Akzeptanz beim Mittelstand nimmt immer mehr zu

DGM: Mit Expertensystemen läßt sich ökonomischer beraten

22.02.1991

MÜNCHEN (bk) - Der Einsatz von Expertensystemen bei der Beratung von mittelländischen Kunden zahlt sich für die Deutsche Gesellschaft für Mittelstandsberatung mbH (DGM), München, zunehmend aus. Erstmalig seit ihrem dreijährigen Bestehen erzielte das Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Bank und Roland Berger & Partner 1990 ein positives operatives Ergebnis.

Mit einem neuen Konzept stieg die DGM Anfang 1988 in die Mittelstandsberatung ein. Ziel der Gemeinschaftsgründung der Deutschen Bank, die die Idee und das Geld stiftete und der Consultinggesellschaft Roland Berger & Partner, die das Beratungs-Know-how einbrachte, war es, mit Hilfe von Expertensystemen ökonomischer zu arbeiten und so die Beratungsleistungen auch für mittelständische Kunden erschwinglich zu machen. "Die finanzielle Akzeptanz der Mittelständler", erläutert DGM-Geschäftsführer Peter von Windau, "ist begrenzt, die Schmerzgrenze liegt bei 50 000 Mark." Diese Grenze unterbietet die DGM deutlich. Das durchschnittliche Beratungshonorar der Münchner beträgt an die 30 000 Mark bei einer üblichen Projektdauer von zwei bis drei Monaten. Daß man dennoch mittlerweile profitabel arbeite, so von Windau, sei auf den Einsatz von PCs, Softwarewerkzeugen und spezieller Netzwerk-Technologie zurückzuführen, die ein beträchtliches Rationalisierungspotential darstellten.

In ihren mittlerweile acht Niederlassungen hat die DGM zur Zeit rund 150 PCs installiert. Zum Einsatz kommen vorwiegend Compaq-Portables und -Tischgeräte der 386er Kategorie. Begründet von Windau: "Als wir 1986/87 mit der Entwicklung unserer Expertensysteme begonnen haben, zählte der Compaq-Rechner zu den wenigen PCs, die unseren Anforderungen hinsichtlich Rechenleistung, Geschwindigkeit und Portabilität genügten." In geringerer Stückzahl bedienen sich die Münchner unter anderem aber auch Apple-, IBM- und Toshiba-PCs. Laut von Windau zeichne sich dabei vor allem der Apple-Rechner durch seine schnellere und leichtere Handhabung aus. Ein Novell-Netzwerk verbindet die sechs West-Niederlassungen, die zwei Büros im Osten sind diesem Verbund nicht angeschlossen, da die Datex-P-Leitung noch fehlt.

18 Millionen Mark In Expertensysteme Investiert

Bislang hat die DGM fünf Expertensysteme entwickelt. In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Expertensystembetreiber und -entwickler KES, dem Softwarepartner der Roland Berger & Partner International Systems Consulting, wurde zunächst ein Umsatzsteigerungsprogramm (USP) und ein System für das strategische Kosten-Management (SKM) entwickelt. Zeitgleich erstellten die Münchner gemeinsam mit Roland Berger & Partner ein Expertensystem zur Informationsmanagementanalyse und zur Konzeptionierung von Informations-Management-Systemen. Danach folgte in Zusammenarbeit mit der TU Berlin "Casa" zur Strategieüberprüfung und -entwicklung, worauf schließlich das fünfte Expertensystem "Eurostrat" aufbaut, das mit Schützenhilfe der Berliner Unternehmensberatung Ubis entwickelt wurde. Dieses dient der Strategieoptimierung und zur Erschließung internationaler Märkte, vor allem des Europa-Marktes.

Die Expertensysteme sind als riesige Datenbanken zu verstehen, die logisch miteinander verknüpft sind. Allein "Casa" hat laut von Windau rund 800 Erfolgsfaktoren gespeichert, die sich in fast 20 Jahren Beratungstätigkeit von Roland Berger & Partner angesammelt haben. Um diese Datenbanken up to date zu halten, bedient sich die DGM unter anderem des Statistischen Bundesamtes und natürlich der Erfahrungen, die während der bisherigen Projektarbeit zusammengekommen ist. Von Windau: "Wir verfügen nicht nur über die aktuellsten Informationen über Märkte und über Wachstumstrends, sondern können zudem sehr schnell darauf zugreifen." Dabei solle der DGM-Berater allerdings nicht "elektrifiziert" werden. Gefragt sind nach wie vor Kreativität, Einfühlungsvermögen und Entscheidungsgeschick. "Die Routinearbeiten aber nehmen uns unsere Expertensysteme ab."

Rund 18 Millionen Mark haben die Münchner bislang in die Entwicklung der Expertensysteme investiert. Dafür sind sie mit ihrem Konzept noch immer allein auf weiter Flur. "Mir ist nicht bekannt, daß es weltweit noch einmal solch ein mächtiges kommerzielles Expertensystem wie das unsere gibt - und schon gar nicht für den Mittelstand", betont von Windau. Auch in naher Zukunft werde man wohl kaum vergleichbare Konkurrenz bekommen. "Viele Unternehmensberatungen scheuen sicherlich die hohen Investitionen . "

Daß die Münchner bereits im dritten Jahr ihres Bestehens ein positives operatives Ergebnis ausweisen können, der Umsatz von 9,4 auf 17,5 Millionen Mark kletterte und die Zahl der realisierten Projekte auf 566 (Vorjahr: 400) stieg, liegt jedoch nicht nur an den DV-Hilfsmitteln. "Wir haben auch Glück gehabt", gibt von Windau zu. "Durch die Liberalisierung des Europa-Marktes, vor allem aber durch die neuen Bundesländer ist der Beratungsbedarf beim Mittelstand enorm gestiegen." In der Ex-DDR, in der die DGM bereits mit zwei Büros in Dresden und Leipzig mit derzeit zwölf Mitarbeitern für das Ostgeschäft vertreten ist, fielen 1990 bereits 130 Projekte an obwohl dort ein Mittelstand laut Mit-Geschäftsführer Michael Schumacher bislang nur in Ansätzen sichtbar ist.

Wenig Zeit, um sich einzuarbeiten

Beratungsschwerpunkt war der Bereich Sanierung und Restrukturierungsberatung inklusive Neugründungen. Daneben gab es noch Projekte zur Entwicklung von Kooperations- und Marketing-Konzepten einschließlich Partnersuche.

In den alten Bundesländern sind die Münchner den mittelländischen Kunden vor allem bei der Verbesserung und Neugestaltung von Abläufen und Strukturen, einschließlich des Informations-Managements, der DV-Systeme und der Führungsorganisation behilflich. Gefragt ist aber auch Beratung für den Ausbau des Vertriebes und der Marketing-Konzeption, für stärkere und ökonomischere Ausschöpfung der Absatzmärkte sowie für die Erschließung der neuen Bundesländer, der europäischen Nachbarmärkte und einer weiteren Internationalisierung.

"Das größte Problem des hiesigen Mittelstands", so hat von Windau festgestellt, ist die mangelnde Zeit, sich konzeptionell in Fachthemen einzudenken und sie abzuarbeiten. Zudem ist der Mittelständler schlecht bedient mit DV, woraus sich für ihn ein gewisser Leidensdruck ergibt." Zukünftig werde man besonderns bei Beratungsprojekten gefordert, die den Mittelständlern helfen, die knappen Personalressourcen besser zu entwickeln und einzusetzen.

Für das laufende Geschäftsjahr haben die DGM-Chefs erneut ein zweistelliges Wachstum im Visier. Dies scheint allein schon deshalb realistisch, da sich rund 50 Prozent der Kunden auf Empfehlung der Deutschen Bank an die DGM wenden. Dennoch versteht sich die DGM als unabhängiges und eigenständiges Beratungsunternehmen.

Außerdem, so von Windau, profitiere auch das Kreditinstitut. "Wir machen die Kunden der Deutschen Bank tendenziell erfolgreicher und haben damit indirekt eine geschäftsfördernde Wirkung für die Bank.