Rekordverdächtig

Deutschlands größter Mobilfunk-Hotspot – das Oktoberfest

20.09.2013
Von 
Dr. Harald Karcher ist freier Autor in München. Er testet mobile Geräte vom Handy bis zum Laptop und mobile Netze von WLAN bis zu LTE.

Backhaul via Glasfaser und Richtfunk

Damit die Oktoberfest-Besucher mit ihren Handys und Smartphones auch wirklich in das weltweite Internet, in das Telefon-Festnetz sowie in andere Mobilfunknetze kommen, müssen die Masten mit dem Rest der Welt verbunden werden. Zu diesem Zweck sind schon seit Jahren alle Funkmasten per Glasfaser angebunden. Und das geht so:

Anfang September kommen die Service-Techniker und spielen die aktuelle Software in die Schaltschränke ein. Hier ein Techniker vom o2-Dienstleister Huawei.
Anfang September kommen die Service-Techniker und spielen die aktuelle Software in die Schaltschränke ein. Hier ein Techniker vom o2-Dienstleister Huawei.
Foto: Harald Karcher

Am Fuße des Antennenmastes steht ein klimatisierter Metallcontainer mit einem Technikschrank. Hier enden die dicken, schwarzen Antennen-Kabel, die von den Mobilfunkantennen herunter kommen. Je länger das Kabel zwischen Schrank und Antenne ist, desto dicker muss es sein, sagt der Montageleiter, damit im Kabel möglichst wenig Dämpfungs-Verlust entsteht.

Etwa zweieinhalb Wochen arbeiten die Antennenbauer auf der Wiesn, bis alle Standorte fertig sind. Danach kommt die Telekom und schließt die Mobilfunkmasten über den Schaltschrank an ihr Glasfasernetz unter der Theresienwiese an. Die Telekom bindet ihre Mobilfunkantennen auf der Wiesn ausschließlich per Glasfaser an. Die anderen Betreiber ergänzen die Glasfaserstrecken zum Teil durch Richtfunkantennen. Vodafone nutzt zusätzlich auch Gigabit-Ethernet.

Software einspielen, Hotspot einschalten

Alle vier Netzbetreiber binden ihre Mobilfunk-Standorte auf dem Oktoberfest 2013 per Glasfaser an die Weitverkehrsnetze an.
Alle vier Netzbetreiber binden ihre Mobilfunk-Standorte auf dem Oktoberfest 2013 per Glasfaser an die Weitverkehrsnetze an.
Foto: Harald Karcher

Sobald die ganze Hardware wie etwa Antennen, Basisstationen, Stromversorgung und Klimaanlagen fertig montiert ist, kommen knapp zwei Wochen vor dem Wiesn-Start die Service-Techniker der Netzbetreiber, um aktuellste Software und Netzwerk-Konfigurations-Daten in die Anlagen einzuspielen.

Nach dieser Konfigurations-Einspielung sind die Hotspot-Anlagen im Prinzip fertig und können "auf Sendung" gehen. Dann haben die Netzwerk-Experten der Betreiber noch ein, zwei Wochen Zeit, um Qualitäts-Tests oder Optimierungen vor dem Festbeginn durchzuführen.

Kapazitäts-Planung und Qualitäts-Kontrolle

Der größte Mobilfunk-Hotspot der Nation muss jedes Jahr neu geplant und neu aufgebaut werden. In der Regel muss die Kapazität jedes Jahr vergrößert werden, weil immer mehr Menschen immer mehr Fotos und Videos direkt aus dem Oktoberfest per Mobilfunk aus ihren Smartphones in das Internet hochladen. Im März fangen die Netzplaner bei der Telekom und den anderen Mobilfunk-Providern immer schon mit den Berechnungen an und überlegen sich: Wie können wir den immensen Besucherandrang und die immensen Anfragen an die Mobilfunkdienste zur Wiesn überhaupt befriedigen? Das wäre mit den normalen Mobilfunkmasten auf den Dächern rings um das Oktoberfest niemals zu bewältigen.

In der Regel teilen sich jeweils drei Netzbetreiber einen Funkmast. An dessen Fußende hat dann jeder einen eigenen Stahlschrank stehen, oder ein eigenes Stahlhäuschen mit außenliegender Klimaanlage
In der Regel teilen sich jeweils drei Netzbetreiber einen Funkmast. An dessen Fußende hat dann jeder einen eigenen Stahlschrank stehen, oder ein eigenes Stahlhäuschen mit außenliegender Klimaanlage
Foto: Harald Karcher

Im Juni kommen die Bauleiter der Telekom. Sie beauftragen Partnerfirmen, die etwa Masten, Antennen und Schaltschränke aufbauen. Im August kommen die Monteure, die dann tatsächlich vor Ort aufbauen. Gleichzeitig überwachen die Servicetechniker der Telekom den Aufbau. Die überwachen die Funkanlagen auch noch während des Oktoberfestes: Verläuft der Mobilfunkverkehr auch wirklich reibungslos? Reichen die Kapazitäten aus? Sind die Antennen richtig eingestellt und richtig gedreht? Die Servicetechniker der Telekom ändern das im Zweifelsfalle auch noch während des laufenden Oktoberfestes.

Funkloch durch Absenkung der Nachbar-Antennen

Die Telekom-Antennen auf den Dächern rings um das Oktoberfest werden während des Volksfestes in ihrer Strahlungs-Reichweite abgesenkt, damit sie nicht in das temporäre Mobilfunknetz des Oktoberfestes hinein funken. Die Experten nennen das Vermeidung von Interferenzen. Dazu müssen aber schon seit einigen Jahren keine Monteure mehr auf die Dächer steigen. Die Antennen werden vielmehr elektronisch abgesenkt, aus dem entfernten Rechenzentrum der Telekom heraus. Genauer gesagt: Die UMTS-Antennen sind ferngesteuert elektronisch absenkbar, die GSM-Antennen dagegen nicht. Die GSM-Antennen sind viel unempfindlicher als die UMTS-Antennen, die kann man stehen lassen wie sie sind.

Zur Wiesn 2013 hängen diese beiden Richtfunkantennen OptiX RTN 600 38G-HP von Huawei für 37 bis 38 GHz unten am Nord-Mast, rechts neben dem Hippodrom-Festzelt. Sie kommunizieren mit nachgelagerten Netzabschnitten von O2.
Zur Wiesn 2013 hängen diese beiden Richtfunkantennen OptiX RTN 600 38G-HP von Huawei für 37 bis 38 GHz unten am Nord-Mast, rechts neben dem Hippodrom-Festzelt. Sie kommunizieren mit nachgelagerten Netzabschnitten von O2.
Foto: Harald Karcher

Durch die elektronische Absenkung entsteht ein UMTS-Funkloch auf der Theresienwiese. Hier werden für die Zeit des Oktoberfestes neue Funkmasten aufgestellt, die mit wesentlich kleineren Zellen weitaus mehr Mobilfunkkapazität pro Quadratmeter zur Verfügung stellen, will sagen: viel mehr Menschen mit Telefonie, SMS und mobilem Internet versorgen können. So kann man ganz gezielt spezielle Bereiche innerhalb des Oktoberfestes, von denen man weiß, dass dort sehr viele Menschen sehr viel Mobilfunk benötigen, ganz besonders stark versorgen.

Beispielsweise versorgt eine Mobilfunkantenne am nördlichen Eingang des Oktoberfestes ganz gezielt den nördlichen Zugangsweg, auf dem erfahrungsgemäß extrem viel telefoniert wird. Weil die Leute, wenn sie gehen und wenn sie kommen, einen besonders hohen Mobilfunkbedarf haben, beispielsweise um sich zu verabreden.

Südwestlicher Hotspot-Ausschnitt: Der Funkmast Wiesn-Süd strahlt rundherum in alle Richtungen. Der Funkmast westlich vom Schottenhamel dagegen funkt vorzugsweise nach Osten in das Gelände hinein. Unten mittig schließt ein Techniker die dicken Kabel von den Antennen kommend an einen Ericsson-Schrank an. Links unten spielt ein Techniker von Huawei die Software in einen O2-Huawei-Schrank ein. (Karte: Wirtschaftsreferat München)
Südwestlicher Hotspot-Ausschnitt: Der Funkmast Wiesn-Süd strahlt rundherum in alle Richtungen. Der Funkmast westlich vom Schottenhamel dagegen funkt vorzugsweise nach Osten in das Gelände hinein. Unten mittig schließt ein Techniker die dicken Kabel von den Antennen kommend an einen Ericsson-Schrank an. Links unten spielt ein Techniker von Huawei die Software in einen O2-Huawei-Schrank ein. (Karte: Wirtschaftsreferat München)
Foto: Harald Karcher

Die normalen UMTS-Funkzellen haben unterm Jahr in der Regel einen Durchmesser von 600 Metern, sagt Netzexperte Frank-Peter Käßler von der "Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH" in München. Während des Oktoberfestes sind die Zellen auf der Theresienwiese sehr viel kleiner, haben aber sehr viel Leistung, sehr viel Kapazität. So können wir die vielen Menschen mit dem Mobilfunk versorgen. Das könnten wir mit den größeren Zellen niemals machen. Die großen Zellen werden während des Oktoberfestes allerdings nicht ausgeschaltet und auch nicht abgebaut, sagt ein Telekom-Sprecher: Wir ersetzen die großformatige Zellstruktur, die wir normalerweise auf der Oktoberwiese haben, durch eine sehr kleinformatige Zellstruktur. Die normalen Masten auf den Dächern versorgen aber nach wie vor das gesamte umliegende Stadtgebiet rund um die Theresienwiese. Nur die Wiesn selber wird in ein Funkloch verwandelt und mit einer sehr kleinformatigen Zellstruktur zusätzlich ausgestattet.

Trotz des enormen Datenwachstums musste die Telekom nicht jedes Jahr mehr Masten aufstellen. Es seien in den letzten Jahren aber immer mehr Antennen auf die Masten drauf gekommen und auch innerhalb der Antennen-Gehäuse gab es Kapazitäts-Reserven, die man durch intelligentes Technik-Management immer besser ausnutzen kann.

Das Wachstum lag in den letzten Jahren weniger bei GSM als bei UMTS. Der Grund: Es gibt mehr UMTS-Geräte bei den Kunden der Provider. Diese Geräte wählen sich per UMTS ein, obwohl sie eigentlich auch noch GSM könnten. Außerdem hat sich das Verhalten der Kunden geändert, sagt ein Telekomsprecher: Inzwischen ist es gang und gäbe, dass man ein Foto macht, und es in das Internet hoch lädt, und das ist Datenverkehr, dafür braucht man UMTS oder LTE.