Aufbereitungsverfahren für Computerschrott sind noch unzureichend

Die ausgediente Hardware schafft neue Umweltprobleme

25.05.1990

"Wir wollen ökologisches Design von Computern und ihren Mikroelektronik - Bauteilen, also von der Herstellung über den Betrieb bis zum Abfall. umweltfreundliche Produkte", fordert Dr. Hans Georg Meiners von der Umweltschutzorganisation "Bund". Der unaufhaltsam Berg aus Computermüll zerbricht die Köpfe der Umweltschützer.

Der Sprecher des Arbeitskreises Wasser im "Bund" für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) hat Ansprüche formuliert, die angesichts der in der Elektronikindustrie verwendeten Produktionsstoffe nicht leicht zu erfüllen sein werden. Man sieht es dem leise summenden PC und seinem Monitor nicht an, daß es in ihnen nur so wimmelt von PVC, Polyester und Phenolharzen, mit Flammschutzmitteln vermischt, um nur einiges zu nennen. Nicht nur in der Produktion, auch bei der Verschrottung der Geräte werden human- und umwelttoxische Stoffe freigesetzt.

So verwertet die Norddeutsche Affinerie, NA, allein 1000 Tonnen ausgediente Leiterplatten im Jahr. Da Leiterplatten jedoch nur maximal 10 Prozent eines Computers ausmachen, heißt das, daß für 1000 Tonnen Leiterplatten rund 10 000 Tonnen Computerschrott insgesamt vorhanden sind. Die restlichen 9000 Tonnen werden weder recycled noch sinnvoll entsorgt.

Recycling rückt in den Vordergrund

Die Wiedergewinnung der in den Innereien der Computer enthaltenen Edelmetalle erweckte die Branche der Computerverschrottung zum Leben. Heute tritt immer mehr die Entsorgung von Giftstoffen beziehungsweise das Recycling in den Vordergrund. Ein ökologisch zufriedenstellendes Verschrottungsverfahren gibt es noch nicht. In dem Kaltverfahren landen die giftigen Plastikabfälle auf Deponien. Bei der Pyrolyse, dem Verschwelen des Schrottes, werden über die Abluft Dioxine und Furane freigesetzt. Auch der zurückbleibende Pyrolysekoks ist hochgiftig. Für die Norddeutsche Affinerie AG in Hamburg hat sich die Verarbeitung des Schrotts im Kupfersteinkonverter als der unproblematischste und effizienteste Weg herausgestellt. Die Wertmetalle werden nahezu quantitativ gewonnen. Kunststoff wird spontan zersetzt und verbrannt. Es gibt keine zu deponierenden Reststoffe. Die Bildung von Dioxinen wird minimiert.

Auf einen Antrag der NA auf eine Kapazitätserweiterung an die Umweltbehörde in Hamburg reagierten die Umweltschutzorganisationen "Robin Wood" und "Ökopol" jedoch sensibel. Einige Wissenschaftler warnen, daß selbst ein einziges Dioxin-Molekül ausreicht, um Krebs zu erregen. NE -Metall hat ihre Elektronikverschrottung aufgrund der Proteste bereits nach Polen verlagert. Auch die Öfen der "Hüttenwerke Kaiser" in Lünen wurden ausgeblasen. Die behördlichen Auflagen waren nicht mehr einzuhalten.

Für Michael Braungart vom Epea-Umweltinstitut in Hamburg leiden alle genannten Verfahren unter dem gleichen Mangel. Recycled werden nur die Stoffe, die "von der Entsorgungsindustrie als effektiv kommerziell nutzbar angesehen" werden. Andere wertvolle Stoffe belasten durch die Verbrennung nicht die Umwelt, sondern gehen zudem einfach verloren.

Nach dem Entsorgungskonzept der Reichert Metalle aus Köln werden sowohl Kunststoffe als auch Metalle per Handarbeit getrennt und an weiterverarbeitende Firmen verkauft. Die Van Balkom Seeliger GmbH, Heidelberg, will noch einen Schritt weiter. Ihr Geschäftsführer Antoon van Balkom strebt nach einem industriellen Verfahren zum Full-Recycling von Computern. Über Schwimm-Sinkbäder und andere Techniken sollen die einzelnen Materialien für eine spätere Aufbereitung getrennt werden.

Hans-Georg Meiners vom "Bund" verweist jedoch darauf, prinzipiell noch einen Schritt früher, nämlich bei einer umweltfreundlicheren Produktion anzufangen. Die Umweltschützer wünschen sich:

- eine Minimierung des Einsatzes der giftigsten Chemikalien;

- den bevorzugten Einsatz umweltfreundlicherer Chemikalien mit geringerer Human- und Ökotoxizität sowie geringerer Persistenz, Mobilität und Bioakkumulation;

- die Verwendung recycelbarer Kunststoffe ohne gefährliche Flammschutzmittel;

- die Erhöhung der Lebensdauer von mikroelektronischen Bauteilen verbunden mit

- der Rücknahme von Mikroelektronik-Bauteilen durch die Hersteller und Zerlegung in recycelbare Bestandteile.

* Erny Hildebrand ist freier Fachjournalist in Düsseldorf.