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Deutschland braucht mehr qualifizierte Zuwanderung

31.07.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Um auch in Zukunft international konkurrenzfähig zu bleiben, muss Deutschland nach Ansicht des Bevölkerungsexperten Rainer Münz beim Werben um qualifizierte Facharbeiter aus dem Ausland seine Einwanderungsstrategie von Grund auf überdenken. Münz, der Mitglied der neu eingesetzten Zuwanderungskommission der Bundesregierung ist, plädiert im Gespäch mit der "Financial Times Deutschland" auf eine klare Einbürgerungsperspektive: "Wir dürfen nicht nach Gastarbeitern, sondern müssen nach Neubürgern suchen."

Spätestens in zehn Jahren würden die europäischen Industriestaaten, aber auch Japan, die USA sowie Australien und Neuseeland schwerwiegende Probleme auf dem Arbeitsmarkt und bei der Finanzierung der Sozialsysteme bekommen. Da in all diesen Ländern die Menschen älter werden und gleichzeitig zu wenig Kinder geboren werden, wird die Entwicklung einer Einwanderungsstrategie für Deutschland zu einer Überlebensfrage. "Wir müssen uns beeilen, weil wir mit den anderen Ländern um die besten Köpfe konkurrieren werden", so Münz. Seiner Meinung nach handelt es sich bei der Green-Card-Initiative der Bundesregierung, die ab diesem Montag in Kraft tritt, bestenfalls um einen ersten Schritt. Bisher ist bei der Vergabe der Arbeitserlaubnis für bis zu fünf Jahre die Einbürgerung nicht vorgesehen.

Erprobte Einwanderungsstrategien sieht Münz in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien, deren Konzepte sich allerdings auch aus der Kolonialvergangenheit der jeweiligen Landes ergeben. Deutschland hingegen habe mit der Parole "Wir sind kein Einwanderungsland" mehrere Jahre an notwendiger Diskussion verpasst, die nun von der Gesellschaft und der politischen Elite aufgeholt werden müssen. Zugleich betont der Bevölkerungswissenschaftler aber, dass die Zuwanderung sich nicht vorrangig an der Alterung der Bevölkerung orientieren sollte, sondern vor allem ökonomisch gesteuert werden müsse. Entscheidend sei daher die berufliche Qualifikation der Migranten sowie gute Sprachkenntnisse und kein zu hohes Alter, um die Integration zu erleichtern. Weitere Möglichkeiten für ein behutsames Abfedern der Alterung der Gesellschaft bestehen für Münz in der Verlängerung der Lebensarbeitszeit und indem mehr Frauen erwerbstätig werden als bisher.