Bürokommunikation und Benutzerbeteiligung (Teil 2)

Der Zweck heiligt die Mittel-Akzeptanz rangiert erst danach

29.06.1990

Die nach Benutzerklassen differenzierte Beteiligung am Einführungsprozeß von Bürokommunikations-Systemen gehört in den Unternehmungen aus unserer empirischen Untersuchung weitgehend zum organisatorischen Alltag, wobei die Organisatoren alles in allem ein positives Gesamtbild der Benutzerbeteiligung zeichnen. Entscheidend für die positive Gesamtbewertung ist dabei eine realistische Erwartung der Ziele-Wirkungen-Relationen. (Teil 1 dieses Artikels ist in CW Nr. 25 vom 22. Juni 1990 erschienen.)

Die Beteiligungsmöglichkeiten der Benutzer bei der Einführung von Bürokommunikations-Systemen weisen unterschiedliche Intensitätsgrade auf, die (vermutlich) im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit der Mitarbeiter zu der jeweiligen Benutzerklasse zu interpretieren sind.

Alle betroffenen Führungskräfte werden in den befragten Unternehmungen durch gezielte Informationsmaßnahmen und -möglichkeiten am Einführungsprozeß beteiligt. Fast jede

Führungskraft hat ferner die Möglichkeit, an Anhörungen, Befragungen (94,6 Prozent) und Beratungen (97,3 Prozent) teilzunehmen. Von den betroffenen Führungskräften können 86,5 Prozent Gestaltungsvorschläge unterbreiten und 73,0 Prozent mitentscheiden.

Obgleich sich bei den Fachkräften ein ähnliches Bild wie bei den Führungskräften ergibt, schwinden die Mitwirkungspotentiale mit abnehmenden Einflußgraden. Jede Fachkraft kann sich über die Informationspolitik der jeweiligen Unternehmung am Einführungsprozeß beteiligen. 94,6 Prozent besitzen Anhörungs- und Befragungsrechte, wobei zirka drei Viertel der Betroffenen an gemeinsamen Beratungen teilnehmen können. Etwa der Hälfte der Fachkräfte räumen die Organisatoren das Einbringen von Gestaltungsvorschlägen ein. Lediglich 18,9 Prozent der Fachkräfte haben Mitentscheidungsrechte.

Das Beteiligungsprofil nimmt bei den Sachbearbeitern weiter ab. Zwar erhalten hier fast alle Mitarbeiter Informations- und Anhörungsrechte, zu gemeinsamen Beratungen hat aber etwa nur die Hälfte der Sachbearbeiter Zugang. Gestaltungsvorschläge können 27 Prozent der Sachbearbeiter unterbreiten. Eine Mitentscheidungsmöglichkeit wird einem geringen Teil von 2,7 Prozent eingeräumt.

Geringere Mitwirkungsmöglichkeiten als die zuvor genannten Benutzerklassen erhalten die Sekretärinnen. Hauptsächlich werden Sekretärinnen durch Information (81,1 Prozent) und Anhörungen oder Befragungen (64,9 Prozent) beteiligt.

Bei den Unterstützungs- und Schreibkräften erhalten 38,9 Prozent überhaupt keine Beteiligungschance. Über die Informationsvermittlung werden bei 61,1 Prozent und durch Anhörungen beziehungsweise Befragungen bei 41,7 Prozent dieser Benutzerklasse Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt.

Insgesamt kann aus den gewonnenen Daten die These abgeleitet werden, daß mit höher werdender Hierarchieebene die Beteiligungsmöglichkeiten bei den betroffenen Mitarbeitern zunehmen.

Einführung mit Hilfe eines Phasenmodells

Die organisatorische Strukturierurig des Einführungsprozesses eines Bürokommunikations-Systems kann mit Hilfe eines Phasenmodells vorgenommen werden. In den insgesamt elf Phasen spiegelt sich in der Praxis der Benutzerbeteiligung das Engagement der Benutzerklassen wider:

- Führungskräfte: Die Problemerkennung und Initiierung geht in den meisten Fällen von den Führungskräften aus (97,3 Prozent). Ebenso obliegt es den Führungskräften, die Entscheidung über den grundsätzlichen Lösungsweg zu treffen. Geringer fallen die Angaben zur Analyse der Ist-Bürosituation und der Spezifizierung vorhandener Probleme aus (67,6 Prozent).

- Fachkräfte und Sachbearbeiter: Die Ist-Analyse ist die Domäne dieser Benutzerklassen. Fachkräfte werden hauptsächlich in den Phasen der Problemerkennung und der Entwicklung, Gestaltung und Erprobung des Bürokommunikations-Systems beteiligt (jeweils 78,4 Prozent).

Die Schwerpunkte der Mitwirkung der Sachbearbeiter liegen in den Bereichen der Entwicklungs- und Gestaltungsaufgabe (62,2 Prozent) und der eigentlichen Implementierung des Systems (59,5 Prozent).

- Sekretärinnen sowie Unterstützungs- und Schreibkräfte: Diese Mitarbeiter sind von der Mitwirkung an bestimmten Phasen des Einführungsprozesses gänzlich ausgeschlossen. Sofern überhaupt eine Beteiligung erfolgt, so ist diese im nennenswerten Umfang bei der Ist- und Schwachstellenanalyse (75,9 und 51,7 Prozent), der Implementierung des Systems 55,2 und 52,4 Prozent) und den Entwicklungs- und Gestaltungsaufgaben (44,8 und 42,9 Prozent) gegeben.

Hohe Nutzungsintensität ist schwer zu erreichen

Die Prozeßbetrachtung zeigt die benutzerdifferenzierte Beteiligung am Einführungsprozeß eines Bürokommunikations-Systems auf: Führungskräfte übernehmen vor allein Initiierungs- und Entscheidungsaufgaben. Die Fachkräfte und Sachbearbeiter werden

eher im konzeptionellen Bereich des Einführungsprozesses

beteiligt. Sekretärinnen sowie Unterstützungs- und Schreibkräfte bleiben für die Information und die Implementierung potentielle Beteiligungsgrößen.

Das Vorgehen bei der Einführung wird in der Praxis methodisch mit dem Einsatz von Projektgruppen (94,6 Prozent) und speziellen Benutzer-Servicezentren (75,7 Prozent) unterstützt.

Die Bewertung der Wirkungen der Benutzerbeteiligung wurde von den Probanden mit Hilfe der Aufstellung der Beteiligungsziele auf einer abgestuften Bewertungsskala vorgenommen. Der nominal höchste Erreichungsgrad der Wirkungen der Benutzerbeteiligung ergibt sich für die Steigerung der Nutzungsintensität (Mittelwert 3,784). Danach folgt die Steigerung der Qualität der Informationsverarbeitung als Wirkungsmerkmal der Einbeziehung der Benutzer (Mittelwert 3,757). Für die Erhöhung der Akzeptanz

wurde ein Mittelwert von 3,730 errechnet.

Am Ende der Wirkungsgrade der Benutzerbeteiligung befinden sich die Erhöhung der Transparenz der Aufgabenstrukturen (Mittelwert 2,919) und die Reduzierung von Konflikten zwischen den Abteilungen (Mittelwert 2,784).

Ein Vergleich von Wirkungsgewichtungen der Organisatoren liefert Erkenntnisse darüber, wie hoch der jeweilige Nutzen der Beteiligung für die Benutzer bei der Einführung von Bürokommunikations-Systemen einzuordnen ist.

Die Differenzanalyse zeigt, daß nur ein Ziel der Benutzerbeteiligung voll erreicht wurden. Bei dem am höchsten bewerteten Ziel, der Steigerung der Nutzungsintensität, ist die Abweichung zwischen Intention und Wirkung am größten.

Lediglich hinsichtlich des Ziels der Überwindung von Handhabungsproblemen bei Hard- und Software ist der Differenzwert negativ (Differenz-Mittelwert: - 0,108). Das bedeutet, daß diese aufgetretene Wirkung der Benutzerbeteiligung größer als die Zielwertigkeit ist, damit wurde die Erwartung der Organisatoren übertroffen.

Die Anwendungprobleme der Benutzerbeteiligung werden in der organisatorischen Praxis eher als geringer angesehen. Auf der Bewertungsskala (1 bis, 5; 5: trifft voll zu) erreicht keines der genannten Probleme kritische Werte.

Im einzelnen benennen die Organisatoren:

- den hohen Handling-Aufwand der Benutzerbeteiligung (Mittelwert 3,0),

- die Erhöhung der Komplexität von Problemlagen und Problemlösungsabläufen (Mittelwert 2,973) sowie - das mangelnde ganzheitliche Arbeitsplatz-Wissen der Benutzer (Mittelwert 2,784).

Konflikte zwischen den mitwirkenden Abteilungen treten

in der Praxis offenbar kaum auf (Mittelwert 2,108), was im Kontext mit dem Beteiligungsziel der Konfliktreduktion zu sehen ist. Gleichfalls wird von den befragten Organisatoren keine Einengung des Entscheidungsspielraums beziehungsweise der Handlungsfähigkeit des Managements angenommen (Mittelwert 1,973).

Das Problem eines möglicherweise vorhandenen Desinteresses der Benutzer, am Einführungsprozeß mitzuwirken, wird von den Probanden gering bewertet (Mittelwert 1,973).

Dies deckt sich nicht nur mit den Ergebnissen der Benutzerforschung, sondern auch mit den eigenen Einschätzungen der Organisatoren zum Beteiligungsinteresse der Benutzer. Danach ist das Mitwirkungsinteresse bei den Fachkräften am größten (Mittelwert 3,946). Es folgen die Sachbearbeiter (Mittelwert 3,811), die Führungskräfte (Mittelwert 3,351) und die Sekretärinnen (Mittelwert 39324). Am geringsten wird das Beteiligungsinteresse von den Organisatoren bei den Unterstützungs- und Schreibkräften eingeschätzt (Mittelwert 2,566).

Organisatoren wollen Benutzerbeteiligung

In einer Gesamteinschätzung bewerten die befragten Organisatoren den Erfüllungsgrad der Benutzerbeteilgung von Bürokommunikations-Systemen mit einem Mittelwert von 3,4 (Bewertungsskala 1 bis 5). Allein 89,1 Prozent der Probanden sehen ihre Positiven Erwartungen als weitgehend erfüllt an.

Diese recht günstige Beurteilung der Benutzerbeteiligung in der organisatorischen Praxis ist im Zusammenhang mit der Einstellung der Befragten zur Benutzerbeteiligung zu interpretieren: Fast 75 Prozent der Organisatoren messen der Benutzerbeteiligung in den Unternehmungen eine sehr hohe bis hohe Bedeutung bei. Noch höher fällt die persönliche Präferenz der Organisatoren zugunsten der Benutzerbeteiligung aus. 37,8 Prozent weisen der Beteiligung eine sehr hohe und 43,2 Prozent eine hohe Bedeutung bei der Einführung von Bürokommunikations-Systemen zu.

Dr. rer. pol. Michael Hoffmann und Dr. rer. pol. Richard Weck waren bis Ende 1988 beziehungsweise Anfang 1989 wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranten bei Professor Dr. Richard Vahrenkamp, Universität-GH Kassel, Fachberich Wirtschaftswissenschaften. Michael Hoffmann ist derzeit bei der AEG Aktiengesellschaft, Frankfurt/M., im kaufmännischen Bereich tätig. Reinhard Weck ist derzeit beim Bundesverband der Deutschen Industrie in Köln verantwortlich für den Bereich Bürokommunikation.

Die vollständige Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse ist unter dem Tietel "Bürokommunikationen und Benutzerbeteiligung: Eine Analyse der Beteiligung der Benutzer am Einführungsprozeß von Bürokommunikations-Systemen fand Ergebnisse einer empirischen Untersuchung" beim Verlag Peter Lang, Frankfurt (M.), erhältlich.

Zusammenfassung und Fazit

Die empirische Pilotstudie hat ergeben, daß

- mit der Benutzerbeteiligungprioritär das Beteiligungsziel der Steigerung der Nutzungsintensität angestrebt wird,

- die Organisation der Benutzerbeteiligung im Vorfeld des Projektgruppen-Ansatzes durch Information und Schulung der Mitarbeiter erfolgt,

- die Beteiligungsorganisation Benutzerklassen-different gekennzeichnet ist,

- die Beteiligungsergebnisse auf Soll- und Ist-Abweichungen hinweisen,

- die Probleme der Benutzerbeteiligung von den Organisatoren überwiegend gering bewertet werden,

- die Organisatoren die Nutzenerwartungen der Benutzerbeteiligung als relativ erfüllt ansehen und daß

- der Benutzerbeteiligung von den Organisatoren meistens eine sehr hohe bis hohe Bedeutung beigemessen wird.

* Dr. rer. pol. Michael Hoffmann und Dr. rer. pol. Reinhard Weck waren bis Ende 1988 beziehungsweise Anfang 1989 wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden bei Professor Dr. Richard Vahrenkamp, Universität-GH Kassel, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Michael Hoffmann ist derzeit bei der AEG Aktiengesellschaft, Frankfurt/M., im kaufmännischen Bereich tätig. Reinhard Weck ist derzeit beim Bundesverband der Deutschen Industrie in Köln verantwortlich für den Bereich Bürokommunikation.