Deutsche Töchter: Unternehmenskultur in US-Firmen

04.09.2002
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Allerdings schütteln einige Europäer ganz irritiert die Köpfe, wenn sie beispielsweise die US-amerikanischen Vorstellungen bei den Themen „Political Correctness“ und „Sexual Harassment“ hören. Für ein südbayrisches Tochterunternehmen endete die Toleranz an der Kantinentür. In Nordamerika ist es nämlich undenkbar, den Mitarbeitern Alkohol zu verkaufen und der nordamerikanische Mutterkonzern wollte den Bierausschank im bayerischen Firmencasino verbieten. Das Ansinnen löste eine mittelschwere Firmenkrise aus. Nach zähen Verhandlungen konnten die Bayern für sich eine Ausnahmenregelung aushandeln. Manche Unternehmen verteilen an ihre Mitarbeiter ein Handbuch mit einem Verhaltenskodex, um Fehltritte seitens der Mitarbeiter und der Führungskräfte möglichst zu vermeiden.

Aber selbst bei kleineren Unstimmigkeiten kann der transatlantische Haussegen schnell in eine kritische Schieflage geraden. Zu den besonders kniffligen Aufgaben gehörte es für den ehemaligen Microsoft-Geschäftsführer Gallist, dem Mutterunternehmen in Redmond Entwicklungen in der Landesgesellschaft zu vermitteln, die dem US-Trend entgegen liefen. „Durch die Wiedervereinigung hatten wir in Deutschland beispielsweise eine Art Sonderkonjunktur. Als das Geschäft in den USA nicht so gut lief und dort Mitarbeiter entlassen werden sollten, während wir hier unsere Leute halten und kein Personal abbauen wollten, war dieser Trend nicht so einfach vermittelbar“, berichtet Gallist rückblickend.

Allerdings stehen längst nicht alle US-amerikanischen Unternehmen hierzulande den Gewerkschaften und dem eigenen Betriebsrat grundsätzlich kritisch gegenüber. „Es hängt sehr stark vom jeweiligen Manager ab“, erzählt Michael Leppek von der IG Metall in München. „Manche wie Daimler-Chrysler sind sogar stolz auf ein gutes Verhältnis und betonen auch die Vorteile einer verständnisvollen Zusammenarbeit.“ Allerdings irritieren das deutsche Arbeitsrecht und seine Schutzfunktionen für die Angestellten viele US-Amerikaner, die eine Hire-und-Fire-Politik gewohnt sind.

„Das Berufsleben dort ist viel schnelllebiger“, beobachtete der Diplommathematiker Exner. „Die US-Kollegen bekommen große Augen, wenn sie hören, dass wir 25 bis 30 Urlaubstage pro Jahre haben, während sie sich mit acht bis zehn zufrieden geben müssen.“