Neue Medien wie Bildschirmtext und Teletex setzen Akzente für das Anforderungsprofil:

Dezentralisierung zwingt DV-Chef zum Umdenken

31.08.1984

MÜNCHEN (ru) - DV-Leiter sind heute mehr denn je gefordert: Gerade die fortschreitende Dezentralisierung der EDV in mittleren und großen Unternehmen verlangt einen Typus, der mit Fachkompetenz und Führungsqualitäten brilliert. Der Mikroboom in den Unternehmen bedarf einer ständigen Kommunikation mit den Fachabteilungen, die - oftmals losgelöst vom DV-Chef - eigene Wege bei der Beschaffung von Systemen gehen. Zudem aber setzen die neuen Medien wie Btx und Teletex Akzente für das Anforderungsprofil. Denn ihre richtig getimte und an den Erfordernissen der Firma ausgerichtete Implementierung erfordert kein Schmalspurdenken, sondern unternehmerisches Fingerspitzengefühl.

Der DV-Leiter, der einst um sein Gebiet einen Zaun zog und weitgehend abgeschirmt von der Geschäftsführung agierte, ist nicht mehr gefragt. Daß dieser Mann, oftmals in den Pionier-Jahren der EDV großgeworden, heute Anpassungsprobleme hat, zeigt der Stellenmarkt. Auf die Ausschreibung der Stelle eines DV-Chefs kommen bis zu 50 Bewerbungen, berichten Personalberater. Das Gros bilden, so die DV-Consulter, die "alten Hasen", die die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt haben. Primär in großen Betrieben setze man neuerdings auf den MIS (Management Information Systems)-Manager, einen Kandidaten mit organisatorischer und konzeptioneller Denke, der zum erweiterten Kreis der Geschäftsführung gehöre.

Wie wichtig es ist, einen DV-Manager mit betriebswirtschaftlichem Know-how zu haben, verdeutlichen die Fehlinvestitionen der Vergangenheit im DV-Bereich. Horrende Summen für Peripherie, aber auch für neue Rechner wurden oft zum Fenster hinausgeworfen, weiß ein Insider. Nicht selten waren es "herstellerabhängige" DV-Leiter, die, Wachs in den Händen der großen Anbieter, ihre auf diesem Gebiet nicht selten überforderten Vorstände zu Anschaffungen drängten. Mißtrauen des Top-Managements nach Fehlinvestitionen gegenüber dem eigenen DV-Leiter waren nicht selten die Folge.

Die Datenverarbeitung ist in vielen Unternehmen, so in der Dienstleistungsbranche heute der dickste Investitionsbrocken - schon aufgrund seiner Rationalisierungseffekte. Falsche Entscheidungen auf diesem Gebiet können die Existenz des Unternehmens gefährden. Zu den vornehmlichsten Aufgaben des DV-Managers neuer Art gehört deshalb die konsequente Beobachtung des Marktes und seiner Innovationen. Er muß im richtigen Moment die richtige Maschine kaufen, zuvor aber seinen Finanzvorstand davon überzeugen, warum und wofür er die Anlage benötigt. Entscheidungsträger ist allein die Geschäftsführung, der DV-Manager trifft lediglich die Auswahl.

"Der DV-Leiter", konstatiert Norbert Ruppenthal, Chef der Datenverarbeitung bei Rodenstock, "ist immer im Spannungsfeld zwischen seinen Ideen, die er oft nicht verkaufen kann, dem Hersteller, der ihn zu neuen Produkten drängt und den Vorgaben der Kapitalseite." Heute gebe aber die Geschäftsleitung nicht immer dem Drängen nach EDV-Neuerungen nach, weiß Ruppenthal aus Erfahrung. Sind keine Einsparungen bei den Lohn- und Gemeinkosten drin, dann machen wir auch mal nichts und sagen, macht es doch manuell weiter."

Daß gerade die neuen Medien, die langsam den Unternehmensalltag erobern, den DV-Manager fordern gibt die Hamburger Personalberatung SCS zu bedenken. Ihr Mitarbeiter Heinz Tannert kommt zu dem Schluß, ein DV-Verantwortlicher müsse seine Entscheidungen auf die kommenden vier bis fünf Jahre abstellen. Tannert: "Die neuen Technologien, die auf uns zukommen, müssen mit berücksichtigt werden." Hier gilt es zum einen den Anschluß nicht zu verpassen, zum anderen aber auch nur die Investitionen durchzuführen, die sinnvoll für das Unternehmen sind. Ihre Implementierung zum richtigen Zeitpunkt ist nicht selten über Zukunft des Unternehmens mitentscheidend.

Der Horizont des DV-Managers dürfe sich aber nicht nur auf die kommenden Angebote der Post ausdehnen, sondern müsse so breit sein, daß der DV-Mann in allen Fachabteilungen zurechtkommt, erklärt Jochen Kienbaum von der Kienbaum Personalberatung. Er habe sich in allen fachspezifischen Fragestellungen zurechtzufinden, egal, ob im Vertrieb oder im CAD/CAM-Bereich.

Fachabteilungen treffen die Kaufentscheidungen für ihre Mikros nicht selten losgelöst vom DV-Chef. Dazu Jochen Wegener, geschäftsführender Gesellschafter der Beraterfirma Wegener & Partner: "Die Fachabteilungsleiter haben eine große Macht in den Unternehmen. Die sagen einfach, ich habe ein Budget und kaufe mir einen Mikro - was das für einer ist, hat den DV-Leiter nicht zu interessieren, da man nicht im Dialog mit ihm arbeiten will. "Diese Systeme werden für Extra-Auswertungen herangezogen, die auf die Spezifika der Abteilung abgestellt sind.

Freigesetzte DV-Leiter, die sich nicht rechtzeitig mit den neuen Anforderungen vertraut gemacht haben, sind oft schwer wieder in ihrer alte Position zu vermitteln, berichten Personalberater übereinstimmend. Vielfach müssen sie einen Abstieg in Kauf nehmen, etwa zum Leiter der Systemprogrammierung. Dies setze jedoch voraus, so Wegener, daß sie mit den zukunftsträchtigen Betriebssystemen, sprich nicht mehr 130S, sondern VM, MVS und XA schon mal gearbeitet haben. Wie die Praxis aussieht, kennzeichnet ein Consulter: "Wenn die "Alten" die großen Betriebssysteme nicht beherrschen würgen wir sie beim Gespräch gleich ab."