissen nicht, was wir vorhalten sollten. Allenfalls koennten wir Vororders geben, also Rechnerklassen bestimmen. Aber eine klassische Lagerhaltung ist - wegen des raschen Modellwechsels - nicht mehr moeglich.

CW: Singhammer ist mit der mittleren Datentechnik gross geworden. Was tut sich in diesem Bereich?

Felber: Die loesen wir bei unseren Kunden durch Client-Server- Systeme ab. Die mittlere Datentechnik war fuer uns frueher immer die kaufmaennische Applikation. Da haben wir auch viel programmiert, bis es sich nicht mehr gelohnt hat. Heute ist dieser Bereich wieder interessant geworden, weil es Projekte sind. Wir liefern dem Kunden ein komplettes Netz und die Datenbanksoftware fuer kaufmaennische Anwendungen dazu und loesen damit ein altes System ab.

CW: Die Software kaufen Sie ein?

Felber: Wir vertreiben "Navision" fuer die klassischen Applikationen in Handels- und Dienstleistungsbetrieben. Die Software ist uebrigens in skandinavischen Laendern weit verbreitet.

CW: Sie sind also eher ein Systemhaus als reiner Fachhandel?

Felber: Wir bieten auch unsere eigene Software "Leasy-Soft" an, das ist ein Programmpaket fuer Leasinggesellschaften.

CW: Von der Margenproblematik ist Singhammer somit gar nicht so stark betroffen. Wieso dann Ihr dramatischer Appell: Sind wir alle noch zu retten?

Felber: Wir wollten mal wieder den Finger heben und die Hersteller und Distributoren auffordern, sich etwas zu ueberlegen, wenn sie weiterhin Qualitaet beim Kunden haben wollen. Hinzu kommt, dass diese Branche ueberhaupt nicht organisiert ist.

CW: Aber es gibt doch Verbaende.

Felber: Frueher gab es den Bundesverband Bueromaschinen, den Einzelhandelsverband und den Bundesverband der Importeure. Das teilte sich in zwei Lager: Im einen fand man die Hersteller, im anderen die Vollsortimenter. Aber es war eine Bueromaschinenbranche. Die Computerleute waren nie organisiert.

CW: Dann kam der PC ...

Felber: ... und der freie Wettbewerb. Aber es gibt keine durchgehende Interessengemeinschaft, obwohl einige Hersteller ihre Haendler sehr konzentriert in Veranstaltungen zusammenhalten. Natuerlich sitzen in den Haendlerbeiraeten der Hersteller die Starken zusammen, also die Hauptumsatztraeger, aber quer durch die Computerbranche sind die Haendler nicht organisiert.

CW: Das mag auch fuer das Haendlersterben der vergangenen Jahre verantwortlich sein. Die Hersteller verweisen darauf, dass die Haendler selbst an der Misere schuld seien und sich die Margen durch Preisnachlaesse kaputt machen.

Felber: Man muss seine Marktnische finden. Einige haben es mit DTP oder Archivierung versucht. Wichtig ist heute, dass dem Kunden vermittelt wird, dass eine Entkoppelung von Handelsgeschaeft und Dienstleistung erfolgt. Die Chancen fuer uns liegen im Projektgeschaeft vor Ort, regelmaessig und langfristig.