Firmen brauchen mehr als nur glückliche Aktionäre

Die Augen der jungen Talente zum Funkeln bringen

07.05.1999
Von Ingrid Weidner* Unternehmen, die sich Personal-Management auf die Fahnen schreiben, können sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, wenn sie einmal die richtigen Mitarbeiter gefunden haben. Ein Kongreß in Frankfurt zeigte nicht nur auf, wie man in Zeiten von Expertenmangel Bewerber für sich gewinnt, sondern auch, wie man sie längerfristig an sich binden kann.

Der martialisch anmutende Titel sollte die Dramatik der Situation wohl noch unterstreichen. Laut der McKinsey-Studie "War of Talents" werden hochqualifizierte Mitarbeiter im 21. Jahrhundert noch knapper werden, so daß den Unternehmen nur der Kampf um die Bewerber bleibt. Für die IT-Branche ist das keine Zukunftsvision, sondern Realität. Auch wenn die Situation in anderen Wirtschaftsbereichen etwas entspannter sei, müßten viele Unternehmen bei der Personalsuche grundsätzlich umdenken, so Kienbaum-Berater Ansgar Kinkel auf dem Kongreß von Career Time und Management Circle zum Thema "Innovatives Personal-Marketing und erfolgreiche Mitarbeiterbindung" in Frankfurt am Main.

Demnach müssen Firmen mehr Energie und Phantasie einsetzen, um an die talentiertesten Mitarbeiter zu kommen. "Das Image gibt letztendlich den Ausschlag, für welches Unternehmen der Bewerber sich entscheidet", ist Helga von Eck von Viag Interkom überzeugt. Darum setzt das junge Telekommunikationsunternehmen auf eine breit angelegte Kampagne, um sich mittels intensiver Pressearbeit, Präsenz im Internet, Radiospots und Corporate Designs als attraktiven Arbeitgeber darzustellen. Mittlerweile kann man sich über die Zahl der Bewerbungen nicht beklagen. Ganz ungefährlich sind solche Kampagnen jedoch nicht, zumal unrealistische Versprechungen eher das Gegenteil erreichen und das Unternehmen in den Augen des Bewerbers unglaubwürdig erscheinen lassen.

Daß einzelne Firmen im Kampf um den Nachwuchs nicht nur Phantasie entwickeln, sondern auch jede Menge Geld investieren, zeigen zum Beispiel Workshops, für die die Bewerber kurz mal nach New York geflogen werden. Eine solche Präsentation der Firmenphilosophie darf dann auch einmal 100000 Mark und mehr kosten. Geradezu günstig nimmt sich dagegen das Angebot von einzelnen Hochschulen aus, die wie die Universität Mannheim Absolventen-CD-ROMs für 500 Mark verkaufen. Wer die Hitliste der talentierten Absolventen vor dem offiziellen Erscheinungstermin einsehen will, kann sich diesen Vorsprung mit einem "Vorzugspreis" von 10000 Mark erkaufen.

Den direkten Kontakt zu den begehrten Absolventen suchen Firmen verstärkt auch auf Absolventenmessen und Karrieretagen, die gerade wieder eine Renaissance erleben. Über ihren Nutzen gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. Auch Firmen überlegen, ob sie auf jeder Messe präsent sein sollen, denn schließlich können auch andere Wege zum Ziel führen.

Eine erfolgversprechende Möglichkeit für Unternehmen, rechtzeitig mit den Studenten in Kontakt zu kommen, stellte Professor Gernold Frank von der Fachhochschule Berlin vor.

Von Hochschulsponsoring profitieren beide Seiten

Hochschulsponsoring ist inzwischen salonfähig geworden, die Vorbehalte gegenüber der angeblich gekauften Wissenschaft ebben ab. Stellt das Unternehmen einem Institut Geld oder Sachmittel zur Verfügung, dann kann es sich als "Gegenleistung" bei den Studenten als attraktiver Arbeitgeber positionieren.

In den Augen von Frank bringen etwa die Betreuung von Diplom- und Hausarbeiten sowie Praktika im Unternehmen für alle Seiten großen Nutzen: Die Personalverantwortlichen kommen an geeignete Mitarbeiter, und die Studenten lernen mögliche Arbeitgeber kennen. In manchen Fällen spart sich die Firma so das Assessment-Center, denn die Praktikanten oder Diplomanden haben ihr Wissen und Können bereits unter Beweis gestellt.

Auf dem Kongreß wurde deutlich, daß einem phantasievollen Hochschul-Marketing ein zuverlässiger Auswahlprozeß folgen muß, wenn Rekrutierung gelingen soll. Viele Firmen setzen auf ein Assessment-Center, um die richtigen Bewerber herauszufiltern. Die Deutsche Lufthansa beispielsweise ist so überzeugt von diesem Instrument, daß sie es nicht nur zur Einstellung neuer Mitarbeiter, sondern auch später auf allen Ebenen einsetzt. CSC Ploenzke dagegen hat sich wieder auf den traditionellen Weg besonnen. "Wir haben uns für die Subjektivität bei der Personalauswahl entschieden", so Jürgen Fuchs, Generalbevollmächtigter der CSC Ploenzke AG. "Was man von einem Menschen eindeutig messen kann, sind Gewicht, Alter, Größe und Anwesenheit in einem Raum, aber nicht die Persönlichkeit."

Die Personalverantwortlichen der IT-Beratung entscheiden aufgrund der Bewerbungsunterla- gen und des Werdegangs, ob sie den Kandidaten zu einem längeren Gespräch einladen. Im Interview stellt sich heraus, ob der Bewerber zum Unternehmen paßt und die Erwartungen erfüllen kann. Bisher hat sich die intuitive Methode sehr gut bewährt, so Fuchs.

Der Auswahlprozeß markiert aber erst den Anfang von Personal-Management. Gerade in Zeiten des Expertenmangels müssen sich Unternehmen sehr genau überlegen, welche Perspektiven und Spielräume sie ihren Mitarbeitern einräumen, um diese möglichst lange an sich zu binden. Wie die meisten anderen Unternehmen mag man auch bei CSC Ploenzke von Hierarchien im Zusammenhang mit Karriere nur mehr dann reden, wenn diese flach sind. Statt einer "Laufbahn" erwartet die Mitarbeiter ein "Werdegang". Fuchs entlarvte auf dem Kongreß einige Sprachklischees. "Arbeit-Geber" und "Arbeit-Nehmer" spiegelten feudale Strukturen wider, die ein modernes und erfolgreiches Unternehmen nur hemmen und die Talente der Mitarbeiter bewußt auf Sparflamme halten würden.

Lufthansa-Personalentwickler Thomas Sattelberger setzt ganz auf eine fließende Unternehmensstruktur. Die Talente der Mitarbeiter soll eine transparente Beurteilung zum Vorschein bringen: Im Mittelpunkt des im Konzern umstrittenen 360-Grad-Feedbacks stehen nicht nur die gegenseitige Beurteilung von Mitarbeitern und Führungskräften. Neu ist, daß auch die Kunden den Managern Rückmeldung geben, ob sie mit der Dienstleistung zufrieden sind.

Ob Hochschul-Marketing, Auswahlprozeß oder Personalentwicklung, auf dem Kongreß kam man immer wieder auf den gemeinsamen Nenner, daß die Mitarbeiter das wichtigste Kapital der Unternehmen seien. In den Augen von Fuchs gibt es in Deutschland die am besten ausgebildeten jungen Leute, dieses Potential sollten die Firmen auch nutzen. Schließlich gehe es auch bei CSC Ploenzke darum, den Gewinn zu steigern, und neben glücklichen Mitarbeitern sollen auch die Aktionäre nicht zu kurz kommen. Gestandene Führungskräfte könnten von dem Esprit der Jungen nur profitieren. "Diesen jungen und talentierten Menschen müssen Chancen gegeben werden, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen", so Fuchs. "Junge Trainees haben zu Beginn ihrer Ausbildung noch funkelnde Augen, später nimmt diese Begeisterungsfähigkeit oft rapide ab."

Manche Kongreßteilnehmer hatten nach zwei Tagen ebenfalls ein Glitzern in den Augen und viele neue Ideen für ihre Personalarbeit. Ob sie diese Anregungen in ihren jeweiligen Unternehmen umsetzen können, hängt sicher auch von den dortigen Controllern ab. Fuchs betitelte sie als "Erbsenzähler", aber auch sie stehen vor interessanten Herausforderungen. Eine könnte sein, die Talente und das Wissen der Mitarbeiter bei der Unternehmensbilanz auf der Aktivseite zu verbuchen und das Mobiliar bei den Passiva.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.