Die Ängste der Mitarbeiter müssen ernst genommen werden

17.10.1986

Akzeptanz der DV-Technik in den Fachabteilungen bedeutet nicht nur, daß die Mitarbeiter sich mit den elektronischen Arbeitsmitteln abfinden sollen. Vielmehr werden sie sie nur dann optimal einsetzen, wenn sie von deren Nützlichkeit überzeugt sind. "Motivation" nennt Klaus Palme vom Institut der deutschen Wirtschaft das Ziel*. In der Frage, mit welchen Mitteln diese Überzeugungsarbeit zu leisten sei, besteht nahezu Übereinstimmung. Daß ihr ein kooperatives Selbstverständnis der DV-Abteilungen vorausgehen muß, stellt Harald Wamers, DV-Leiter der Peter Eckes KG, fest. Nur so ist es möglich, sich auf die Probleme der Anwender einzulassen. Joachim C. Ohlig, Schulungsleiter bei der Deutschen Lufthansa, nennt das Kind beim Namen: Die Mitarbeiter müssen ernst genommen werden. Erst wenn ihre Befürchtungen Gehör gefunden haben, können geeignete Schritte unternommen werden, um sie zu zerstreuen.

Dr. Klaus Palme

Leiter der Datenbank-Abteilung, Institut der deutschen Wirtschaft

Wir verfügen über ein Rechenzentrum mit angeschlossenen Terminals in den verschiedenen Abteilungen, über ein Mehrplatz-Textsystem und über einzelne Personal Computer für spezielle Aufgaben. Vor und während der Einführung dieser Techniken gab es unterschiedliche Akzeptanzprobleme, von denen einige im folgenden aufgeführt sind:

-Angst vor dem nicht sichtbaren Computer;

-Hemmungen, die Tastatur zu betätigen (Angst vor falscher Handhabung);

-Schwierigkeiten beim Erlernen von Befehlen, insbesondere beim Auftreten von Fehlermeldungen und deren Behebung;

-Akzeptanzprobleme bei Fachreferenten durch Organisationsveränderungen;

- Rivalität zwischen den Bildschirmplatzinhabern und denjenigen, die auf konventionelle Weise arbeiteten;

- Besitzstreben und Statusdenken, die die Auslastung der Geräte stören;

- Zwang zur Zusammenarbeit, wo bisher Zusammenarbeit nicht erforderlich war.

In Abhängigkeit von den Systemen und den Abteilungen haben wir sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Beispielsweise wurde 1980 eine Forschungsgruppe neu gegründet, die das Ziel verfolgte, eine arbeitswissenschaftliche Datenbank aufzubauen. Während der vierjährigen Aufbauphase traten bei den Mitarbeitern keinerlei Akzeptanzprobleme auf. Sie wurden fast alle für dar Projekt neu eingestellt und waren vorwiegend Berufsanfänger. Von vornherein mußte das Terminal als Handwerkszeug benutzt werden. Schwierigkeiten im Umgang mit dem Rechner fielen gar nicht ins Gewicht, da die Forschungsgruppe sowieso Neuland betrat. Die intensive Teamarbeit hat sicher dazu geführt, daß durch gegenseitige Hilfestellungen Akzeptanzprobleme mit der DV-Technik erst gar nicht aufkamen.

Anders verhielt es sich in bestehenden Abteilungen, die sich erstmals mit elektronischer Textverarbeitung und, Mikrocomputern konfrontiert sahen. Hier waren eine Voreinführung des Systems, intensive Information der Mitarbeiter und anschließend ständige Betreuung erforderlich.

Darüber hinaus wurde ein Erfahrungsaustausch von Mitarbeitern organisiert, die das System mit gleichen Aufgaben nutzen sollten. Während einer einjährigen Einarbeitungszeit trafen sie sich in unregelmäßigen Abständen, um auf Hilfestellung hinzuweisen oder auch gemeinsam Fragestellungen an den Lieferanten zu formulieren. Vor allem, indem der Einzelne merkte, daß die anderen auch Schwierigkeiten hatten, wurden Minderwertigkeitskomplexe und Angstgefühle stark abgebaut. Außerdem entstanden langsam gewisse "Experten", die Teilanwendungen besonders sicher beherrschten und ihre Erkenntnisse weitergeben konnten.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß bei anderen als den eingeübten Systemen (Hardware-/Softwarewechsel) die geschilderten Akzeptanzprobleme nochmals in hohem Maße auftreten können.

Als Erkenntnisse aus unseren bisherigen Erfahrungen kann man zusammenfassen:

- Wenn Mitarbeiter für eine Tätigkeit eingestellt werden, für die der Umgang mit Computern erforderlich ist, ist in der Regel nicht mit Akzeptanzproblemen zu rechnen, sofern die Motivation gegenüber dem neu einzunehmenden Arbeitsplatz stimmt.

- In bestehenden Abteilungen sollten bereits vor der Beschaffung der Geräte in intensiven Gesprächen mit den Mitarbeitern die Möglichkeiten und der Nutzen der neuen Systeme erörtert werden, wobei auch Wünsche und Anforderungen abgefragt werden sollten. Ältere Mitarbeiter bedürfen häufig einer besonders intensiven Betreuung.

- Bei der Einführung muß eine Hilfestelle vorhanden sein, die jederzeit auf Probleme eingehen kann und beratend tätig wird.

- Der Erfahrungsaustausch der Beteiligten sollte besonders am Anfang sehr intensiv betrieben werden, um gemeinsam Erfahrungen zu sammeln und Probleme lösen zu helfen.

- Auch Referenten, Fachleute und Sachbearbeiter müssen sich mit neuen Bürosystemen und deren Möglichkeiten auseinandersetzen, wenn die Zusammenarbeit mit Sekretärinnen und Schreibkräften funktionieren soll.

- Über Organisationsgrenzen hinweg sollten für gleichartige Gebiete Teamarbeit und kooperative Zusammenarbeit von vornherein stark gefördert werden, um den Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.

Alle genannten Maßnahmen dienen der Mitarbeitermotivation. Dies setzt selbstverständlich voraus, daß die Anlagen den ergonomischen Anforderungen entsprechen. Das Alter der Mitarbeiter kann nur dann ein Hemmschuh sein, wenn die Motivation völlig fehlt - im anderen Falle können ältere Mitarbeiter eine wertvolle Unterstützung sein, da sie sich insbesondere im Organisationsbereich sehr gut auskennen und damit die Möglichkeiten neuer Systeme schnell einschätzen können.

Joachim C, Ohlig

Schulungsleiter, Automatisierte Informationssysteme, Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt

Es wäre übertrieben, wenn ein Unternehmen behaupten würde, es hätte das Akzeptanzproblem gelöst. Denn dieses läuft parallel zur technologischen Entwicklung, Organisationsentwicklung und menschlichen Bewußtseinsentwicklung. Das Problem ist dauerhaft vorhanden. Man muß auf seine Lösung ständig Einfluß nehmen, damit Akzeptanz entsteht und erhalten bleibt. Am besten läßt sich dies mit einem ganzheitlichen Ansatz, im Rahmen einer Konzeption, mit zielgerichteten Maßnahmen realisieren. Diese sind durch Schulung und Information am ehesten zu erreichen.

Den veränderten Rahmenbedingungen trugen wir bereits vor einigen Jahren durch die Formulierung von "Leitlinien zur Automatisierung" Rechnung. Dort wird auch zur Frage der Akzeptanz bei fortschreitender Automatisierung Stellung genommen. Frühzeitige Einbeziehung der Betroffenen, rechtzeitige und umfassende Information über Ziele, Vorhaben, Projekte und Arbeitsergebnisse, ist ein wichtiges Instrument, um psychologische Barrieren abzubauen und gegenseitiges besseres Verständnis zu erreichen.

Unkenntnis und Mißverständnisse werden auch durch Schulungsmaßnahmen verringert. Schulung, die sich um die Erhöhung der Akzeptanz kümmert, muß sich auf alle Arbeitsebenen und Arbeitsbereiche in der Informationsverarbeitung beziehen. Durch den zunehmenden Automatisierungsgrad in den Fachbereichen (dezentrale/individuelle Datenverarbeitung) hat sich der Bedarf für Maßnahmen zur Akzeptanzsicherung noch beträchtlich vergrößert.

Die erfolgreiche Durchführung solcher Schulungsveranstaltungen setzt ein positiv-kritisches Verständnis für Informationssysteme bei den Lehrenden voraus. Aber auch die möglichen beruflichen Sorgen und menschlichen Ängste der Betroffenen müssen reflektiert und respektiert werden. Nur durch das Ernstnehmen der Mitarbeiter lassen sich in der Akzeptanzentwicklung Fortschritte erreichen.

Im Rahmen des geltenden Schulungsprogramms werden bei uns derzeit schwerpunktmäßig diejenigen Mitarbeiter berücksichtigt, die erstmals mit Bildschirmgeräten arbeiten. In den Kursen wird neben der Erörterung von Datenschutz und Datensicherheit sowie Sder Ergonomie auch die jeweilige betriebliche Einzelaktivität zum besseren Verständnis in den DV-Gesamtzusammenhang gestellt. Darüber hinaus ist auch die offene, kritische Diskussion über positive und vermeintliche negative Folgen der DV Bestandteil des Lehrplans.

Neben diesen Kursen für DV-Anfänger fallen unter die Schulung zur Akzeptanzverbesserung auch Seminare für die zentrale Informationsverarbeitung über Fragen der Qualitätssicherung sowie die Einführung neuer Verfahren zur Entwicklung von Informationssystemen (zusammen mit den Fachbereichen).

Weiterhin sind dazu Kurse des Verhaltenstranings zu rechnen, die den effizienteren kommunikativen Umgang der DV-Zentrale mit den Endbenutzern sowie der DV-Kollegen untereinander zum Ziel haben. Schließlich ist als flankierende Maßnahme die Vermittlung der DV-Leistungen im Unternehmen selbst zu zählen, also die interne Öffentlichkeitsarbeit für die gemeinsamen Anstrengungen auf dem Gebiet der automatisierten Informationssysteme,

Die Aufgabe der Akzeptanzförderung ist eine ständige Herausforderung, um eine humane Zukunft in einem Unternehmen wie dem unseren zu sichern, das auf moderne DV-Technik angewiesen ist.

Harald Wamers

Bereichsleiter Datenverarbeitung, Peter Eckes KG mbH

Das Thema ist fast so alt wie die Datenverarbeitung. Dabei ist die Akzeptanz eines DV-Systems im Fachbereich genauso wichtig wie das System selbst. Ein noch so gutes System ist wertlos, wenn es nicht von denen akzeptiert wird, die damit arbeiten müssen. Fragen wir uns, warum es Probleme gegeben hat oder geben könnte, so gibt es meines Erachtens vier Antworten:

- Systeme werden an den Bedürfnissen der Anwender vorbeientwickelt;

- Systeme sind nicht anwenderfreundlich;

- Mitarbeiter in den Fachbereichen haben Angst vor der Innovation oder der Wegrationalisierung ihres Arbeitsplatzes;

- Mitarbeiter sind zu wenig mit der bei ihnen eingesetzten Software und den Zusammenhängen vertraut gemacht worden.

Als wir vor einigen Jahren damit begannen, die Dialogverarbeitung in die Fachbereiche zu bringen, haben wir uns sehr gründlich überlegt, wie wir diese einschneidende neue Technik so optimal wie möglich "verkaufen" können und sind dabei zu folgenden wesentlichen Maßnahmen gekommen:

- Der Projektleiter ist ein maßgeblicher, mit Entscheidungsbefugnis ausgestatteter Mitarbeiter der betroffenen Fachabeilung.

- Die Fachbereiche haben die eingesetzte Standardsoftware selbst mit ausgesucht.

- Alle Mitarbeiter, die dann mit Bildschirmarbeit zu tun hatten, durchliefen ein zweitägiges Seminar, das sie durch Beispiele aus ihrem Fachbereich mit den Grundzügen der DV vertraut machte.

- Die eigentliche Schulung der Fachbereichsmitarbeiter führten die Fachbereiche selbst - im Schneeballsystem - durch.

- Aufgrund des neuen Systems gab es keine Entlassungen.

- Schulungen im Rahmen des internen Weiterbildungsprogramms wurden angeboten und auch genutzt.

Eine weitere Möglichkeit, Probleme zu reduzieren, wären Veröffentlichungen in der Firmenzeitschrift und damit noch mehr Aufklärung über neue Systeme.

Fazit: Mit etwas mehr Nachdenken ist es ohne größeren Kostenaufwand möglich, die oben angesprochenen Probleme zu vermeiden.