CW-Interview mit Ivo Körner

Die Appliances-Strategie von IBM

15.01.2013
Mit den PureSystems proklamiert IBM ein neues Computing-Modell. Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE erklärt Ivo Körner, Vice President Software Group von IBM Deutschland, wie die Appliances-Strategie aussieht.

CW: Seit April sind die ersten PureSystems im Markt. Wie haben die Kunden darauf reagiert?

„Der Wunsch nach mehr ‚Simplicity‘ ist überall in der Branche spürbar.“ Ivo Körner, Vice President Software Group von IBM Deutschland.
„Der Wunsch nach mehr ‚Simplicity‘ ist überall in der Branche spürbar.“ Ivo Körner, Vice President Software Group von IBM Deutschland.
Foto: IBM

Körner: Durchweg sehr positiv, aber das Konzept der Expert Integrated Systems ist noch erklärungsbedürftig. Viele glauben immer noch: Da kommt jetzt wieder so ein Baukastensatz, der zwar ein bisschen vorkonfiguriert ist, aber ich als Anwender muss ihn trotzdem erst zusammenstecken. Die wenigsten können auf Anhieb begreifen, dass jetzt eine Maschine kommt, die sich mit zwei Steckern einfach in die Infrastruktur einklinken lässt und sofort läuft.

CW: Was heißt das für die IT-Abteilungen?

Körner: Für viele Unternehmen bedeutet es auch eine organisatorische Herausforderung. Heute gibt es einen Netzwerkexperten, einen Storage-Experten, einen Betriebssystemexperten, einen Datenbankexperten - jeder hat seine Kernkompetenz und sein dediziertes Aufgabengebiet. Jetzt wird das alles überflüssig und wir diskutieren nicht mehr, wie man aus den Festplatten ein paar Millisekunden schnellere Antwortzeiten herauskitzeln kann.

Die neue Maschine steht da, macht ihren Job und man muss sich nicht mehr jedes Bit anschauen. Das ist für die bisherigen Verantwortlichen natürlich nicht einfach. Die dürften daher eher geringes Interesse daran haben. Interessanter ist es für diejenigen, die den Gesamtbetrieb verantworten und für die Geschäftsführung, die Herausforderungen zu lösen hat wie: Ich muss mich um das Thema Time-to-market kümmern. Ich muss diese oder jene Anwendung zügig zum Laufen bringen.

CW: Es geht also vor allem darum, die Komplexität aus den IT-Infrastrukturen herauszunehmen? Darüber gab es zuletzt ja auch viele Klagen.

Körner: Ja, dieser Trend spitzt sich zu. Die Dynamik in den einzelnen Märkten ist heute viel höher. Damit verstärkt sich der Veränderungs- und Transformationsdruck. Die Geschäftsseite sieht die Notwendigkeit, etwas zu ändern und die Prozesse anzupassen. Aber das Business hatte nie die Möglichkeit, in diese komplexe IT tatsächlich mit einzugreifen. Es gab kaum eine Chance oder Mittel gegen Widerstände auf der IT-Seite anzugehen. Mit den IBM PureSystems haben wir jetzt jedoch die Möglichkeit, an dieser Stelle zu agieren.

CW: Die IT hängt also als Bremsklotz am Business?

Körner: Das Thema "IT blockiert Veränderungen in den Unternehmen" wird schon seit geraumer Zeit diskutiert. Momentan spitzt es sich mehr und mehr zu. Der IT-Baukasten ist im Laufe der Zeit immer komplexer geworden. Es sind immer mehr Standards definiert worden, unterschiedliche Technologien haben sich etabliert. Dieser Trend lief jedoch dem eigentlichen Zweck der IT zuwider, nämlich die Geschäftsprozesse zu unterstützen.

Heute sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Komplexität die Dynamik in den Unternehmen behindert. Deshalb muss man wieder vereinfachen. Ich glaube auch, dass an dieser Stelle Steve Jobs und Apple den Denkprozess in der gesamten IT-Branche beeinflusst und verändert haben. Der Wunsch nach mehr ‚Simplicity‘ ist überall spürbar.

CW: Allerdings haben an der Komplexität viele IT-Anbieter in der Vergangenheit auch gut verdient, wenn es darum ging, Implementierungs- und Integrationsservices zu verkaufen.

Körner: Das war in der Vergangenheit sicher ein lukratives Geschäft. Aber speziell der Servicebereich verändert sich momentan auch. Heute geht es um den Geschäftsnutzen. Die Differenzierung liegt künftig nicht mehr darin, ob ich zwei Storage-Systeme miteinander verbinden kann. Die Frage wird vielmehr sein: Schaffe ich es, für den Kunden relevante Geschäftsfälle so abzubilden, dass er schnell Vorteile in seinem Business umsetzen kann.

Das Servicegeschäft entwickelt sich damit eine Stufe weiter. Die richtige Technik zur Verfügung zu stellen, löst noch keine Probleme. Man muss die richtigen Fragen stellen und die richtigen Informationen zusammenbringen. Wenn die Unternehmen dann bessere Entscheidungen treffen können, differenzieren sie sich dadurch im Markt. Das wird letzten Endes ein viel größeres Service-Geschäft sein, als zwei Systeme zusammenzustecken.

CW: Welche Auswirkungen haben die neuen Systeme auf das Geschäft der IBM? Mit den Standard-Servern war zuletzt nicht mehr viel Marge zu erwirtschaften. Wird sich das mit den neuen Maschinen ändern?

Körner: Es wird sicher zu einer Transformation in der gesamten Branche führen. Wir sehen PureSystems auch als neues Computing-Modell, das diesen Wandel begleiten wird. Ich glaube allerdings, dass das klassische Computing-Modell, so wie wir es heute kennen, noch eine ganze Weile Bestand haben wird. Es wäre sicher schön, wenn morgen jedes Unternehmen unsere neuen Systeme kauft.

Aber realistisch betrachtet: Das ist ein Weg, ein Prozess, der seine Zeit braucht. Und es wird sicher auch in Zukunft Kunden geben, die ihren Spaß daran haben, sich ihre Systeme einzeln zu konfigurieren. Ich glaube aber, dass künftig in den Bereichen, wo Veränderungen schnell umgesetzt werden müssen, Maschinen wie PureSystems das Mittel der Wahl sein werden.

CW: Was man bislang im Markt hört, sind diese Maschinen relativ teuer. IBM nennt als Referenzen große Unternehmen, die sich das wahrscheinlich leisten können. Sehen Sie die Systeme in Zukunft auch im Mittelstand?

Körner: Auf jeden Fall. Wenn wir mit einer neuen Technik an den Markt gehen, adressieren wir damit zunächst einmal unsere Kernkundenklientel, und das sind die großen Unternehmens-Kunden. Dort machen wir in der Regel unsere ersten Schritte, in einem nächsten Schritt reagieren wir dann auf weitere Märkte. Ich bin davon überzeugt, dass PureSystems auch für mittelständische Kunden eine sinnvolle Investition ist. Neben den größeren Systemen gibt es dann auch meist kleinere Varianten. (mhr)