IT-Arbeitsmarkt Niederbayern

Die bayerische Alternative zu Indien

14.11.2008
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Niederbayerische IT-Firmen sind glücklich in der Provinz, vernetzen sich und hoffen auf Outsourcing-Aufträge.

Dieter Hilgärtner arbeitet seit 2003 als Innovationsberater für die IHK in Niederbayern, um "mittelständischen Unternehmen unter die Arme zu greifen", Netzwerke zu bilden und die Stärken der Region sichtbar zu machen. Im Dreiländereck zwischen Tschechien und Österreich dominieren zwar Tourismus, Wellness und Gastronomie das Wirtschaftsleben, doch Logistik und IT stellen zwei weitere wichtige Säulen dar. "Gerade IT gewinnt an Bedeutung. Schätzungsweise 10.000 Arbeitsplätze hängen von der IT ab", meint Hilgärtner. Mit Veranstaltungen bringt der Innovationsberater die kleinen Unternehmen miteinander ins Gespräch. In einem weiteren Schritt möchte er die Marktpräsenz der niederbayerischen IT-Unternehmen in der Region erhöhen. "Mir ist es wichtig, mit diesen Veranstaltungen Vertrauen zu schaffen."

Die Universität Passau setzt auf Informatik und hat ihr Studienangebot erweitert.
Die Universität Passau setzt auf Informatik und hat ihr Studienangebot erweitert.

Nach solchen Treffen sind bereits erste Kooperationen zwischen einzelnen Unternehmen entstanden, indem ehemalige Konkurrenten jetzt kooperieren. "Kunden erwarten gerade im IT-Dienstleistungssektor Service vor Ort", so die Beobachtung des Beraters. Hier sieht Hilgärtner für regionale Firmen eine Chance, an Aufträge zu kommen und gegenüber größeren Anbietern aus dem Großraum München mit "Service vor Ort" zu punkten.

Die Fachhochschulen in Deggendorf und Landshut sowie die Universität Passau bauen ihre IT-Studiengänge aus. In den Augen Hilgärtners bringen mehr IT-Studenten die Chance mit sich, dass wieder neue Firmen gegründet werden und die Bedeutung der IT-Branche in der Region wächst. Zugleich biete sich die Provinz auch an, Dienstleistungen hierher zu verlagern, so genanntes Nearshoring. "Passau statt Indien" eignet sich vermutlich nicht als griffiger Werbeslogan, doch der IHK-Innovationsberater sieht für niederbayerische Unternehmen Outsourcing-Aufträge als gute Geschäftsmöglichkeit.

Glücklich in der Provinz

Wie gut sich junge Unternehmer in Niederbayern entwickeln können, zeigt das Beispiel des IT-Dienstleisters nbsp aus Straubing. "Unseren Kunden aus Hamburg ist es egal, ob sie zu einem Meeting nach Straubing oder München anreisen", erzählt nbsp-Chef Mario Kandler. Beide Städte liegen in Bayern, also ziemlich weit weg für jemanden aus dem Norden. Ein extra eingerichteter Shuttle-Service bringt die Besucher in rund 50 Minuten vom Flughafen in Freising nach Niederbayern an den Verhandlungstisch. Die Fahrt vom Flughafen in die Münchner Innenstadt dauert in der Rushhour genauso lang.

Mario Kandler beschäftigt heute 61 Mitarbeiter in Straubing.
Mario Kandler beschäftigt heute 61 Mitarbeiter in Straubing.

Die Geschäfte des 1997 gegründeten Unternehmens nbsp laufen gut. Damals entwickelte Kandler gemeinsam mit zwei Freunden Websites, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte und es chic war, ein Startup zu gründen. Doch aus dem Zusatzverdienst neben der Ausbildung entstand über die Jahre ein solides Unternehmen.

Der 35-jährige Kandler beschäftigt heute 61 Mitarbeiter in Straubing, darunter rund 40 Entwickler. Arbeitsschwerpunkte des Unternehmens sind Content-Management-Systeme wie "Sitefusion", Web-Anwendungen und Web-Design. Seit einiger Zeit entwickelt nbsp auch E-Learning-Lösungen für ausgewählte Kunden. So lernen etwa Mitarbeiter von Reisebüros mit einer Software aus Straubing, was Urlauber auf einer Kreuzfahrt in die Karibik erwarten. Neben Verlagen zählen Unternehmen der Tourismusbranche zu den Hauptauftraggebern.

"Straubing war immer mein Lebensmittelpunkt", erzählt Kandler. In München sind zwar einige seiner Kunden angesiedelt, doch das dortige Büro hat er kürzlich aufgelöst. Die niederbayerische Stadt mit knapp 50 000 Einwohnern lockt außerdem mit niedrigeren Mieten und Lebenshaltungskosten. Durch Kooperationen mit der EDV-Schule in Plattling findet Kandler leicht Entwickler, außerdem bildet er selbst in den IT-Berufen aus. Doch wenn es gilt, Entwickler, Manager oder Vertriebsmitarbeiter nach Straubing zu locken, wird es schwierig. "Viele, die in Regensburg oder Passau studieren, zieht es in die Großstädte", bedauert Kandler.

Tom Weinberger arbeitet seit knapp zwei Jahren für nbsp. Den Wirtschaftswissenschaftler mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik zog es nach dem Studium in Passau nicht in die Großstadt. Der 28-Jährige bewarb sich ganz frech als Berufsanfänger auf eine von nbsp ausgeschriebene Projektleiterstelle, für die eigentlich zwei Jahre Berufserfahrung gefordert waren. "Er hat uns im Vorstellungsgespräch überzeugt", erzählt Kandler. Seit einigen Monaten unterstützt Weinberger Kandler im Vertrieb. Selbstbewusstsein fehlt den Niederbayern keineswegs, und den Vergleich mit München scheuen die meisten ebenso wenig. Kandler fühlt sich wohl in der Provinz.

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