CeBIT '96/Messerundgang OOP-Entwicklungs-Tools fuer den Client

Die Anbieter aus der Welt der Objekte sind in Schlagdistanz

08.03.1996

Solo- und Arbeitsgruppen-Entwicklern steht mittlerweile eine ganze Reihe von objektorientierten Werkzeugen zur Verfuegung, um damit wiederverwendbare und leicht zu wartende Anwendungen fuer den Datenbank-Client und den Stand-alone-Desktop-PC zu schreiben. Im ersten Quartal dieses Jahres stehen mehrere Releases von neuen Versionen solcher Tools an.

In die folgende Uebersicht wurden keine Datenbanken aufgenommen, etwa "Poet 3.0", "Visual Foxpro 3.0" oder "Visual Dbase 5.5" fuer Windows, die ebenfalls objektorientierte Programmierung erlauben. Vielmehr gilt das Augenmerk Werkzeugen, mit denen sich fuer den Client- oder Stand-alone-Desktop-PC Anwendungen entwickeln lassen. In der Regel umfassen diese Tools einen Compiler fuer EXE-Dateien oder fuer P-Code, der eine Runtime-Version erforderlich macht.

CA Computer Associates (Halle 3, Stand B39) ist Anbieter von "Visual Objects 1.0 b Lite" (VO). Es bietet eine vollstaendige OOP- Entwicklungsumgebung (IDE), GUI-Unterstuetzung und Client-Server- Ausrichtung, die auch aeltere Xbase-Technologien und -Datenbanken, namentlich Clipper, nutzbar machen. Als einzige Ziel- und Entwicklungsplattform wird zur Zeit 16-Bit-Windows angeboten, was eine starke Limitierung fuer den Programmierer darstellen kann.

Mit visuellen Design-Tools, einer grafischen Workbench und ergaenzenden Klassenbibliotheken kann der VO-Entwickler schnell Native-Code erzeugen, der sich mit dem Compiler zu einer EXE-Datei oder einer Windows- beziehungsweise VO-DLL kompilieren laesst. VO- Anwendungen, so zeigen verschiedene Studien, sind schneller als etwa Clipper-Applikationen und benoetigen keine Laufzeitversion einer Datenbank, wie sie P-Code-Anwendungen brauchen.

Bei der Entwicklung wird die Speicherverwaltung gleich mit generiert, so dass sich der Entwickler darueber nicht den Kopf zerbrechen muss. Objekte und Add-ons von Drittanbietern erlauben es, die Funktionalitaet zum Beispiel durch VBXe zu erhoehen.

Die Version 2.0 von Visual Objects wird Windows 95 und NT unterstuetzen und einen 32-Bit-Compiler enthalten. Die Version befindet sich im Betastadium und soll fruehestens im dritten Quartal 1996 auf den Markt kommen.

Ebenfalls in Halle 3 findet sich auf der Platznummer B29 die Firma Oracle. Deren Entwicklungsumgebung "Power Objects" (OPO), Version 1.0, unterstuetzt 16- und 32-Bit-Windows ebenso wie Mac-OS und OS/2 3.0. Zielplattformen sind hingegen ausschliesslich Windows 3.x, OS/2 und Mac. Visuelles und schnelles Entwickeln (RAD) ist per Drag and drop von wiederverwendbaren Komponenten wie etwa VBXen moeglich, allerdings nur fuer 16-Bit-Anwendungen. Fuer 32-Bit- Applikationen sind OCXe einzusetzen.

Auch Up- und Downsizing einer Tabelle ist mit Drag and drop realisierbar. Die Entwicklungsumgebung haelt leistungsfaehige Werkzeuge und Funktionen fuer OOP bereit, daneben auch einen Report-Writer, einen Datenbank-View-Generator, einen Interpreter und einen Debugger. Power Objects verfuegt ueber einen Compiler, der ausfuehrbare EXE-Dateien erzeugt. Da der Programmierstandard von OPO offen ist, lassen sich bestimmte C++-Klassenbibliotheken aus OWL- und MFC-Bibliotheken fuer Abfragen nutzen.

OPO bietet zwei Datenbanken: die kleine, nur 300 KByte grosse relationale und lokale SQL-Datenbank "Blaze", die zu Oracle 7 aufwaertskompatibel ist, sowie Oracle 7 selbst - allerdings nur in der Client-Server-Version. Blaze laesst sich aufgrund seiner Groesse zusammen mit einer OPO-Applikation verteilen. Diese laeuft dann auch auf Oracle 7.

Auf eine Demonstration von "Powerbuilder 4.0" und "5.0" von Powersoft wird deren Muttergesellschaft Sybase in Halle 3, Stand C10, nicht verzichten wollen. Powerbuilder 4.0 (PB4) bietet zwar nur einfache Vererbung von Objekteigenschaften, ist aber mit einem hohen Marktanteil eines der wichtigsten OOP-Tools fuer den Desktop beziehungsweise Datenbank-Client.

PB4 kombiniert grafische Werkzeuge mit einer umfangreichen OOP- Sprache. Die integrierten Datawindows erlauben es, ohne SQL- Kenntnisse komplexe Anwendungen zu erstellen, die direkt auf die SQL-Datenbank zugreifen. Die sogenannte Datenpipeline ermoeglicht den Datentransfer ueber verschiedene Plattformen hinweg - auch dann, wenn die Daten in verschiedenen Formaten vorliegen.

Im Maerz soll die Version 5.0 auf den Markt kommen. Zu den wichtigsten neuen Features gehoeren Codekompilation, Applikationspartitionierung sowie Multiplattformunterstuetzung. PB5 laeuft unter Windows 3.x, Windows 95, Windows NT (Intel, Alpha), Unix sowie auf dem Macintosh. Damit sind sowohl die Entwicklung als auch der Einsatz auf allen wichtigen Plattformen moeglich.

PB5 ist an Windows 95 angepasst, das heisst, sowohl die rechte Maustaste als auch alle grafischen Komponenten der Win95- Oberflaeche kann man nutzen. Mit Powerbuilder Controls lassen sich Anwendungen unter Windows 95 erstellen und dann auf unterschiedlichen Plattformen einsetzen.

Ebenfalls in Halle 3, und zwar am Stand C52, findet sich Gupta, der Anbieter von SQL Windows 5.0" und "6.0". Diese sind Bestandteile von Guptas neuer "Centura"-Produktfamilie aus Client- Server-Entwicklungswerkzeugen, die es gestatten, komplexere und leistungsfaehigere Anwendungen zu erstellen als zuvor, zum Beispiel fuer den Bankenbereich. Daher beruecksichtigt Gupta keine 16-Bit- Umgebungen. Die Plattformen, auf denen die Centura-Tools und - Anwendungen laufen, werden die 32-Bit-Windows-Betriebssysteme Win 95 und NT 3.51 sein.

Die Entwicklungsumgebung SQL Windows 6.0 verfuegt unter anderem mit Quest, Console, Forms und Teamwindows ueber Module zur Abfrageformulierung, Maskengenerierung, Teamentwicklung und Applikationsverwaltung. Die Funktionen sowohl von SQL Windows als auch von 32-Bit-Anwendungen lassen sich mit OCXen und Gupta Business Quick Objects erweitern.

Ein sicheres Ziel der Entwickler duerfte der Parcplace/Digitalk- Stand E60 in Halle 3 sein. Die Produkte "Visual Smalltalk Desktop" beziehungsweise "Enterprise 3.1" sind komponentenbasierende, OOP- Applikations-Entwicklungsumgebungen, die mit Hilfe von Point and click in einer grafischen Umgebung die Erstellung wiederverwendbarer Komponenten sowie deren Integration in Applikationen erlauben.

Visual Smalltalk 3.1 laeuft komplett unter Windows 95 (32- Bitkompilierte Performance, OLE2-Server und -Container). Es bietet VBX- und OCX-Support, und die Smalltalk-Applikationen sind zwischen OS/2 und Win95 binaerkompatibel. Der Entwickler kann die Memory-Groesse seiner Applikation durch dynamisch lad- und entladbare Module bestimmen.

Der Applikationscode wird mit Browsern bearbeitet; die Applikation laesst sich in Szenarios (Gruppierung von Applikationsteilen) zerlegen, und alle Elemente koennen beschrieben werden. Zwecks Entwicklung im Team kann eine Applikation in logische Teile aufgebrochen werden, eine Verteilung der Rechte in den Gruppen sorgt fuer Verantwortlichkeiten. In der Client-Server-Version laesst sich eine Applikation auf Clients und Server aufteilen, die ueber TCPI/P miteinander kommunizieren.

Ein Abstecher in Halle 2 fuehrt zum Stand D02 von Microsoft, wo es "Visual C++ 4.0" zu sehen gibt, das vor allem die Wiederverwendung von Programmcode foerdern soll. Deshalb hat es eine Komponentengalerie erhalten, aus der der Entwickler Klasse, OCX etc. auswaehlen und in sein Projekt integrieren kann, das sich der Komponente automatisch anpasst.

Tools von Borland trotz Messeabsage zu sehen

Der VC4-Entwickler kann unter Win 95 und NT 3.51 Anwendungen sowohl fuer Win32s und fuer echtes 32-Bit-Windows als auch fuer den Mac entwickeln, darunter Win95-Applikationen, die Logo-kompatibel sind. Der nunmehr anpassbare App-Wizard fuehrt durch die notwendigen Schritte.

Microsoft hat die Klassenbibliothek "MFC 4.0" um DLLs erweitert, die Funktionen in Windows 95 unterstuetzen. Im Gegensatz zu Visual Basic 4.0 unterstuetzt VC4 das Multithreading von Win95 und NT vollstaendig, da MFC 4.0 diese Klassen bereitstellt.

Datenbankfunktionen lassen sich mit ODBC-2.5-Treibern und mit sogenannten Data Access Objects (DAO) realisieren. Diese neuen Klassen erlauben den Datenbankzugriff ueber die Datenbank-Engine JET 3.0, die auch von VB4 und Access 7.0 verwendet wird - die Datenformate sind somit austauschbar.

Borland ist auf der CeBIT nicht vertreten. Aber bei Better Office und Bouncy Bytes auf dem Acer/Debis-Partnerstand in Halle 4, Stand F32, sind die Entwicklungswerkzeuge doch zu sehen. "Delphi 2.0 Desktop", das im Maerz auf den Markt kommen soll, laeuft auf Windows 95 und NT 3.51. Auch bei der Entwicklung fuer diese 32-Bit- Plattformen werden alle Steuerelemente, Dialoge, Funktionen wie E- Mail (MAPI) und OLE 2.0 (einschliesslich OLE-Automation) etc. unterstuetzt.

Der 32-Bit-Compiler soll noch besser optimieren und EXE-Dateien um etwa 25 Prozent kompakter und drei- bis viermal schneller machen. Durch die Erstellung von Delphi Compiled Units (DCUs), die vorkompilierte Einheiten darstellen, laesst sich der Kompiliervorgang verkuerzen.

Neue 32-Bit-Datentypen beruecksichtigen lange Zeichenfolgen, 2- Byte-Zeichen, Varianten (die jeden Datentyp annehmen koennen) und Waehrung. Durch die Unterstuetzung von OLE 2.0/ COM ist die Integration von OCXen sowie die OLE-Automation moeglich.

Mit dem Visual Query Builder lassen sich Abfragen fuer den Anwender nun leichter formulieren. Der Database Explorer, ein Tool zur Analyse und Bearbeitung einer Datenbank, erhielt zusaetzliche Funktionen, ebenso wie die 32-Bit-Version des "Report- smith" in der Client-Server-Version.

Wenn man schon bei Borland ist, kann man sich auch noch gleich "C++ 5.0" anschauen, das noch vor der CeBIT auf den Markt kommen soll. Es bietet als 32-Bit-Entwicklungswerkzeug Unterstuetzung fuer Windows 95 und NT 3.51 sowie DOS und Windows 3.x, unterstuetzt jedoch weder OS/2 noch den Mac als Zielplattformen. Anders als Visual C++ 4.0 unterstuetzt Version 5.0 neben OCXen und den C++- Objekten auch die 16-Bit-VBXe, was Investitionen schuetzt.

Mit der OOP-Skriptsprache Object-Scripting koennen Entwickler ihre IDE anpassen und sowohl C++ 5.0 als auch Fremdprogramme steuern. Alten Windows-Anwendungen laesst sich leicht der neue Win95-Look verleihen. Die Object-Windows Library (OWL) 5.0 bietet alle dafuer noetigen Win95-Steuerelemente und -dialoge, die Winsock-DLL fuer den Internet-Zugang etc.

*Michael Matzer ist freier DV-Fachjournalist in Seefeld.