Desktop-Vernetzung/Ueberraschende Kalkulationsergebnisse bei der LBS Bis zu den PCs basiert das Netz auf Lichtwellenleitern

29.09.1995

Von Lukas T. Gorys*

Die Badische Landesbausparkasse (LBS) hat in den vergangenen Monaten ein Hochleistungsnetzwerk als Basis fuer zukuenftige Client- Server-Loesungen installiert. Die durchgaengige Glasfaserverkabelung von den Servern bis zum Arbeitsplatz ermoeglichte die zentrale Anordnung der aktiven Komponenten im Rechenzentrum.

Die DV-Landschaft der LBS Karlsruhe war in der Vergangenheit IBM- Grossrechner-orientiert. Das bedingte typischerweise den Einsatz einer Koax-basierenden Terminal-Struktur an den rund 400 Arbeitsplaetzen im Karlsruher Verwaltungsgebaeude. In einzelnen Abteilungen entwickelten sich aber aufgrund neuer Anforderungen in den vergangenen ein bis zwei Jahren kleinere Ethernet-PC-Segmente. Hinzu kamen vereinzelt unvernetzte Apple-Macintosh-Rechner.

1994 die DV-Linie gaenzlich umorientiert

Anfang 1994 traf die LBS Karlsruhe eine strategische Entscheidung fuer die Neustrukturierung der gesamten DV- und Telekommunikationsumgebung. Es galt, die zentralistische Terminal- Host-Struktur in eine moderne PC-orientierte Client-Server- Architektur zu ueberfuehren. Das soll perspektivisch den Einsatz von Programmierwerkzeugen auf Basis integrierter Case-Tools und somit die Abloesung der konventionellen Host-Programmiertechnik ermoeglichen. Die bisher auf analoger Technik basierende Telekommunikationsumgebung mit Telefon, Fax und Modem wird im Gesamtprojekt durch die digitale ISDN-Technik abgeloest.

Auf Grundlage der strategischen Informatikplanung entschied sich der Vorstand der LBS im Mai 1994 ausserdem fuer die Einfuehrung eines elektronischen Archivsystems. Ausloeser fuer diesen Beschluss war unter anderem die in absehbarer Zeit notwendige Erweiterung der Bausparaktenregistratur. Neben enormen Umbaukosten waere damit auch ein weiterer Verlust von Bueroflaeche verbunden gewesen. Dies soll die Einfuehrung des elektronischen Systems verhindern.

Den Mitarbeitern sollte bei Einsatz eines elektronischen Archivs alle zu einer Akte gehoerenden Dokumente jederzeit am PC- Arbeitsplatz zur Verfuegung stehen, was beim Kundenkontakt erhebliche Vorteile mit sich bringt. Im Rahmen einer Ausschreibung fiel die Entscheidung fuer das Archivierungssystem der Firma Filenet, Bad Homburg.

Es war bald klar, dass fuer die angestrebte Client-Server- Architektur, das elektronische Archivierungssystem und kuenftige, derzeit noch nicht absehbare neue Anforderungen an die DV der Einsatz eines leistungsfaehigen Hochgeschwindigkeitsnetzwerkes unabdingbar sein wuerde. Wichtige Voraussetzung war der sanfte Uebergang der alten in die neue PC-basierte Netzwerk-DV. Die neue Struktur sollte parallel zum Betrieb des Altsystems aufgebaut und in Betrieb genommen werden.

Im August 1994 erteilte die LBS der Consulting-Abteilung von SK- Schneider & Koch den Auftrag, die Netzstruktur bei der LBS zu planen und die Ausschreibung fuer die passive Verkabelungsinfrastruktur (Daten und Telekommunikation) durchzufuehren.

Eine erste Konzeption sah eine strukturierte Verkabelung mit Einsatz von Glasfasertechnik in gebaeude- und etagenuebergreifenden Bereichen sowie kupferbasierende Twisted-Pair-Kabeln der Kategorie 5 zu den PC-Arbeitsplaetzen auf den Etagen vor. Fuer jeden Arbeitsplatz war eine Kommunikationseinheit geplant, welche insgesamt drei dienstneutrale Kommunikationsanschluesse zur Verfuegung stellte.

Die Qualitaet der Kommunikationsanschluesse orientierte sich gemaess DIN 50173 an den Vorgaben der Kategorie 5 sowie den national geltenden EMV-Gesetzen. Fuer diese normengerechte Verkabelungsinfrastruktur ergab eine Kostenanalyse ein Investitionsvolumen von 1,1 Millionen Mark.

Da die alte Koaxverkabelung aufgrund der zentralen und sternfoermigen Verlegung vom Rechenzentrum im Erdgeschoss in die Etagen keine Etagenverteiler benoetigte, waren bei der Loesung gemaess DIN 50173 zusaetzlich zu den Verkabelungskosten auch die Errichtung neuer Etagen-Verteilerraeume zu kalkulieren. Diese beliefen sich einschliesslich zusaetzlicher Brandschutz-, Klima- und sonstiger Einrichtungen insgesamt auf rund 250000 Mark, so dass Gesamtkosten von 1,35 Millionen Mark fuer die passive Verkabelungstechnik zu veranschlagen waren.

Zwei Netzdesign-Szenarien waren Gegenstand weiterer detaillierter technischer und kalkulatorischer Analysen. Es handelte sich hierbei um eine stark segmentierte und strukturierte Token-Ring- Loesung sowie eine segmentierte FDDI-Variante.

Beiden Loesungsansaetzen gemein ist die Umsetzung des zentral orientierten Collapsed-Backbone-Prinzips. Waehrend fuer die Token- Ring-Variante auf etablierte Bruecken- beziehungsweise Router- Technologie zurueckgegriffen werden musste, bot das FDDI-Szenario neben der hoeheren Bandbreite auch den Einsatz modernster Switching-Techniken. Das Management aller aktiven Netzwerkkomponenten war eine Grundvoraussetzung fuer ihre naehere Auswahl.

Die Kostenanalyse brachte hierbei ein ueberraschendes Ergebnis zutage. Die aktiven Netzkomponenten beliefen sich im Token- Ring- Szenario auf insgesamt 1,43 Millionen Mark, waehrend die FDDI- Umgebung mit 1,3 Millionen Mark veranschlagt wurde. Die Mehrkosten bei Token Ring begruendeten sich im Collapsed-Backbone-Router, der wegen des hohen Segmentierungsanspruchs im Vollausbau unumgaenglich sein wuerde.

"Vor dem Hintergrund dieser Kostenanalyse fiel die Entscheidung fuer die standardisierte FDDI-Technologie leicht", erlaeutert Joachim Koliwer, Abteilungsdirektor DV bei der LBS. "FDDI bietet ein homogenes Konzept und stellt heute die einzige bewaehrte 100- Mbit/s-Topologie dar. Und diese groessere verfuegbare Netzbandbreite benoetigten wir schon allein fuer den Einsatz des elektronischen Archivs."

Nach der Entscheidung fuer die FDDI-Technologie wurde die geplante Kupferverkabelung Ende 1994 nochmals gruendlich ueberdacht. Wesentlicher Faktor war die Tatsache, dass die zusaetzlichen DV- Raeume auf den Stockwerken bisherige Bueroflaechen beanspruchen wuerden und Baumassnahmen eine starke Beeintraechtigung der Bueroarbeit durch Laerm, Verschmutzung etc. bedeutet haetten.

Das daraufhin entwickelte Alternativkonzept fuer die passive Netzplanung vermied Etagenverteilerraeume und sah die Installation der gesamten aktiven Netzwerktechnik an einem zentralen Platz vor. Als idealer Standort dafuer bot sich natuerlich das im Erdgeschoss befindliche Rechenzentrum mit vorhandenem Brandschutz, Klimaanlage, Sicherheitsvorkehrungen etc. an. Die zentrale Administrierbarkeit der aktiven Komponenten duerfte sich in den kommenden Jahren durch niedrigere Netzbetriebskosten auswirken.

Aufgrund der notwendigen Kabellaengen kamen fuer das Alternativ- Konzept mit zentralem Server-Raum ausschliesslich Lichtwellenleiter (LWL) bis zu den Arbeitsplaetzen in Frage. Problematisch beim zentralen Ansatz der passiven Verkabelung war die ueber LWL-Technik nicht realisierbare Anbindung der ISDN-Telefontechnik am Arbeitsplatz. Aus diesem Grund sah das Alternativ-Konzept eine bedarfsorientierte ISDN-Verkabelung auf Basis eines I-Y(ST)Y- Fernmeldekabels vor.

Diese Verkabelung wird ueberfluessig, wenn die LBS in spaeterer Zukunft auf ATM-Technologie uebergehen sollte. Die ATM-Technologie laesst sich dann durchgaengig auf der heute installierten LWL- Verkabelung mit hoechsten Datenraten (bis 1 GigaBit/s) sowie der Video- und Sprachintegration realisieren.

Die Kostenanalyse der LWL-Verkabelung bis zum Arbeitsplatz sowie die Verlegung eines guenstigeren Fernmeldekabels ergab folgendes Ergebnis:

Fuer das Fermeldekabel waren zirka 150 Mark pro Anschluss zu veranschlagen. Ein LWL-Anschluss kostete rund 1100 Mark. Die Kommunikationseinheit, bestehend aus einem ISDN-Anschluss, sowie einem LWL-Datenanschluss belief sich somit auf 1250 Mark. Hingegen kaeme eine Kommunikationseinheit nach dem kupferbasierenden Loesungsansatz gemaess DIN 50173 und mit drei dienstneutralen Anschluessen (KAT 5-Qualitaet) auf etwa 1950 Mark.

Die Zentralisierung der passiven und aktiven Technik im Rechenzentrum des LBS-Gebaeudes ermoeglichte eine optimale Ausstattung der Verteilerschraenke. Das hatte zur Folge, dass statt der beim Kupferansatz benoetigten 23 LAN-Schraenke auf den Etagen die LWL-Loesung lediglich acht LAN-Schraenke im Rechenzentrum noetig machte.

Obwohl das Alternativkonzept annaehernd die gleiche Anzahl von Kommunikationsanschluessen vorsah, kam es aufgrund des zentralen Ansatzes und der somit entfallenden Kosten fuer die Etagenverteilerraeume zu Kosteneinsparungen in Hoehe von rund 400000 Mark. Das Geld liess sich in die aktive Netztechnik investieren, welche auf LWL-Basis natuerlich teurer ist als die Kupfervariante.

In schnellen Schritten die Installation realisiert

Der zentrale Aufbau der aktiven Verteiler im Rechenzentrum ermoeglichte darueber hinaus eine bessere Port-Auslastung der FDDI- Konzentratoren. Denn bei Etagenverteilung wuerde aufgrund raeumlicher Gegebenheiten eine groessere Anzahl Ports unbelegt bleiben als bei einer zentralen Installation. Die Einsparungen im passiven Bereich kompensierten zum groessten Teil die Mehrkosten fuer die aktiven FDDI-LWL-Komponenten, welche mit rund 460000 Mark zu Buche schlugen.

Die LBS entschied sich im Dezember 1994 fuer diesen auf Lichtwellenleiter bis zum Arbeitsplatz und zentralem Aufbau der aktiven Komponenten im Rechenzentrum basierenden Loesungsvorschlag. Den Auftrag fuer die Installation erhielt die Firma Rueckert & Mueller Elektrotechnik, Karlsruhe. Diese verlegte die Verkabelungstechnik fuer insgesamt 600 Arbeitsplaetze von Anfang Maerz bis Anfang August 1995.

Um eine moeglichst hohe Installationsqualitaet zu erreichen, wurde das Kabelsystem "Fiberquick" des Schweizer Herstellers Brugg eingesetzt. Bei diesem handelt es sich um fabrikseitig vorkonfektioniertes Kabel, das ein Spleissen der Lichtwellenleiter eruebrigt.

Parallel wurde der Auftrag ueber die Netzwerktechnik realisiert. Der als Subunternehmer eingesetzte SK-Partner Pica Ingenieurteam war hierbei fuer die Gesamtinstallation der etwa 400 aktiven FDDI- Arbeitsplaetze mit der SK-NET-FDDI-Technologie (Adapter und Konzentratoren) verantwortlich. Nach einem siebenmonatigen Konzeptions- und Planungszeitraum betrug die Realisierungszeit viereinhalb Monate.

Im Mittelpunkt des so entstandenen FDDI-Netzes verbindet ein im Rechenzentrum aufgebauter zentraler FDDI-Switch sechs FDDI- Doppelringe. In fuenf FDDI-Doppelringen sind die PC-Clients ueber ebenfalls im Rechenzentrum installierte SK-FDDI-Konzentratoren integriert. Der sechste Ring ist als reiner Server-Ring ausgelegt.

Als Server sind derzeit eine RS/6000 fuer die Filenet-Applikation, ein IBM-3172-Vorrechner mit FDDI-Interface fuer die Verbindung zum IBM-Host, zwei zusaetzliche SAA-Gateways und zwei Netware-4.1- Server fuer die Windows-Applikationen im Server-Pool integriert. Ausserdem besteht noch ein OS/2-Netz.

Eine Dual-Homing-Anordnung der Server gewaehrleistet Ausfallsicherheit des Serverrings. Bei Ausfall des FDDI-Switches laesst sich dank der zentralen Anordnung der Verteiler im Rechenzentrum das Netz durch Umpatchen innerhalb von nur 15 Minuten zu einem Gesamtnetz zusammenschalten. Eventuelle IP- Adressierungsprobleme stellen ebenfalls kein Hindernis dar, da der Switch fuer diese Protokolle transparent ist und somit keinen Einfluss auf die IP-Adressierung hat.

Seit August 1995 ist das Netz mit fast 400 Arbeitsplaetzen in Betrieb. Die Hostterminals sind mittlerweile fast komplett abgeloest. Anfang 1996 wird das elektronische Archiv nutzbar sein.

*Lukas T. Gorys ist Leiter Presse und Oeffentlichkeitsarbeit bei SK Schneider & Koch, Ettlingen.