IT-Outsourcing/Chancen der Auslagerung nach Indien bleiben ungenutzt

Deutsche Firmen entwickeln Software teuer zu Hause

26.07.2002
In den USA und Großbritannien wird Softwareentwicklung seit langem in Länder wie Indien ausgelagert, in denen die Lohnkosten niedriger sind. In Deutschland hat sich dieses Konzept bisher nicht durchgesetzt. Von Dirk Marzlaf und Frank Wälde*

Mit der Zeit haben sich mehrere Länder strategisch als Partner für IT-Outsourcing positioniert. Allen voran konnte sich Indien mit hoher Qualität und niedrigen Kosten durchsetzen. Beinahe jedes zweite der 500 weltgrößten Unternehmen nimmt heute IT-Dienstleistungen aus Indien in Anspruch. Die indische Regierung fördert diese Entwicklung. Mit über vier Millionen gut ausgebildeten Fachkräften sowie mehr als 3000 erstklassigen Softwarefirmen stellt das Land schon jetzt einen der weltweit größten und wachstumsstärksten Märkte dieser Branche dar.

Die Auslagerung der Softwareentwicklung an ein indisches Unternehmen kann nicht nur Kosten sparen, sondern auch eine Verbesserung der Qualität bedeuten. Viele indische Anbieter haben sich entsprechend spezialisiert. Zur Sicherung eines hohen, industrieweiten Qualitätsstandards für sämtliche Schritte der Softwarentwicklung sind die meisten nach den Normen ISO 9001:2000 und SEI-CMM 4/5 zertifiziert.

Indien verfügt insgesamt über rund 450 Millionen Arbeitskräfte. Obwohl davon lediglich etwa ein Prozent im Hightech-Sektor tätig ist, besitzt das Land damit nach den USA derzeit die weltweit zweitmeisten IT-Experten. In über 320 staatlichen Universitäten und weiteren 700 privaten Instituten für Informatik und DV werden jährlich viele tausend Nachwuchstalente und Studenten zu IT-Spezialisten ausgebildet. Diese enorme Zahl an hoch qualifizierten Fachkräften stellt für Outsourcing-Dienstleister einen entscheidenden Vorteil dar: Selbst ein komplexes Projektteam mit beispielsweise 100 Experten kann in weniger als einem Monat zusammengestellt werden. Hinzu kommt: Indische Softwareexperten gelten als motiviert, wissensdurstig und fleißig. Gearbeitet wird, wenn notwendig, sieben Tage die Woche.

Angesichts dieser Vorteile stellt sich nun die Frage, warum sich Outsourcing von IT-Projekten in Deutschland nicht wie in Großbritannien oder den USA als Standard etabliert hat - insbesondere vor dem Hintergrund des immer größer werdenden Fachkräftemangels. Nachdem die Green-Card-Regelung in Deutschland vor über 15 Monaten eingeführt wurde, stehen nun auch zusätzliche Wege offen, die Programmierarbeit in Deutschland vornehmen zu lassen. Wenn hiesige Unternehmen dennoch zögern, hat dies vier Hauptgründe:

-Mangelnde Erfahrung: Deutsche Manager haben, anders als viele amerikanische, nicht jahrzehntelang mit indischen Firmen zusammengearbeitet. Sie sehen deshalb mehr die Risiken als die Chancen.

-Geringes Vertrauen und unzureichendes Wissen: Vielen deutschen Managern ist nicht richtig bekannt, dass eine Reihe indischer Softwarefirmen sich schon seit etwa zehn Jahren auf Outsourcing-Dienstleistungen im IT-Bereich spezialisiert haben und darin immer besser geworden sind. Hier muss noch einige Aufklärungsarbeit betrieben werden. Aufgrund des anhaltenden Kostendrucks im deutschen IT-Markt werden aber gerade die Manager, die diese Chance früh nutzen, für ihre Entscheidung belohnt werden.

-Sprache: Internationale IT-Sprache ist Englisch. Die ausschließliche Verwendung der deutschen Sprache beziehungsweise Schrift stellt die meisten ausländischen Outsourcing-Dienstleister vor große Schwierigkeiten. Indische Softwareexperten können sehr gut Englisch, da die Sprache dort fast wie eine zweite Muttersprache erlernt wird. Kunden sollten daher deutsche Berater mit Outsourcing-Erfahrung als Dolmetscher und auch in einem umfassenderen Sinn als Schnittstelle einsetzen.

-Kulturelle und mentalitätsbedingte Unterschiede: Ungewohnte Verhaltensweisen der Mitarbeiter im täglichen Arbeitsumfeld sind oft auf Unterschiede in Kultur und Mentalität zurückzuführen. Damit zusammenhängende Probleme, die sich natürlich vor allem stellen können, wenn das Projekt in Deutschland betrieben wird, lassen sich verringern, wenn man sie stets offen anspricht und Berührungsängste zwischen internen und externen Mitarbeitern abbaut. (rs)

*Die Autoren sind Partner beim Consulting-Unternehmen HPS Deutschland.

Abb.1: Kapselungsprinzip

Beim Kapselungsprinzip nimmt eine internationale Unternehmensberatung einen Auftrag an. Als Interface zum Kunden dienen deutsche Berater. Hinter den Kulissen werden aber 90 Prozent der Arbeit von indischen Entwicklern und Experten durchgeführt. Quelle: HPS Deutschland

Abb.2: Beratungsprinzip

Im Rahmen des Beratungskonzeptes arbeitet der Kunde direkt mit der indischen Softwarefirma zusammen. Erfahrene Berater helfen bei der Projektauswahl, der Projektplanung, Kommunikationsplänen, der Projektüberwachung und der Qualitätssicherung. Quelle: HPS Deutschland