Ohne Netz geht bei Zulieferern der Autobranche nichts mehr

Devalit löst Logistikprobleme durch die Vernetzung mit Scanet

02.10.1992

Wo ein Markt ist, ist auch harter Wettbewerb: Diese Feststellung gilt insbesondere für die Automobilbranche, wo der Preiskrieg auf den Schultern der Zulieferer dieser Branche ausgetragen wird. Wer als Lieferant für die Automobilbranche bestehen will, muß sowohl intern als auch bei der Kommunikation mit dem Hersteller auf einen reibungslosen Informationsfluß bauen, will er nicht ins Abseits geraten. Ohne Netzwerke geht in dieser Situation nichts mehr. Hans Dieter Stiel* schildert diese Situation am Beispiel des Unternehmens Devalit.

Die Devalit GmbH & Co. KG mit Stammsitz in Wuppertal ist ein Zulieferer von Kunststoff-Spritzteilen für die Automobilindustrie. Vor zwei Jahren galt es, eine moderne DV-Infrastruktur zu schaffen. Die Verantwortlichen waren 1990 zu dem Ergebnis gekommen, daß die Anfang der 80er Jahre installierte und permanent aufgerüstete Host-Terminal-Infrastruktur den Anforderungen nicht mehr gerecht wurde, zumal die Automobilhersteller ihren Stand der Informationstechnik auch von ihren Zulieferern fordern. Immerhin zählen nahezu alle namhaften Automobilhersteller wie VW und Audi, Mercedes, Opel BMW, Porsche, Toyota und Seat zu den Kunden der Devalit.

Automatisierung des Informationsablaufs

Rund 2000 Mitarbeiter, verteilt auf drei Produktionsstandorte, zwei in Wuppertal und einer in Ellerau bei Hamburg sollten vom schnellen Informationsfluß profitieren. Daneben sollte das Außenbüro in Rüsselsheim in den Kommunikationsprozeß integriert werden. Die Verbindung mit den beiden ausIändischen Tochtergesellschaften in der Nähe von Leeds (England) sowie in Saragosa (Spanien) war für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen.

Hohe Produktionsraten, kurze Lieferzeiten und individuelle Ausstattung sind die wesentlichen Merkmale, die die Arbeitsweise der Automobilindustrie heute prägen. Minimale Zulieferzeiten, schnelle Designänderungen und kürzere Zeitzyklen bei den Kunststoffgießteilen heißen infolgedessen die Anforderungen, mit denen die Großen der Automobilindustrie ihre Zulieferer heute in die Pflicht nehmen. Genügte noch vor wenigen Jahren ein DV System, das in der Lage war, die Lieferabrufdaten der Hersteller zu empfangen, in die entsprechende Stückliste aufzuschlüsseln und als Informationen an die Fertigungssteuerung weiterzuleiten, so rücken heute Planung, Fertigung und Auslieferung immer näher zusammen und zwingen zu einer Automatisierung des Informationsablaufs.

"Einerseits wollten wir die Los- und Produktionsgrößen so gering wie möglich halten, andererseits mußte die Lagerbevorratung und die Produktion in kürzester Zeit so nah wie möglich am Bedarf des Automobilherstellers orientiert werden um schnellstmöglich liefern zu können, schildert Clemens Rott, Leiter Organisation und Datenverarbeitung, die schwierige Ausgangssituation. Parallel dazu, so Rott, werden die Zulieferer auch noch immer mehr in die Entwicklung der einzelnen Fahrzeugtypen einbezogen. Schnell zu reagieren ist in einer Branche, in der just in time nicht nur als Schlagwort dient, laut Rott ein Gebot der Stunde und eine Herausforderung an das Kommunikationssystem.

In dieser Situation mußte ein Informationssystem geschaffen werden, das einen schnellen unternehmensweiten Datenaustausch ermöglicht und jederzeit ohne Zeitverlust die Kommunikation zwischen Hersteller und Zulieferer per DFÜ erlaubt. Der Grund: Die Automobilhersteller, so Eduard Otto, Netzwerkkoordinator bei Devalit, wollen pausenlos auf dem aktuellen Fertigungsstand der Zulieferer sein. Intern mußten also die einzelnen Arbeitsprozesse, Lagerbestände und Serviceleistungen wie Transportdienste ständig abgeglichen werden.

Für die beiden DV-Spezialisten stand damals fest: Es sollte sowenig wie möglich selbst entwickelt werden. Statt dessen wollten sie ein standardorientiertes Netzwerk, das auf Ethernet basiert. Bedingung: Alle Stationen, egal, an welchem Standort und welches Netzwerkprotokoll dort vorherrscht, mußten integrierbar sein und untereinander kommunizieren können. Die nötige Rückendeckung, sich von bestehenden Installationen zu trennen und eine völlig neue Infrastruktur zu schaffen, hatten Rott und Otto bereits durch die Geschäftsführung erhalten.

"Kein leichtes Unterfangen", resümiert Rott seine damaligen Erfahrungen mit dem Management, "denn anders als bei anwendungsorientierten Installationen wie Terminal-Systemen bleiben die Vorzüge des Netzwerkes meist im dunkeln." Lediglich das CAD-CAM-Umfeld in der Entwicklung sollte erhalten bleiben. Der Anspruch war auf jeden Fall hoch: Innerhalb von wenigen Monaten waren eine völlig neue DV- Infrastruktur zu schaffen und das Netzwerk zu installieren. In einem weiteren Schritt sollte dann die interne Organisation an die neuen Strukturen angepaßt werden.

Ein Mix aus fünf Betriebssystemen

Im Sommer 1991 begann die Telemation GmbH, Kronberg, mit der Verkabelung des Netzwerkes. Das besondere Augenmerk galt dabei der Flexibilität der Infrastruktur. Die Entscheidung fiel auf Multinet- Sternkoppler von Lannet Data Communications und 10Base-T-Kabel. Für die Sternkoppler entschied man sich, weil sie eine redundante Leitung bedienen können. Fällt der Sternkoppler einer Abteilung aus, wird dieses Segment überbrückt und alle anderen Netzwerkbereiche bleiben unbehelligt.

Die Kabelstruktur wurde abteilungsorientiert aufgebaut, so daß später jeder Bereich in eigener Verantwortung sein Systemumfeld bedienten und verwalten konnte. Zudem legten die Planer die Verbindungen in den einzelnen Abteilungen so, daß Stationen innerhalb der Abteilung jederzeit ihren Standort wechseln konnten, ohne daß der Netzbetrieb beeinträchtigt wird. Die Verbindungen zwischen den Abteilungen wurde über Glasfaser mit zusätzlicher paralleler LWL-Leitung realisiert, um für mehr Sicherheit im Netz zu sorgen.

Aufgrund der äußerst heterogenen Rechnerwelt hatten sich Rott und Otto für Scanet von Dowty Network Systems entschieden. Bei Devalit werden fünf unterschiedliche Betriebssysteme gemischt betrieben: Es existiert die AS/400-Welt mit den kommerziellen Anwendungen, dem Rechnungswesen und dem Produktionssteuerungs- System sowie die DEC/VMS- Umgebung mit der Betriebsdatenerfassung. Im CAD/CAM- Bereich mit Konstruktion und Formenbau kommen DEC/VMS Unix sowie IBM-RS/6000 zum Einsatz. Der Bull- Rechner mit dem Betriebssystem GCOS wurde ebenfalls im Scanet integriert.

ISO- Backbone ist des zentrale Rückgrat

Wie realisiert Scanet die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Systemwelten? Das ISO- Backbone bildet das zentrale Rückgrat im Scanet Verbund. Statt des ISO- Protokolls kann aber auch wie bei Devalit TCP/IP auf dem Backbone zum Einsatz kommen. Hauptbausteine im Scanet sind die Terminalserver und Gateways. Der Scanet-Terminalserver übernimmt die Umsetzung des Protokolls des Quellsystems nach ISO. Das Scanet-Gateway sorgt für die Umsetzung des Backbone-Protokolls in das proprietäre Protokoll des Zielsystems.

Zusätzliche Migrationspfade im Scanet eröffnen Multiprotokoll-Terminalserver, die den Betrieb des Netzwerkes über standardisierte Protokolle wie TCP/ IP und LAT ermöglichen. Alle für die Netzwerkverarbeitung wesentlichen Topologien Ethernet-FDDI- und Token Ring Anschlüsse werden unterstützt. Ebenso sind Novell und Banyan- Netze in den Netzwerkverbund integriert. Da Scanet zudem eine Vielzahl an hersteller-spezifischen Geräteemulationen beherrscht - unter anderem IBM 3270, IBM 5250, VT220, VT340, ist die Funktionalität von TBM-Hosts, zentralen DEC-, Unix- und Siemens- Rechnern von jedem PC im Scanet nutzbar. Für die intelligente Verbindung sorgen Scanet-PCKarten, die die Emulation des jeweiligen Host-Systems für den PC verständlich machen.

Alle Produktionsstandorte wurden per Standleitung miteinander verbunden, parallel dazu jeweils eine X.25- Verbindung angemietet, über die bei Ausfall der Hauptstrecke der Datenverkehr geführt wird. Die Informationsumlenkung übernehmen in diesem Fall RND- Brücken. Lediglich das Außenbüro in Rüsselsheim wurde via X.25 mit den Produktionsstandorten verbunden, da sich das Datenaufkommen von und nach Rüsselsheim in Grenzen hält. So konnte man mit einer Bridge auch die entfernten Stationen in den Scanet- Verbund integrieren. So ließ sich ab sofort beispielsweise im Wuppertaler Stammhaus der Druck von Lieferscheinen in den Niederlassungen auslösen. Damit war die Voraussetzung geschaffen worden, um regional schnellstmöglich die Kunststoffteile zu den Automobilherstellern zu transportieren. Mit Scanet ließen sich die Lagerbestandsgrößen und Lagerbewegungen unternehmensweit über alle Niederlassungen abgleichen.

300 Bildschirme und 60 Drucker im Netz

Reibungslos ist auch der Kommunikationsablauf mit den Herstellern. Datex-L- und zunehmend Datex-P- Leitungsanschlüsse sorgen dafür, daß Lieferabrufe, Feinabrufe sowie die Fakturierung und Lieferscheinerstellung auf schnellem, Wege per Datenfernübertragung abgewickelt werden können. Künftig soll zudem die Frachtbrieferstellung auf gleichem Wege abgewickelt werden.

Ferner gab man die strikte Trennung des kommerziellen Bereiches und Produktionsbereiches auf. Das neue Netzwerk macht es möglich, daß dort, wo ein schneller Informationsaustausch zwischen beiden Unternehmensgruppen gefordert ist, um produktionsorientierter zu arbeiten, die Mitarbeiter näher zusammenrücken können, ohne in einer Abteilung tätig sein zu müssen. Außerdem ist durch die Vernetzung die Auftragsabwicklung enger an die Fertigungsplanung und -steuerung herangeführt worden.

Keine der Terminalstationen hängt heute noch direkt am Rechner, sondern wird statt dessen über das lokale Netz bedient. Rund 300 Bildschirme und 60 Drucker sind gegenwärtig im Devalit Netzwerk installiert. Damit hat das Netzwerk mittlerweile eine Größenordnung erreicht, bei der sich Rott und Otto intensiv Gedanken über das Netzwerk Management machen müssen.

*Hans Dieter Stiel ist Mitarbeiter der Telemation Gesellschaft für Datenübertragung mbH, Kronberg.