BITKOM-Präsident

Deutschland braucht mehr Unternehmergeist

23.02.2011

Was sind für Sie die großen Themen der CeBIT?

Scheer: Das herausragende Thema ist Cloud Computing. Das ist ein bedeutender Trend, weil er die Branche grundsätzlich verändert. Als ich vor 40 Jahren programmieren lernte, waren die Großrechner in Teak-Schränke eingebaute teure Geräte. Sie waren voll ausgelastet, aber der Nutzer musste schlangestehen, um sie nutzen zu dürfen. Dann haben wir jedem einen leistungsstarken Rechner auf den Tisch gestellt, der nur zu fünf bis zehn Prozent ausgelastet ist. Und jetzt sehen wir mit dem Cloud Computing eine Bewegung zu mehr Effizienz. Ansonsten haben wir als Themen auch E-Health, Breitband oder die neuesten Tablet-PCs, Smartphones und Apps auf der Messe.

Die CeBIT war schon immer auch ein Aushängeschild für den IT-Standort Deutschland. Wie schätzen sie dessen aktuellen Zustand ein?

Scheer: Wir haben Fachkräftemangel, das bremst die IT-Industrie. Die Auftragsbücher sind voll, die Informationswirtschaft wächst in diesem Jahr um mehr als vier Prozent. Hardware boomt wie verrückt mit teils zweistelligen Zuwachsraten, Software kommt gleich danach. Es gilt aber auch: Wir sind das viertgrößte Land, was den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik angeht, sind aber nicht so stark, was deren Produktion betrifft. Wir brauchen mehr international erfolgreiche Unternehmen.

Wie ändert man das?

Scheer: "Wir müssen mehr Unternehmergeist in unser Land bekommen. Denn das ist ja das Spannende an unserer Industrie, dass sie von Gründern lebt. Man sieht es daran, wie groß das Interesse an der Gesundheit von Apple-Chef Steve Jobs ist, oder dass einer der Google-Gründer wieder das Steuer übernimmt. Die zweite zentrale Frage ist: Wie bringen wir unsere guten Ideen aus der Forschung - wir haben allein im ITK-Sektor 18 Fraunhofer-Institute - in die Produktion?"

Gerade bei deutschen Firmengründern hört man oft einen gewissen Neid auf ihre US-Kollegen heraus, weil es in Amerika Investoren gibt, die risikofreudiger sind. Bremst ihr Fehlen hier den Unternehmergeist?

Scheer: Das ist nur ein Aspekt. Den Erfolg des Silicon Valley macht nicht nur das Risikokapital aus, sondern auch die Nähe zu Elite-Universitäten. Aus Stanford sind drei Weltunternehmen hervorgegangen: Google, Cisco, Sun. Es gibt Menschen, die nicht nur reich geworden sind, sondern auch die Welt verändert haben. Und junge Leute haben dort nicht nur Vorbilder, sondern auch Partner, die ihnen helfen können. Das haben wir in Deutschland nicht. Unsere Gründerzentren sind zersplittert. Jeder Landrat ist glücklich, dass er ein kleines Technologiezentrum hat - wo aber selten etwas daraus wird. Und die Risikokapitalgeber bekommen in Deutschland weniger Rendite, also ziehen sie sich zurück. Deswegen müssen wir mehr bündeln, dann kann auch ein Magnet für Geldgeber entstehen. Ich denke, das hat die Politik allmählich auch verstanden.