Betriebssicherheit in DFÜ-Netzen:

Diagnose - Meßplatz gegen "Schwarzer-Peter-Syndrom"

30.11.1979

Die Datenfernübertragung hat mehr als alle anderen Teilbereiche der EDV weltweit stark zugenommen. Intelligentere Systeme in den Außenstellen haben dafür gesorgt, daß die Netze immer umfangreicher und verzweigter werden (Distributed Processing). Mit diesem großen Wachstum ist leider auch die Anzahl der möglichen Störfaktoren angestiegen. Es treten zwangsläufig mehr und mehr Schwierigkeiten in der DFÜ auf.

Die komplexen Netzwerke bestehen aus der Verknüpfung von Telefonleitungen, Datenmodems, Steuer- und Zentral-einheiten und letztlich der das ganze steuernden Software. Zu jeder Zeit - immer unerwartet und ungelegen - können eines oder mehrere Glieder innerhalb der Übertragungskette ausfallen. Die möglichen Fehlerquellen lassen sich unterteilen in:

1. postbedingte

2. systembedingte Störungen,

Bei den postbedingten handelt es sich um Störungen auf der Analogseite, das heißt im überlasteten Telefonleitungsnetz (Amplitudendämpfung, Gruppenlaufzeit, Signal-Rauschabstand, Phasengitter, Phasensprünge, Frequenzversatz, nicht lineare Verzerrungen). Systembedingte Störungen sind Fehler in den Datenmodems, den Endgeräten (Terminals), den Steuer- und Zentraleinheiten, den enstprechenden Schnittstellen-Anpassungen und letztlich in der DFÜ-Software.

Da die Deutsche Bundespost Messungen seitens des Anwenders auf der Analogseite, also der Telefonleitung, nicht oder nur mit Ausnahmegenehmigungen zuläßt, soll auf diesen Punkt hier nicht weiter eingegangen werden.

Die vorgenannten systembedingten Störungen lassen sich trotz modernster Technik nicht vermeiden, jedoch in nahezu idealer Weise an der digitalen V.24-Schnittstelle (DIN 660220) erkennen. Um eine hohe Verfügbarkeit der Übertragungsnetze zu erreichen und somit die Ausfallzeiten möglichst minimal zu halten, ist der Einsatz von speziellen Diagnose-Meßplätzen inzwischen unabdingbar geworden.

Da jedes DFÜ-System so betriebssicher wie sein schwächstes Glied ist, muß das Netz zunächst auf, mögliche Schwachpunkte untersucht werden. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Ausfallmöglichkeiten und -kriterien muß ein Plan zur Vorgehensweise für die Störungserkennung und späteren -beseitigung ausgearbeitet werden. Die Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einsatz eines Diagnose-Meßplatzes beziehungsweise für die Fehlererkennung im Störungsfall ist das Vorhandensein von V.24-Schnittstellen-Überwachungs- und Rangierfeldern. Sie ermöglichen dem Anwender den direkten Zugriff zu den einzelnen Übertragungskanälen, ohne mühsam die Verbindungskabel abschrauben, umstecken und wieder anschrauben zu müssen. Da üblicherweise in jedem Netz verschiedene Hersteller involviert sind (Mixed Hardware), ist es im Störungsfall ohne Diagnose-System sehr schwierig, den Verursacher der Störung zu ermitteln - jeder kennt dieses "Schwarzer-Peter-Syndrom" aus eigener Erfahrung. Ein erfahrener und geschulter TP-Koordinator hat durch das Instrumentarium eines DFÜ-Diagnose-Meßplatzes die Möglichkeit, den verschiedenen EDV-Herstellern als mündiger Partner gegenüberzutreten. Durch Lokalisieren der Fehlerquelle kann er den verantwortlichen Wartungstechniker gezielt zum Einsatz bringen und damit die Ausfallzeit minimieren.

Welche Geräte gibt es?

In der Bundesrepublik Deutschland vertreiben inzwischen etwa zehn Firmen

DFÜ-Diagnose-Systeme sowie V.24-Schnittstellen-Rangierfelder. Der Anwender hat die Qual der Wahl. Es fehlt ihm meistens an geeigneten Auswahlkriterien. Nachfolgend soll dem Leser hierfür eine "Checkliste" an die Hand gegeben werden.

1. V.24-Schnittstellen-Rangierfelder

Hier sind zwei Arten zu unterscheiden: mit A/B-Umschalter und ohne A/B-Umschalter.

Große DFÜ-Anwender, die mindestens zwei Steuereinheiten einsetzen, sollten immer ein Rangierfeld mit A/B-Umschaltung wählen. Bei Ausfall einer Datenfernsteuereinheit können dann sekundenschnell alle Modemstrecken auf die Reservesteuereinheit umgeschaltet werden.

Bei der Auswahl eines Rangierfeldes sollten folgende Punkte beachtet werden:

- Modularer Aufbau, möglichst Einschubtechnik

Dadurch kann der Anwender entsprechend seiner jeweiligen Bedarfserweiterung ausbauen. Aus Platzerspamisgründen sollten mindestens 16 Kanalmoduln und ein Kontrollmoduln in einem 19-Zoll-Rahmen untergebracht sein.

- Belegung aller 25 Pins der V.24-Schnittstelle. Dies ist empfehlenswert, um auch zukühftige Schnittstellen mit und ohne Hilfskanal anschließen zu können.

- Anzeige der fünf wichtigsten V.24-Steuer- und Kontrollsignale (S2/M2/D2/D1/M5) je Kanal mittels Luminiszenzdioden (LEDs). So kann der Anwender den jeweiligen Status der einzelnen Übertragungsleitungen auf einen Blick erfassen und Unregelmäßigkeiten oder fehlende Anzeigen sofort erkennen.

- Integrierte Alarm-Einrichtung. Sie bietet für jeden Kanal eine wichtige optische und akustische Überwachung der Übertragungsleitung. Als Überwachungs-Kriterium sollte nicht nur wie üblich der Ernpfangssignalpegel (M5) angezeigt werden, sondern eventuell auch die Signalqualität (M6) oder alternativ auch der "Streaming-Effekt" in Dialogsystemen mittels des Signals S2.

Bei der Überwachung des Emplangssignalpegels (M5) sollten verschiedene Schwellwerte einstellbar sein. Besonders vorteilhaft ist die Einrichtung eines externen Alarmausganges.

- Rechner-/Terminalbuchse, Modem- und Monitorbuchse

Für jeden Kanal sollten diese drei Anschlußmöglichkeiten vorhanden sein, wobei die Rechner-/Terminalbuchse sowie die Modembuchse alle 25 Pins der V.24-Schnittstelle unterbrechen sollten, um somit den Anschluß eines Testgerätes oder eines DFÜ-Simulators zu ermöglichen. Die separate Monitorbuchse dagegen erlaubt den unterbrechungsfreien Zugriff zur Übertragungsleitung und dadurch den Anschluß eines hochimpedanten Daten-Monitors oder eines Magnetband-Aufzeichnungsgerätes.

Sicheres Schalten durch Kammrelais

Für die V.24-Schnittstellen-Rangierfelder mit integrierter elektronischer A/ B-Umschaltung werden ebenfalls verschiedene Systeme angeboten, die ein mehr oder weniger sicheres Umschalten ermöglichen. Im Gegensatz zu mechanischen Umschaltsystemen, die mit Permanentmagneten und Hebelwirkung arbeiten, haben sich spezielle staubgeschützte Kammrelais bewährt, die mit Edelmetallkontakten ausgestattet sind. Dies gewährleistet ein einwandfreies und sicheres Schalten nicht nur beim üblichen waagerechten Einbau in 19-Zoll-Schränke, sondern auch bei Verwendung in modernen Bedienerpulten und Einbaukonsolen mit einem Neigungswinkel, der größer als 45 Grad ist.

Schließlich sollte man den jeweiligen Schaltzustand durch eine besondere Leuchtdiodenanzeige erkennen können. Bei allen Systemen ist gewährleistet, daß der letzte Schaltzustand bei Netzausfall erhalten bleibt.

Die Rangierfelder für jeweils 16 Kanäle mit LED-Anzeigen werden zwischen 7500 Mark und 10 000 Mark angeboten.

Mit integrierter A/B-Umschaltung liegen sie zwischen 12 000 Mark und 16 000 Mark.

2. DFÜ-Diagnose-Meßplatz

Bei der Auswahl eines solchen Meßplatzes unterscheidet man drei Anwendergruppen:

- Den kleinen DFÜ-Anwender mit gelingen Fach- und Sachkenntnissen.

Für ihn eignet sich besonders der passive Datenmonitor mit oder ohne Magnetband-Aufzeichnungsmöglichkeit. Systeme dieser Art sind zwischen 10 000 Mark und 16 000 Mark erhältlich (ohne Aufzeichnungsmöglichkeit).

- Den mittleren DFÜ-Anwender mit Hard- und Software-Kenntnissen.

Für ihn bietet sich passives, intelligentes Datenmonitoring mit statistischen Auswertungen und zusätzlichen Überwachungskriterien und Magnetbandaufzeichnung an. Systeme dieser Art liegen zwischen 25 000 Mark und 40 000 Mark.

- Den großen DFÜ-Anwender mit umfangreichem Netzwerk.

Zur Bewältigung der hier anfallenden komplexen Probleme, besonders bei viel Mixed Hardware mit unterschiedlichen Schnittstellenbedingungen und verschiedenen Systemen und Herstellern im Einsatz, stehen frei programmierbare DFÜ-Monitore, - Simulatoren und Leistungsanalysatoren zur Verfügung. Diese Systeme jedoch erfordern fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der DFÜ-Hard- und Software bis in die Protokollebene.

Für intermittierende und sporadisch auftretende Störungen sind ferner Magnetbandeinheiten für Langzeitaufzeichnungen vorgesehen. Der Kaufpreis für Systeme dieser Art liegt zwischen 40 000 Mark und 80 000 Mark.

Ebenso wie bei den V.24-Schnittstellen-Rangierfeldern wird eine Reihe von mehr oder weniger intelligenten Diagnose-Systemen angeboten. Die meisten Geräte sind mit einem 8-Bit-Mikroprozessor (Intel, Motorola, Zilog) ausgestattet. Nachfolgend die wichtigsten Auswahlkriterien:

- Hardware- oder Softwarekonzeption:

Hinsichtlich neuer Protokolle und Übertragungsverfahren (HDLC/SDLC) sowie der paketorientierten Datennetze (X.25), sind Geräte, die auf einem Software-Konzept basieren, vorteilhafter. Die gesamte Intelligenz, beziehungsweise Firmware, ist in mehr als 20 löschbaren Eproms (Erasable Programmable Read Only Memories) gelagert. Sie können jederzeit auf den neuesten Software-Revisionsstand umgebrannt werden, wie dies auch bei größeren Rechnersystemen üblich ist.

- Integrierter gut lesbarer Bildschirm, um auch bei längerem Einsatz den berechtigten "Rotaugeneffekt" zu vermeiden.

- Mikroprozessor-gesteuerte Bedienerführung, die dem TP-Koordinator wesentliche Hilfen bei der Programmierung und Bedienung des Gerätes gibt. Danüt werden Bedienungs- und Programmierfehler weitgehend ausgeschlossen.

- Trapp-Funktionen:

Hierunter versteht man Fangschaltungen, mit denen das Gerät auf unterschiedliche Kriterien eines Datenstromes reagiert. Diese können durch programmierbare Zähler und Timer festgelegt und ausgewertet werden. Wichtig ist hierbei, daß mehrere Trapp-Funktionen wie zum Beispiel Adreß-Selektion, bestimmte Zeichenfolgen, BCC oder FCS-Fehlerüberprüfung oder Time-Out-Messungen gleichzeitig im Real-Time-Verfahren abgefragt beziehungsweise überwacht werden.

- Datenspeicher/Programmspeicher:

Für die Daten sollten mindestens vier oder acht K-Zeichen und für das Programm mindestens ein bis drei K-Zeichen in einem Batterie-gepufferten Speicher vorgesehen sein.

Bei der Auswahl eines solchen Diagnose-Systems sollte man sich dieses im eigenen Netz in verschiedenen Anwendungsbereichen vorfuhren lassen. Gerade in jüngster Zeit wurden auf dem deutschen Markt einige Innovationen an intelligenten Daten-Analysatoren vorgestellt, die bereits für die Aufgaben der 80er Jahre ausgerüstet sind. Man erkennt sie leicht an der neuen Bildschirmgröße von 7,5 Zoll. Durch die Verwendung von mehreren Mikroprozessoren (Multiprozessortechnik) entfallen die bekannten Zeitprobleme bisheriger Systeme besonders bei Übertragungsgeschwindigkeiten über 4800 Bit/S.

Loblied der Anwender

Trotz der relativ hohen Investitionen für die Einrichtung eines DFÜ-Meßplatzes können die Anschaffungskosten meistens bereits innerhalb eines Jahres amortisiert werden. Die Übertragungsleitungen werden durch den Einsatz von Daten-Analysatoren hinsichtlich Fehlerquellen im Hard- und Software-Bereich transparent gemacht und somit kostspielige Ausfallzeiten wesentlich minimiert. Inzwischen können schätzungsweise 400 Anwender solcher Systeme in der Bundesrepublik ihr Loblied darauf singen.

*Peter Mikutta ist Geschäftsführer der Telemation Gesellschaft für Datenübertragung mbH. Frankturt.