Deutsche Software-Industrie will am SAP-Boom teilhaben Quantum erliegt den Verlockungen von R/3

27.10.1995

MUENCHEN (ua) - Die Quantum GmbH gehoert jetzt zum Kreis der SAP- Systemhaeuser. Als Mittelstandspartner der Walldorfer Softwarefabrik werden die Dortmunder kuenftig R/3 verkaufen. Zwar soll die hauseigene "Mega"-Produktlinie weiterentwickelt werden, aber langfristig erwartet die Quantum-Kunden wohl der Wechsel ins SAP-Lager.

"Da haetten wir uns ja gleich fuer R/3 entscheiden koennen", ereifert sich Johannes Borgmann, Mega-Anwender und Bereichsleiter Organisation und Informatik bei der Adco & Dixi Umweltdienste GmbH & Co. KG. "Wir haben die Entscheidung nicht begruesst und nicht beklatscht, denn die bestehende Kundschaft wird darunter leiden, dass Quantum in zwei Standardprodukt-Linien investieren muss."

Dabei hatte sich Quantum mit der Standardsoftware Mega bis vor kurzem zum direkten Konkurrenten des international erfolgreichen Softwarekonzerns stilisiert. Anwender haben die vollmundigen Ankuendigungen des Geschaeftsfuehrers Helmut Ludwigs noch im Ohr. Ulla Niebauer, Leiterin DV und Organisation bei den Carl Duisberg Centren, Koeln, kann sich gut an das Aufbegehren des Davids Quantum gegen den Goliath SAP erinnern. Immer sei betont worden, R/3 eigne sich nicht fuer den Mittelstand, sei zu gross, zu teuer, zu unhandlich. Die Carl Duisberg Centren, die Stipendiaten aus Entwicklungslaendern ausbilden, haben Quantum-Software im Wert von zirka 250000 Mark eingekauft und befuerchten nun, eine Fehlinvestition getaetigt zu haben. Ein Wechsel zu R/3 komme nicht in Frage, da die SAP-Software ueberdimensioniert sei.

Dagegen sieht Michael Lahmer, DV-Leiter bei der Eurowings Luftverkehrs AG, in der R/3-Vermarktung und -Betreuung durch Quantum "eine schoene Option". Bei einem zu erwartenden Umsatz von 395 Millionen Mark in diesem Jahr habe die Gesellschaft eine Groesse erreicht, bei der die SAP-Software "interessant" werde. Lahmer erhofft sich einen "sanften" Umstieg, wenn der Wechsel akut wird. Ganz aehnlich bewertet Heinrich Lay, Leiter der Finanzbuchhaltung bei der Dresdner Bauspar AG, die Neuausrichtung bei Quantum. Er sieht darin eine "Erweiterung des Kerngeschaefts", da die Dortmunder die Weiterentwicklung der Standardmodule zugesagt haben.

"Die Entwicklungs-Pipeline von Mega ist bereits fuer die naechsten drei Jahre voll", versichert Quantums Geschaeftsfuehrer Ludwigs. Darueber hinaus sagt er funktionale Erweiterungen fuer die kommenden fuenf und Softwarepflege fuer die naechsten zehn Jahre zu. Die Integration der beiden Produktlinien sei dagegen nicht geplant, allerdings soll es moeglich sein, "relevante" Daten auszutauschen.

Trotz des engen Korsetts, das die SAP fuer ihre Systemhaeuser schnuert, sieht Ludwigs keine Schwierigkeiten bei der Betreuung und Kundenakquisition auf sich zukommen. Statt dessen spricht er von einer "Koexistenz" der beiden Produktwelten. Man muesse sich eben "ins Benehmen mit der SAP setzen". Es gebe einen R/3-Bedarf am "oberen Ende", diagnostiziert der ehemals eingeschworene SAP- Gegner.

Dabei adressierten die Dortmunder, wie auch die Kundenbeispiele Dresdner Bank, Eurowings und Adco zeigen, durchaus dieselben Maerkte. Mit etwa 180 Mitarbeitern und 30 Millionen Mark Umsatz im Jahr 1994 gehoert Quantum bereits zu den groesseren Softwareproduzenten des Landes.

Wie Quantum-Chef Ludwigs analysiert, ist letztlich die sich abzeichnende Konzentration des Standardsoftware-Marktes auf wenige Komponentenanbieter schuld an der Kapitulation vieler mittelstaendischer Softwarehaeuser. Diejenigen, die sich nicht anpassen wollten, muessten sich ueber kurz oder lang aus diesem Geschaeft verabschieden.