In der Krise auf Tauchstation

Die Angst der Manager vor unangenehmen Fragen

30.08.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

So weit wie möglich mit offenen Karten spielen

So auf ein offensichtlich vorhandenes Problem zu reagieren, ist zielführender als abzutauchen - vor allem, weil die Mitarbeiter ohnehin die Nervosität und Anspannung ihrer Führungskräfte registrieren. Noch weniger zielführend ist es, wenn die Führungskräfte - aus Hilf- und Ratlosigkeit - wenn sie von Mitarbeitern angesprochen werden, das Vorhandensein eines Problems negieren. "Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir ...?" Denn aufgrund des (Antwort-)Verhaltens der Führungskräfte spüren die Mitarbeiter meist sehr genau: Was mir mein Chef sagt, ist nicht die Wahrheit. Die Folge: Die Mitarbeiter verlieren das Vertrauen in ihre Vorgesetzten, was auch das gemeinsame Lösen der Krise erschwert, wenn die erforderlichen Entscheidungen getroffen sind.

Anders ist dies, wenn die Führungskräfte - soweit möglich - mit offenen Karten spielen und für Verständnis für das eigene aktuelle Verhalten beziehungsweise das der Geschäftsleitung werben. Denn dann haben die Mitarbeiter das Gefühl: Unsere Führung denkt auch in der Krise an uns und wird deshalb auch unsere Bedürfnisse beim Suchen eines Wegs aus der Krise berücksichtigen.

Extrem wichtig ist jedoch, dass die Führungskräfte, bevor sie das Gespräch mit ihren Mitarbeitern suchen, hierfür eine Art Drehbuch entwickeln. Das heißt, sie sollten sich im Kollegenkreis unter anderem darüber verständigen:

  • Wie gehen wir vor?

  • Welche Informationen geben wir unseren Mitarbeitern?

  • Wie begründen wir unser aktuelles Verhalten?

  • Welche Erwartungen formulieren wir an sie in der aktuellen Situation? Und:

  • Welche (einlösbaren) Versprechen geben wir ihnen?

Denn nichts ist in Situationen, in denen die Mitarbeiter ohnehin verunsichert sind, fataler, als wenn die Führungskräfte mit verschiedenen Stimmen sprechen. Denn hierdurch werden neben der Gerüchteküche die Spekulationen angeheizt - so sehr, dass das Problem in den Augen der Mitarbeiter oft größer und bedrohlicher wird als es tatsächlich ist.

Führungshandeln immer wieder neu austarieren

Welches Führungsverhalten in einer Krisensituation zielführend ist, wenn die Weichen neu gestellt werden, auf diese Frage gibt es keine Standardantwort. Dafür sind die Ausgangssituationen in den Betrieben sowie die Problemstellungen zu verschieden.

Hinzu kommt: Welches Führungsverhalten gerade angesagt ist, hängt auch davon ab, wie weit die Entscheidungssituation fortgeschritten ist. Das heißt: Die Führungskräfte müssen ihr Führungsverhalten immer wieder neu justieren. Sie müssen sich in ihren Meetings immer wieder fragen: Wie verhalten wir uns in den nächsten Tagen oder Wochen im Kontakt mit den Mitarbeitern? Welche Infos geben wir Ihnen?

Das geschieht in den Meetings zumeist nicht. Primär aus folgendem Grund: Das gemeinsame Suchen nach der bestmöglichen Lösung erfordert von den Teilnehmern meist so viel Kraft und Energie, dass sie in der Regel erschöpft sind, wenn diese endlich gefunden ist. Alle atmen erleichtert durch und jeder möchte so schnell wie möglich an seinen Schreibtisch zurückkehren, wo noch viele dringende Aufgaben warten. Die Folge: Über das Thema "Wie gehen wir mit den Mitarbeitern um und wie holen wir sie ins Boot?" wird in den Meetings entweder nicht gesprochen oder erst dann, wenn alle Teilneh-mer bereits in Aufbruchstimmung sind. Entsprechend unabgestimmt und unkoordiniert ist anschließend das Vorgehen.

Führungsmannschaft muss zusammenhalten

Deshalb empfiehlt es sich bei Treffen, bei denen die Weichen in einem Betrieb neu gestellt werden sollen, einen externen Berater hinzu zu ziehen. Aber nicht nur, um darauf zu achten, dass die Mitarbeiter nicht vergessen werden. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Aufgrund ihrer unterschiedlichen Positionen und Funktionen im Unternehmen haben die Führungskräfte meist eine unterschiedliche Sicht auf das Problem. Auch ihre Auffassungen darüber, welcher Lösungsweg am ehesten aus der Krise führt, divergieren.

Entsprechend oft geraten sich die Führungskräfte eines Unternehmens bei solchen Meetings in die Haare - auch weil sie alle unter einem enormen Druck stehen. Die Folge: Oft überschütten sich die Teilnehmer in solchen Meetings wechselseitig mit mehr oder minder deutlich ausgesprochenen Vorwürfen. "Wenn Sie rechtzeitig ....." "Ich habe schon vor drei Jahren gesagt, ...." Das erschwert nicht nur das Finden einer tragfähigen Problemlösung.

Oft resultieren aus den Vorwürfen (und wechselseitigen Schuldzuweisungen) auch persönliche Verletzungen, die dauerhaft ein Zusammenarbeiten erschweren. Auch deshalb ist es sinnvoll zu solchen Meetings einen externen, neutralen Moderator hinzu zu ziehen. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass in der Führungsmannschaft ein weiterer Brandherd entsteht, was die Krise weiter verschärft. (oe)

Kontak:

Der Autor Rainer Flake ist einer der drei Geschäftsführer der WSFB-Beratergruppe Wiesbaden (Tel.: 0611 15766-0; E-Mail: rflake@wsfb.de, Internet: www.wsfb.de ), die Unternehmen bei Veränderungsprozessen begleitet und deren Mitarbeiter trainiert. Zudem bildet WSFB Organisationsberater aus. Rainer Flake ist Bankkaufmann und Diplom-Betriebswirt. Vor seiner Beratertätigkeit war er unter an-erem Leiter Personalentwicklung bei einer Bank.