Appell von Wirtschaftsminister Haussmann

Die Betriebe sollen der Ost-Jugend mehr Ausbildungsplätze anbieten

05.10.1990

BONN (CW) - Als eine besonders wichtige Aufgabe erachtet Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann die Unterstützung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in den Ländern Ost- und Mitteleuropas. Gleichzeitig forderte er die Unternehmen auf einer Veranstaltung des Kuratoriums der deutschen Wirtschaft in Bonn auf, den Jugendlichen aus dem Osten der Republik Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Rund 15000 Jugendliche haben nach Haussmanns Darstellung in der Ex-DDR noch keinen Ausbildungsplatz. Ein Teil davon sei jedoch nach bundesdeutschen Kriterien nur "eingeschränkt berufsreif", sagte der FDP-Politiker. Viele Ausbildungsplatzbewerber hätten die Schule nämlich bereits nach der achten Klasse oder noch früher verlassen. Allerdings sei es fatal, so der Minister, wenn der erste Kontakt der östlichen Jugend mit der Marktwirtschaft die Arbeitslosigkeit ist. Mit zahlreichen Fördermaßnahmen unterstütze die Bundesregierung die Umstrukturierung der beruflichen Bildung in der Ex-DDR. Allein im Etat des Wirtschaftsministeriums stünden 1990 für diese Zwecke rund 100 Millionen Mark bereit.

Haussmann wies darauf hin daß die Erst-Ausbildung der Schlüssel für den Eintritt in das Berufsleben sei, erinnerte jedoch daran, daß diese Ausbildung keine Garantie mehr sei für eine lebenslange Beschäftigung in einem erlernten Beruf. "Nur durch eine ständige berufsbegleitende Weiterbildung kann der einzelne seine wirtschaftliche Existenz zuverlässig sichern", so der Minister. Für die Weiterbildung sollte nach Haussmanns Ansicht die wachsende Freizeit in Anspruch genommen werden.

Der Minister forderte die Großunternehmen auf, im Rahmen von Kooperationsmodellen ihre Weiterbildungseinrichtungen für Mitarbeiter kleinerer Betriebe zu öffnen: "Die Großen können ihre Schulungszentren besser auslasten, die Kleinen können Know-how und Weiterbildungserfahrung der Großen für sich nutzen."

Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion über die Zukunft des dualen Ausbildungssystems im sich einigenden Europa wurde an die gute Qualifikation der bundesdeutschen Facharbeiter erinnert, die einen erheblichen Standortvorteil gegenüber den anderen EG-Staaten bilde. Allerdings müsse sich noch zeigen, ob in einem vereinten Europa, unser Ausbildungssystem nicht nur ein "Schönwettersystem" sei, so Harald Richter, Personalchef bei der Bayer AG.