Der Mehrplatz-Mikro:

Die Alternative zum PC-Netz

26.07.1985

Der Motor für den ständig steigenden Bedarf an Mikrocomputer-Systemen ist die Notwendigkeit der "Verfügbarkeit von Computerleistung direkt am Arbeitsplatz".

Diese klare Zielrichtung ist der Grund für die immense Verbreitung professioneller PC (Personal Computer = Einplatzmikro) in den letzten fünf Jahren. Zusätzlich senkte ein Preisverfall und Preiskampf bei den PC drastisch die EDV-Akzeptanzschwelle, was für diese Einzelplatz-Systeme zusätzlich neue Märkte erschloß.

Die breiten Käuferschichten für professionelle Personal Computer waren in der Regel EDV-Neulinge aus kleinen und mittelständischen Unternehmen der Industrie, des Handels und des Handwerks. Sie brauchten sofort organisatorische und administrative Entlastungen, das heißt, möglichst schnell und ohne umfangreiche Problemanalysen mit Pflichtenheft etc., wie es sonst bisher in der EDV üblich war und es sich bei den vergleichsweise geringen Investitionen für PC wohl auch nicht lohnte. Ein Fehler, wie man leider oft später bemerkte. Jedenfalls suggerierte eine geschickte Werbung den PC als "generelle Problemlosung" am einzelnen Arbeitsplatz.

Wertanalysen, zum Beispiel über die Kosten pro Arbeitsplatz bei einem Computer-System, waren für viele unbekannt und zunächst auch nicht so wichtig, "da man sich ja nur einen einzigen PC kaufte". Sehr schnell war aber oft der erste PC schon so stark ausgelastet, daß andere Mitarbeiter (im Lager, Buchhaltung, Fertigung, Auftragsbearbeitung, Entwicklung, Werkstatt, etc.) auch einen eigenen PC zum effizienten Arbeiten benötigten und diesen auch erhielten.

Mit zunehmender EDV-Erfahrung lernten die PC-Anwender - unabhängig von generellen Problemen mit Software, Service und Support - dann sehr schnell eine grundsätzliche Einschränkung ihrer PC kennen: Den "Insel-Charakter" beim Informationsaustausch, besonders bei innerbetrieblicher Kommunikation zwischen mehreren PC. Gewiß, man konnte die Disketten austauschen, um alle Dateien auf gleichen Stand zu bringen; man konnte auch über Modems und V.24-Schnittstellen mit anderen PC kommunizieren und Dateien austauschen. Für einen professionellen EDV-Einsatz aber war das insgesamt eine Methode.

Hier kamen die PC-Hersteller den Anwendern wieder hilfreich entgegen: Man bot LAN (Local Area Network) für die PC an. Für zusätzliche Kosten konnte man alle in Hause vorhandenen PC miteinander vernetzen, um so einfacher die Informationen (Dateien) zwischen den einzelnen PC austauschen zu können. Wie geht das? Im Grunde dient ein vorhandener PC (oder ein für das PC-LAN neu zu beschaffendes Gerät) als "File-Transfer" im Netzverbund.

Der File-Server steuert den Transfer und den geregelten Zugriff der Dateien und kontrolliert den reibungslosen Ablauf im Netzwerk. Ausgeklügelte PC-LAN Systeme täuschen oft mit großem Aufwand darüber hinweg, daß die PC selbst immer noch "Einzelplatz"-Charakter haben und mit Single-user-Betriebs systemen arbeiten: Hardware- und Betriebssystem sind (Architektur-bedingt) auf die "persönliche Anwendung" abgestimmt und beschränkt. Die Verkabelung erfüllt nicht die Integrations-, Geschwindigkeits- und Sicherheitsbedürfnisse eines professionellen Mehrplatz-Systems. Daneben läßt sich Applikations-Software auch im Netz noch von mehreren Anwendern gleichzeitig nutzen.

Der Aufwand an Geld und Zeit ist groß, um aus mehreren einzeln arbeitenden PC innerhalb einer Firma ein PC-Netz zu realisieren. Und am Ende ist der Preis pro Arbeitsplatz in einem PC-Netz (Gesamtkosten eines Systemverbundes geteilt durch die Anzahl der PC) sehr viel höher, als man am Anfang (bei der Beschaffung "nur eines PC") überhaupt dachte.

Zur gleichen Zeit etwa, als die PC ihren Siegeszug begannen, machten sich EDV-Profis in Silicon Valley daran,. die Vorteile der Mikroelektronik und Mikroprozessor Technik auch für solche Märkte aufzubereiten, denen Mini-Computer bisher zu teuer waren, die aber trotzdem professionelle EDV-Lösungen anstrebten; jedenfalls keine "lnsellösungen" mit PC. Firmen wie Altos entwickelten damals die ersten Mehrplatz-Mikrocomputer. Ein neues Produkt des EDV-Marktes, das sehr rasch an Bedeutung gewann. Hatte man doch unterhalb des Minicomputermarktes und oberhalb des PC-Marktes ein großes Absatzpotential lokalisiert: Firmen mit einer Mitarbeiterzahl zwischen etwa zehn und 100 Personen sowie Fachabteilungen von Großunternehmen.

Solche Unternehmen haben grundsätzlich einen Bedarf an Mikrocomputern, deren Arbeitsplätze von Anfang an miteinander kommunizieren müssen und die - wenn dazu autorisiert - Zugriff auf gemeinsam genutzte, aktuelle Dateien erfordern (zum Beispiel den gleichen aktuellen Lagerbestand für Vertrieb, Auftragsbearbeitung, Lager- und Buchhaltung): eben an Mehrplatz-Mikrocomputern.

Die MUM (Multi User Micro = Mehrplatz-Mikrocomputer)sind von vornherein dazu ausgelegt (wie Minis, aber viel preiswerter), mehrere Benutzer (=Arbeitsplätze) mit einer CPU, das heißt durch einen Rechner gleichzeitig zu bedienen. Ein solches System erfordert einen komplexen Aufwand an Hard- und Software, besonders vom Betriebssystem (wie

Unix/Xenix), um seine Aufgaben zu erfüllen. Der Anschaffungspreis eines MUM ist daher durchweg höher als der eines PC.

Eine allein auf den Anschaffungspreis (Einstiegspreis) eines PC fixierte Klientel ignorierte zunächst die teureren MUM. Zunehmende EDV-Erfahrung (mit PC) brachte jedoch die Erkenntnis, daß neben den Gesamtkosten eines EDV-Systems auch die Kosten pro Arbeits- beziehungsweise Bildschirmplatz (bei gleicher Computerleistung) ein wichtiges Bewertungskriterium bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind.

Marktuntersuchungen zeigen, daß ca. 2/3 aller kleinen und mittleren Firmen Bedarf an MUM haben. Das deckt sich mit Prognosen von IDC, die eine Verdreifachung des Umsatzes für kleine Mehrplatz-Mikrocomputersysteme (bis zu 15 Teilnehmer) in Europa prognostizieren (von 8 Milliarden Mark in 1983 auf 25 Milliarden Mark in 1989).

Betrachtet man nun den bestehenden Markt hinsichtlich seines künftigen Verhaltens, dann zeichnen sich folgende Trends ab:

þVorhandene PC werden, so gut es geht (mit hohen Zusatzkosten), vernetzt und gegebenenfalls in bestehende EDV-Systeme integriert.

þVorhandene PC können mit Mehrplatz-Systemen vernetzt werden. Ein kluger Kompromiß, der zum Beispiel die MS-DOS-Welt mit der Unix/Xenix-Welt verbindet (zum Beispiel durch PC-Path von Altos).

þEDV-Neueinsteiger entscheiden sich von vornherein zunehmend für Mehrplatz-Systeme. Das ist der solide und professionelle Einstieg in die EDV-Ara, denn über kurz oder lang müssen in den meisten Firmen weitere Teilnehmer über zusätzliche Bildschirme auf gemeinsame Daten (wie Lagerbestand) zugreifen.

Verglichen mit vernetzten PC liegen die Vorteile eines MUM somit klar auf der Hand:

- niedrigere Kosten pro Arbeitsplatz (siehe Kostenvergleich);

- gemeinsam nutzbare Daten, das heißt für alle Teilnehmer die gleichen aktuellen Daten;

- professionelleres Arbeiten mit besseren Kommunikationsmöglichkeiten;

- wirtschaftlicheres Ausnutzen von Speicherplatz;

- Anschluß weiterer Terminals ohne zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand;

- klar umrissene Zugriffsberechtigungen (aus dem Betriebssystem Xenix);

- problemloses Einbinden vorhandener PC (MS-DOS) in die Mehrplatz-Welt (bei Altos: mittels PC-Path in Xenix).

*Falk Uebe ist bei der Altos Computer Systems GmbH, München, im Bereich Marketing Central Europe tätig.