Umstrukturierung der IT

Deutsche Bank holt Entwickler aus den Silos

04.06.2008
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

CW: Wie haben sich die Aufgaben in der täglichen Praxis verändert?

GAERTNER: Das lässt sich am Beispiel der Architekten gut zeigen. Wir haben sie aus dem Elfenbeinturm geholt. Unsere Architekten, so wir wie sie heute einsetzen, sind ein integraler Bestandteil der Entwicklung. Es gibt kein Projekt mehr, das von der Community der Architekten nicht mitgestaltet oder zumindest zertifiziert wird. Sie sind sowohl für Services verantwortlich wie für die Verbindung von Geschäftsprozessen und IT-Lösungen. Ein Architekt, so wie wir ihn heute verstehen, hat Liefer- und gestalterische Verantwortung, ist also nicht nur Berater. Er muss ein starker Kommunikator und netzwerkfähig sein, Projekt-Know-how und Prozesswissen mitbringen, Arbeitstechniken beherrschen, und wissen, was Six Sigma bedeutet. Dies alles zusammen bedeutet also nicht das, was man sich traditionell unter einem Architekten vorstellt.

CW: Entstehen damit auch neue Berufsbilder?

GAERTNER: Ein neues Berufsbild sind zum Beispiel die Vendor-Manager. Das sind diejenigen, die unsere kommerziellen Beziehungen zu unseren strategischen Partnern steuern. Ein Vendor-Manager muss große Verträge verhandeln können, Dinge, die wir früher in der Tiefe nicht gemacht haben. Die Vendor-Manager sind auch diejenigen, die während der Vertragslaufzeit das Verhältnis zum Partner managen. Auf diese Verbindung aus Technologie und kommerziellem Wissen legen wir viel Wert.

CW: Und was erwartet den klassischen Entwickler?

GAERTNER: Die Bank-IT ist in einer ständigen Veränderung begriffen. Das was ich vor zehn Jahren, als ich hierher kam, vorgefunden habe, hat keine Ähnlichkeit mit dem, wie es vor fünf Jahren oder heute funktioniert. Jeder, der einige Jahre dabei ist, hat einige Veränderungen mitgemacht. Keiner glaubt mehr, dass man mehrere Jahre ohne Veränderungen auskommt. Natürlich gibt es Kollegen, die sich jahrelang auf ihre Anwendung konzentriert und das auch sehr gut gemacht haben. Denen ermöglichen wir, dass sie sich über ihre angestammte Anwendung hinaus mit anderen Themen beschäftigen und damit ihr Tätigkeitsfeld verbreitern - wer "Konsumentenkredite" macht, macht künftig auch "Baufinanzierung" oder "Point of Sales". Die Entwickler sollen sich in der gesamten Wertschöpfungskette auf einen Teil konzentrieren. Wer vorher von der Analyse über Codierung und Testen alles konnte, der soll sich auf den Teil konzentrieren, den er besonders gut beherrscht. Die meisten haben sowieso eine Stärke auf einem dieser Gebiete und können sich damit jetzt voll einbringen.

CW: Also doch Spezialisierung

GAERTNER: Spezialisierung im Prozessschritt, also Business-Analyse oder technisches Management oder Testing, aber eine Verbreiterung in der Anzahl der betreuten Anwendungen, auf die dieses Wissen angewandt wird.

CW: Wie sehen denn Karrierechancen in diesem neuen Modell aus?

GAERTNER: Wir haben Karrierepfade für Spezialisten, Projekt-Manager und Führungskräfte, also Pfade mit drei Ebenen vom Team Contributor über den Manager Specialist bis hin zum Strategic Leader eingeführt. In jedem Karrierepfad lässt sich der höchste Level erreichen. Wir zeigen damit, dass auch Spezialisten und Projektleiter ohne Führungsverantwortung in der Pyramide oben ankommen können.

CW: Was bedeutet das in der Praxis?

GAERTNER: Ich habe mir die Beförderungsstatistik von Anfang des Jahres angeschaut. Ein Drittel der Personen, die wir Anfang des Jahres in die Manager-Ebene befördert haben, waren Spezialisten und Projekt-Manager. Es wurden also Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ins Management befördert, die keine Führungskräfte im klassischen Sinne waren. Das ist ein wichtiges Signal, dass auch ein Projektleiter oder Architekt ganz nach oben kommen kann. Zu allen Stufen existiert ein Trainingsprogramm mit verpflichtenden und freiwilligen Kursen. Wenn ein Spezialist Manager wird, hat er drei Kurse verpflichtend zu besuchen.