Arbeitskreis will für Branche jährlich eine Milliarde Mark vom Bund:

Deutsche DV-lndustrie fordert Subventionen

18.09.1987

BONN/MÜNCHEN (dow) - Die Bundesrepublik verkommt zum informationstechnologischen Entwicklungsland. Diese Schlußfolgerung legt ein Bericht des "Arbeitskreises Informationsverarbeitung" nahe. Diese Vereinigung von Wissenschaftlern und Industrievertretern fordert in ihrer Schrift "Informationstechnik 2000" die Bundesregierung auf, die Computerindustrie stärker zu unterstützen.

Der Anstoß, einen solchen Arbeitskreis zu gründen, war übrigens vor einiger Zeit aus dem Bundesministerium für Forschung und Technologie gekommen. Nun muß sich eben dieses Ministerium mit den Forderungen der Industriebosse und Professoren auseinandersetzen.

Obwohl Unternehmen wie Siemens und Nixdorf weltweit mit den Plätzen acht und siebzehn 1986 umsatzmäßig zu den Top-Twenty der Branche gehörten, wächst nach Meinung der Teilnehmer des Arbeitskreises das Defizit zu den USA und Japan immer mehr. Der Grund dafür sei, daß man es hierzulande bisher nicht für nötig gehalten habe, nationale Ressourcen in größerem Stil in Zukunftstechnologien umzulenken. Überschüsse in der Handelsbilanz der BRD entstünden im wesentlichen Jedoch mit Produkten aus nur noch schwach oder nicht mehr expandierenden Märkten, wie zum Beispiel dem Maschinenbau.

Die Bundesrepublik, wie im übrigen andere europäische Staaten auch, gehört zu den Importeuren von Chips und elektronischen Produkten. Auch das publicity-wirksame Mega-Bit Projekt von Siemens könne über diese Tatsachen nicht hinwegtäuschen, bemerkte ein Teilnehmer der Arbeitsgruppe. Der Bericht stellt fest, daß bei einem Weltumsatz von über 200 Milliarden Dollar im Jahre 1985 im Computergeschäft 80 Prozent auf US-Firmen entfielen. Dagegen hätten alle europäischen Computerhersteller zusammen nur etwa acht Prozent des Weltmarktes beliefert, obwohl fast dreißig Prozent aller Computersysteme der Welt in Westeuropa installiert sind.

Die Bundesrepublik wendet insgesamt fast drei Prozent des Bruttosozialproduktes für Forschung und Entwicklung auf und liegt damit an der Spitze der Industrienationen. Der Umfang der staatlichen Forschungsförderung für den Bereich Informationsverarbeitung ist in der Bundesrepublik jedoch weitaus geringer als in den USA. Bezogen auf den Kopf der Bevölkerung ergibt sich für das Land mit den weltweit führenden Computerunternehmen ein etwa fünfmal höheres Engagement.

Mehr Fachleute als in der Bundesrepublik

In den Forschungseinrichtungen für Kommunikationstechnik beschäftigt die japanische NTT (Nippon Telephone & Telegraph Corp.) 4500 Wissenschaftler. Nach Einschätzung von Leo A. Nefiodov (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung), Mitarbeiter des Arbeitskreises, sind in der gesamten Bundesrepublik im öffentlichen Bereich nicht einmal ein Drittel so viele Wissenschaftler zu finden, die sich mit Informationsverarbeitung beschäftigen. Ein einziges Labor in Japan habe mehr Fachleute aufzubieten, als alle Labors der Bundesrepublik insgesamt.

Für Mikroelektronik in Europa und in der Bundesrepublik wird seiner Meinung nach weniger ausgegeben, als es den Marktanteilen entspräche. Ein einzelnes japanisches Unternehmen hingegegen investiere in einem Jahr in die Forschung und Entwicklung der Mikroelektronik so viel, wie die deutsche Industrie insgesamt in den achtziger Jahren. Der Erfolg gibt den Japanern Recht: Ihr Vorsprung im Mikroelektronik-Geschäft läßt sogar die USA in die Defensive gehen. Den Amerikanern blieb nur noch die Möglichkeit, sich mit Schutzzöllen für japanische Produkte zu wehren.

In seinem Bericht beschreibt der Arbeitskreis Informationstechnik den Rückstand in der Bundesrepublik weniger als qualitatives, sondern vielmehr als quantitatives Problem, das mit mehr Geld für Forschung und Entwicklung "in der Breite" und stärkerem Engagement für strategisch wichtige Zukunftsmärkte "in die Tiefe" zu lösen sei. Arbeitskreisvorsitzender Karl Friedrich Triebold (Krupp Atlas Elektronik GmbH), fordert dafür jährlich "mindestens eine Milliarde Mark" von der Bundesregierung. Das Beschaffungsverhalten der öffentlichen Hand kritisiert Klaus Neugebauer (Softlab GmbH). Das "Closed-Shop"-Verhalten bei der Auftragsvergabe von Bahn, Post und Verteidigungsministerium gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen sei ein "administratives Innovationshemmnis".

Kritik an der Öffentlichen Hand

"Wir sind kein Unternehmen, daß schreiend hinter Geld aus Bonn herläuft", faßt ein Sprecher der Nixdorf AG die Haltung des Unternehmens zu Geldern aus dem Staatssäckel zusammen. Die Westfalen, die trotz beachtlicher Erfolge im internationalen Geschäft ihren größten Markt immer noch in der Bundesrepublik haben, konnten 1986 einen Umsatzzuwachs von über 50 Prozent vorweisen. Lediglich drei Prozent ihrer Ausgaben für Forschung und Entwicklung schöpfen sie aus öffentlichen Kassen. Marktwirtschaftliche Faktoren bestimmten die Strategien des expandierenden Unternehmens Lediglich dann, wenn international Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten seien, könne eine gezielte staatliche Förderung in bestimmten Bereichen sinnvoll sein.