American Dream vs. deutsche Gründlichkeit

Die "bessere" Zukunft kommt NICHT aus dem Silicon Valley

Kommentar  24.02.2017
Von 
Guido Bosbach begleitet Organisationen jeder Art auf ihrem Weg in Richtung Zukunft der Arbeit. Seine Sicht auf kommenden Entwicklungen hat er mit Hilfe von 50 Mitautoren im Buch „ArbeitsVisionen2025“ veröffentlicht. Im Rahmen von „ZUKUNFTheute.verstehen |gestalten |begleiten“ arbeitet er in den Unternehmen an der Gestaltung ihrer organisationsindividuellen, nachhaltig tragfähigen Zukunft. Er ist Lehrbeauftragter für lösungsorientierte Führung und Unternehmenskultur an der HS Fresenius.

Wir könnten führend sein

Wir könnten tatsächlich führend sein, trotz all unserer tief verinnerlichten Altlasten. Als das Land der Dichter und Denker könnten wir die Ressource, von der wir so unglaublich viel haben, die Reste von Bildung, geistiger Stärke und Menschlichkeit dazu nutzen, die Verbesserung unserer Welt umfassender zu begreifen. Nicht nur als bessere Technologie, sondern als bessere Lebensgrundlage.
Wir könnten das Verständnis von und für Technologie mit dem Bewusstsein für Nachhaltigkeit und der Erkenntnis des Wertes von Menschlichkeit verbinden!

Bei dem was auf uns zukommt, geht es immer weniger darum spezifische Fähigkeiten zu entwickeln und zu sich daran festzuhalten, als darum das Gesamtsystem im Auge zu behalten. Ökologische, ökonomische und vor allem auch soziale Nachhaltigkeit in unser Arbeitsleben zu integrieren. Für jeden einzelnen und für alle gemeinsam geht es darum, Flexibilität zu verinnerlichen, Kreativität zu nutzen, um immer wieder frei und manchmal spielerisch neue Kompetenzen zu erwerben und so die immer neuen Herausforderungen zu meistern.

Wir könnten an dem komplexen, aber gerade deshalb so wichtigen und erfolgsversprechenden Verständnis für das Gesamtsystem „Welt(wirtschaft)“ arbeiten - statt nur am kleinen Thema Technologie.

Schluss mit "alternativen Fakten"

Doch dazu sollten wir den so (sur)realen Trump-Wahnsinn in vielen (auch hiesigen) Unternehmen überwinden. Wer eine Jobhistorie mit mehr als drei Chefs besitzt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur von Narzissmus, Autokratie und Alleinvertretungsanspruch bezüglich neuer Wahrheiten berichten. Wo gibt es nicht auch Projekte, deren Status dem von Melonen entspricht. Von innen betrachtet tiefrot und von außen alles im grünen Bereich - „alternative Fakten“ lassen grüßen.

Die gute Nachricht - es geht. Man kann an den Themen Haltung und Verhalten arbeiten - wenn man sich traut in den Spiegel zu schauen, oder wenn der Druck von außen zu groß wird. Und wir leben in einer Zeit, in der es sowohl leichter wird den Spiegel zu Hilfe zu nehmen, als auch der Druck mit zunehmenden Geschwindigkeit wächst. VUCA lässt grüßen.

Die Digitalisierung fordert einen Technologiewandel in einem Bereich, der seit fast 100 Jahren kaum Updates und Upgrades erfahren hat: der Management-Technologie. Je mehr Manager und Führungskräfte sich von dem Glauben befreien, der Kopf der vielen arbeitenden Hände sein zu müssen, je klarer wird, dass die anderen Köpfe auch sehr kreative und zielführende Dinge denken können, je bewusster wird, dass man - auch in Unternehmen - gemeinsam mehr erreichen kann, als jeder alleine in seinem Kämmerchen,desto mehr werden wir gemeinsam am Lösungen arbeiten können, die wirklich eine bessere Zukunft bedeuten.

Bessere Zukunft durch bessere Arbeit

Eine bessere Zukunft für die Unternehmen, weil bessere Zahlen das Ergebnis besserer Arbeit ist. Eine bessere Zukunft für die Menschen, weil Arbeits-Leben dann mehr Sinn und Zufriedenheit mit sich bringen kann und eine bessere Zukunft für die Gesellschaft, weil mehr Sinn und Zufriedenheit vieler die Gemeinschaft stärkt.

Für all das brauchen wir (neben dem Zugang zum Silicon Valley, und den Technologien von dort) drei ganz einfache Dinge:

  • Die mentale Freiheit, Bildung und lebenslanges Lernen als etwas Positives zu erkennen, flexibel und neugierig zu bleiben;

  • Die soziale Kompetenz, uns in heterogenen, interdisziplinären, bunten, kreativen Netzwerken aktiv auszutauschen;

  • und den individuellen Mut, aufeinander zuzugehen und uns gegenseitig auf dem Weg zu unterstützen.

Von diesen sehr individuellen Ankerpunkten aus können wir Verbindungen aufbauen, die Bereitschaft und Offenheit stärken auf allen Ebenen neu zu denken. Es entsteht der Raum der sowohl individuell als auch gemeinsam in Unternehmen und der Gesellschaft diese bessere Zukunft möglich macht. Denn am Ende geht es uns allen nur dann gut, in dieser Zukunft, wenn es jedem einzelnen besser geht. (mb)