Der Weg zur "totalen" Online-Organisation ist steinig

19.11.1976

Mit Günter Thaler, geschäftsführender Vorstand der Rechenzentrale Bayerischer Genossenschaften eG, München, sprach CW-Redakteur Dieter Eckbauer

- Sie haben kürzlich einen 60-Millionen-Mark-Auftrag über die Lieferung von rund 1100 Banken-Terminals für den Aufbau eines Netzwerkes an Olivetti vergeben. Ging eigentlich der Druck, eine bessere Bank-Organisation durch den Online-Anschluß zu bekommen, von den einzelnen Genossenschaftsbanken aus?

Wir haben zwar bereits seit einigen Jahren Online-Überlegungen angestellt, haben auch entsprechende Vorbereitungen für Online-Organisationen geschaffen, waren jedoch noch der Meinung, bis 1978/79 warten zu können. Mit anderen Worten: Der Druck, schon jetzt die Online-Organisation einzuführen, ging eindeutig von unseren Kreditgenossenschaften aus.

- Bei der Rechenzentrale Bayer. Genossenschaften (RBG) ist Endziel die Schaffung eines "totalen" Online-Verbundsystems bis 1980. Bis dahin gehen Sie in Schritten vor. Können Sie dies im einzelnen erläutern?

Eine Online-Organisation mit einem solch großen Netzwerk ist nicht einfach zu verwirklichen - der Weg zu einer "totalen" Online-Organisation ist steinig und schwer. Daher sieht unsere Konzeption die Einführung dieser Organisation in einzelnen Stufen vor. Die erste Stufe, die bis Ende 1977 bei allem uns angeschlossenen Kredit-Genossenschaften verwirklicht sein soll, umfaßt die Ablösung der heutigen Stapelverarbeitung. Damit legen wir eine Grundlage, um die weiteren Organisationsstufen bis zur Online-Lösung schneller einführen zu können. Die zweite Stufe, die ab 1978 verwirklicht wird, umfaßt die Erweiterung der Stufe I mit entsprechend verbesserten zusätzlichen Auswertungen, die vonehmlich die Geschäftsführungsebene interessieren. Stufe III beginnt dann Ende 1978 mit der testweisen Installation der ersten Online-Terminals und ab 1979 schließlich mit der Einführung der Online-Organisation bei den größeren Kredit-Instituten.

- Läßt sich der Sprung vom Batch zum Dialog in dieser Zeitspanne realisieren?

Die neue Bankorganisation haben wir Basis getauft - das soll einmal "Banken-Automation durch Stapelverarbeitung und integrierte Dialog-Systeme" heißen und zum zweiten eine Beziehung dahingehend herstellen, daß die Stufe I die Basis überhaupt darstellt für eine "totale" Online-Organisation.

- Die einzelnen, der RBG angeschlossene Institute werden mit unterschiedlicher Hardware ausgestattete kleinere mit reinen Stapel-Erfassungsterminals, die nur einmal am Tag abgefragt werden, größere mit Dialog-Systemen. Schaffen Sie damit nicht eine Zweigleisigkeit in der Organisation und damit sticht auch ein Organisationsgefälle?

Eine Zweigleisigkeit in der Organisation schaffen wir dadurch nicht im Gegenteil: Durch unser Basis-Konzept erhalten im Grunde genommen alle Banken die gleiche Auswertung - nur zeitversetzt. Kleinere Banken müssen eben Antwortzeiten von 12 Stunden in Kauf nehmen, während Online-Banken Antwortzeiten im Sekundenbereich haben. Eine gewisse Zweigleisigkeit schaffen wir nur bei der Hardware-Installation.

- Sie schaffen quasi eine hierarchische "Filialorganisation". Haben Sie Ihre Hardware-Auswahl unter diesem Aspekt getroffen?

Von der Organisationstechnik her kann durchaus von einer Filial-Organisation gesprochen werden, auch wenn unsere angeschlossenen Kreditgenossenschaften rechtlich selbständig

sind.

Für die Terminalbestückung haben wir einem Rahmen geschaffen: Untere Hardwaregröße ist die Olivetti A5 (Kaufpreis 20 000 Mark). Damit werden 500 Institute ausgestattet.

Ebenfalls mit Stapelerfassungs-Terminals (TC 800 Dual) werden weitere 400 Banken ausgerüstet (durchschnittlicher Einzelstückpreis 60 000 Mark), die restlichen 200 mit TC 800-Maschinen, die zwischen 100 000 und 400 000 Mark kosten.

- Die Olivetti-Terminals sind mit einer gewissen Intelligenz ausgestattet, die natürlich ihren Preis hat. Wäre es nicht von der Kostenseite her günstiger gewesen, "dumme Schalterplätze" zu nehmen und die Intelligenz auf Knotenrechner zu verlagern?

Das mag stimmen. Wir haben jedoch von Anfang an unsere Überlegungen in Richtung "Ausfallsicherung" gelenkt und dabei ganz besonderes Gewicht auf die Aufrechterhaltung der Bedienerfunktionen im Schalterraum Wert gelegt.

- Konzentratoren können bekanntlich doppelt ausgelegt werden.

Man muß dabei ein wenig die Größenordnung des Landes Bayern betrachten. Sicher ist, daß aufgrund der Vielzahl der erforderlichen Knoten eine doppelte Installation von Konzentratoren aus reinen Sicherheitsgründen nicht akzeptabel wäre. Es ist darüber hinaus ja nicht nur möglich, daß der Konzentrator ausfällt. Wir haben bereits etwa fünf Jahre Erfahrung mit unseren heutigen 21 Datenstationen - da hat es sich gezeigt, daß auch im Leitungsnetz ein erhebliches Ausfall-Risiko liegt.

- Welche Kriterien entscheiden im einzelnen darüber, ob eine Bank onlinefähig ist oder nicht?

Grundsätzlich einmal die Größenordnung der Bank. Kriterium ist also die Bilanzsumme unter Berücksichtigung der Zweigstellen-Struktur. Ein zweites Kriterium ist die wirtschaftliche Bedeutung einer Bank und - damit zusammenhängend - auch die örtliche Konkurrenz-Situation; ein dritter Punkt die Kostenseite.

- Welche marktpolitischen Gesichtspunkte waren maßgebend für die Konzipierung der neuen RBG-Organisation?

Einmal brauchen wir in unseren Kreditgenossenschaften modernere Führungsunterlagen (Aussagen statistischer Art) und damit Programme, mit denen entsprechende Vorhersagen getroffen werden können. Zweitens die Wettbewerbsfähigkeit - also moderne Organisationstechniken auch dem Kunden sichtbar machen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das trifft zum heutigen Zeitpunkt zwar noch nicht für alle Banken zu, da jedoch eine Organisation dieses Ausmaßes Jahre der Vorbereitung, Jahre der Einführung und letztlich auch Jahre des Lernens braucht, haben wir rechtzeitig diese neue Konzeption gefunden.

- Wie stehen Sie eigentlich Bestrebungen einzelner Banken gegenüber, sich organisatorisch autonom zu verhalten, sprich mit eigener - heute ja preiswerter Hardware - die Dinge schneller und eleganter zu lösen, als Sie es mit Ihrem doch recht großen Apparat tun können?

Natürlich ablehnend. Aber vielleicht darf ich dazu sagen, daß es durchaus möglich ist, einzelne Anwendungsgebiete innerhalb einer gesamten Bankanwendung mit speziellen, kleineren Maschinen und einer speziellen Software schneller zu lösen, daß aber - wenn man die Gesamtorganisation sieht - der Schritt, ein gemeinsames Datenverarbeitungszentrum zu benutzen, richtig ist.

- Können Sie das mit Beispielen belegen?

Der Datenträger-Austausch oder das beleglose Datenträger-Clearing erspart schon heute unseren Kreditgenossenschaften mehr als 25 Prozent der Datenerfassungsarbeit. Ein zweites Beispiel: Aussagefähige Führungszahlen, Vergleichzahlen, marktpolitische Zahlen können nur dann ermittelt werden, wenn der gesamte Sektor in einem Rechenzentrum vereint ist. Sogenannte Insellösungen für Teilorganisationen oder aber auch für die Organisation einer einzelnen Bank führen auf lange Sicht gesehen in eine Sackgasse.

- Im doch sehr personalintensiven Kreditgewerbe ist Rationalisierung immer auch verbunden mit Freisetzung von Manpower. Befürchten Sie hier einen Gegendruck seitens der angeschlossenen Institute?

Es hat in den letzten Jahren einen Strukturwandel hinsichtlich der Bankkundschaft unserer Kreditgenossenschaft gegeben. Das heißt: Eine Rationalisierung ist schon deswegen erforderlich, damit die Aufgabe unserer Banken in Zukunft bewältigt werden kann. Die Qualität der Kundenberatung muß steigen - es wird damit sicherlich eine gewisse Verlagerung der Qualifikation erfolgen: Mitarbeiter, die bislang noch mit mehr oder weniger reinen Routine- und Verwaltungsarbeiten beschäftigt waren, werden in Zukunft für die aktive Kundenberatung eingesetzt werden müssen und auch für die Akquisition - immer vor dem Hintergrund, einen Zuwachs erzielen zu müssen.