Die Angst des Vorstandes vor dem Computer

01.06.1984

Leiter Kommunikation SCS Scientific Control Systems GmbH Hamburg

Ohne Datenverarbeitung geht es nicht mehr. Darüber sind sich die Topmanager, die Vorstände und Geschäftsführer, die Unternehmer inzwischen einig.

95 Prozent gaben dies in der Unternehmer-Enquete zu Protokoll; und nur weniger als ein Prozent meinten, die EDV sei völlig überflüssig. Nun steckt der "Computer" ja auch in Geräten wie etwa der Textverarbeitungsanlage, der Speicherschreibmaschine oder im Business Graphic System, ebenso im Telefon und im Kopierer. Wird es den Herrschern in den oberen Etagen da nicht langsam unheimlich vor so viel Elektronik in allen Ecken?

Sicher habe die EDV ihre jetzige Tätigkeit verändert - so die oben zitierte Enquete -, aber für 61 Prozent der Unternehmer besteht diese Veränderung in einer Verbesserung der Entscheidungsvorbereitung, 43 Prozent fühlen sich durch die technischen Medien von Routinearbeiten entlastet und 29 Prozent entdecken darin Möglichkeiten neuer Problemlösungen. Wer redet da noch von Skepsis?

Die drei Prozent der Unternehmer, die eine teilweise Beschränkung ihres Entscheidungsspielraums Empfinden oder die sechs Prozent, die gar die Gefahr der Schematisierung von Entscheidungen heraufdämmern sehen, sind nun wirklich eine Minderheit. 20 Prozent gaben übrigens an, die EDV habe ihre Tätigkeit überhaupt nicht verändert.

Daß dabei nach Alter, Vorstandsbereich, Branche und Unternehmensgröße deutliche Unterschiede sichtbar werden, soll uns hier nicht weiter bewegen - vielmehr die Ansicht der Topmanager darüber, wie sich die Automation im Büro und die "menschliche Komponente" vertragen. Letztere werde völlig verdrängt, befürchten weniger als ein Prozent der Befragten; immerhin 30 Prozent räumen ein, daß die menschliche Komponente teilweise auf der Strecke bliebe, aber die absolute Mehrheit, nämlich 68 Prozent, ist davon überzeugt, daß die Mittel der technischen Automatisierung im Büro eine sinnvolle Ergänzung der menschlichen Arbeitskraft darstellen. Auch hier ließe sich übrigens von deutlichen Differenzierungen nach Branchen, Alter und Funktionen berichten.

Transparenz und Kontrolle

Warum sollten die Topmanager vor dem Computer Angst haben? Er ist unbestritten das wichtigste und wirksamste Instrument der Rationalisierung. Der Computer hat selbst große Unternehmen in einer Weise und mit einer Aktualität transparent gemacht, wie dies vielleicht nur vor einigen hundert Jahren im Handwerksbetrieb der Fall gewesen sein mag. Der Computer steuert Prozesse mit einer Perfektion und Zuverlässigkeit, wie sie der Unternehmer sich von seinem besten Arbeiter nur erträumen konnte. Und der Computer verschafft ihm für seine Führungsaufgaben direkten Zugriff zu Informationen, die ihm bisher - gefiltert durch das Interessenspektrum seiner Ressortmanager - nur bruchstückhaft zur Verfügung standen.

Wenn man die Reden und Druckschriften der Gewerkschaften liest, dann ist der Computer eigentlich nur erfunden worden, um die Macht der Unternehmer zu steigern und die Ohnmacht der Arbeiter und Angestellten zu vergrößern. Da wird die menschen-, besser arbeiterlose Fabrik an die Wand menetekelt, die vom Schreibtisch des Unternehmers aus mit seelenlosen Automaten die Produkte erstellt und verteilt. Da wird der Wettbewerb des unvermeidlichen Roboters mit dem armen menschlichen Wesen apokalyptisch prophezeit. Ganz zu schweigen von der Kontrolle, die jeden Wimpernschlag des arbeitenden Wesens über die ihm zugestellten Geräte registriert. Warum sollten die Vorstände und Geschäftsführer, die Unternehmer vor diesem Computer Angst haben?

Die Datenverarbeitung ist dabei, sich aus den zentralen Rechenzentren herauszulösen und in mannigfaltiger Form überall im Unternehmen Wurzeln zu schlagen. Das sind nicht mehr nur die" dummen" Endgeräte, die kontrollierten Ausleger der RZ-Oberen, da arbeiten selbständige CAD-Systeme und mikroprozessorgesteuerte Maschinen, da gibt es nachrichtentechnische Anlagen und Printmedien mit eigener Computer-"lntelligenz". Und da wächst die Zahl der Arbeitsplatzcomputer, die man Personal Computer nennt und die - meist unbemerkt und unkontrolliert vom DV-Verantwortlichen - in den verschiedensten Abteilungen wie die Pilze aus dem Boden schießen.

Sie ziehen selbstgebastelte Programme und selbsterstellte Dateien nach, sie zapfen im Falle eines Anschlusses Teile von Dateien aus der Zentraldatenverarbeitung zwecks Weiterverarbeitung an, sie sind - bei aller Nützlichkeit und Wirtschaftlichkeit, wenn man sie isoliert betrachtet - eine Bedrohung für die in jahrelanger Arbeit vom DV-Chef aufgebauten Standards und seine Bemühungen um homogene Datenbestände und wirtschaftliche Software.

Die Vorstände und Geschäftsführer, die Topmanager der Unternehmen, werden Grund zum Fürchten haben, wenn sie diese veränderte Situation nicht in den Griff bekommen. Durch de Mannigfaltigkeit der Computermedien entsteht in vielen Unternehmen eine diffuse Situation, in der es einer klaren Strategie für das gesamte Informations-Management bedarf. Die zunehmend ressortübergreifende Wirkung legt - mehr als bisher - nahe, diese Funktionen auf Vorstandsebene zu etablieren. Dabei geht es vor allem um Koordination, Planung, Überwachung, Standardsetzung und Beratung - nicht um ein Superressort, das spinnengleich seine Fäden in alle Bereiche des Unternehmens ausgelegt hat.

Klare Strategie

Die Unternehmer haben - dies zeigt auch die Unternehmer-Enquete - ein klares Ja zu elektronischen Hilfsmitteln geäußert. So wenig die Manager der oberen Etage zögern, das Medium EDV zum Wohle des Unternehmens zu nutzen, so groß ist dazu ihre persönliche Distanz. Die meisten der Unternehmer wurden während ihrer Ausbildung noch nicht mit der Datenverarbeitung vertraut gemacht. Man kann deshalb bei vielen von ihnen nur wenig Neigung feststellen, einen Bildschirm auf dem eigenen Schreibtisch aufzubauen. Für die Topmanager ist der Computer eine nützliche Maschine, die vom Fachpersonal in der jeweiligen Umgebung zweckmäßig eingesetzt wird. Angst hatte der Vorstand vor dem Computer nie, aber mit ihm Freundschaft geschlossen hat er bis heute noch nicht.

Diese Berührungsängste entbinden die Chefs jedoch in keinem Fall von der Pflicht den neuen Gegebenheiten in der Informationsspeicherung, -verarbeitung und -darstellung durch klare organisatorische Entscheidungen Rechnung zu tragen.