Der unbekannte Koenig Kundenkenntnisse sind in der Elektronikbranche Mangelware

26.05.1995

MUENCHEN (CW) - Kaum ein Industriezweig fuehrt den Kunden und seine Beduerfnisse so oft im Mund wie die Computerbranche. Gleichzeitig, so das Ergebnis einer jetzt veroeffentlichten Studie, schaetzen die Unternehmen der Elektronikbranche - inklusive der Computeranbieter - die Zufriedenheit ihrer Kunden schlecht ein. Jedes dritte Unternehmen meint, die Kunden seien mit seinem Service "weniger zufrieden" oder "unzufrieden".

Fuer die meisten deutschen Manager ist Kundenorientierung nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Dieses harsche Urteil legen die Ergebnisse der Untersuchung "Mobilisierung fuer die Zukunft - Triebfeder Kunde" nahe, die von der Unternehmensberatung Droege & Comp. bei ueber 800 hiesigen Unternehmen aller Branchen und Groessenklassen durchgefuehrt wurde. Nur ein Viertel der befragten Firmen hat demnach eigener Einschaetzung zufolge "sehr zufriedene Kunden". Jede fuenfte Fuehrungs-kraft sowie zwei Drittel der Mitarbeiter raeumten sogar ein, ihre Kunden nicht zu kennen (siehe Grafik Seite 1). Fuer die Elektronik-industrie, zu der die Autoren auch die Computeranbieter zaehlen, zeichnet die Studie ein aehnliches Bild:

"Die Situation der Branche ist ambivalent. Trotz der generell vor- handenen Defizite ist die Kundenorientierung im Vergleich zu anderen Branchen ueberdurchschnittlich gut ausgepraegt, obwohl die Unternehmen bei sich selbst die groessten Defizite und den staerksten Optimierungs-bedarf sehen."

Customer-Orientierung oft nur Lippenbekenntnis

Die Kundenkenntnis der Manager ist im Elektroniksektor nur gering- fuegig besser als im Durchschnitt der deutschen Firmen. Nur jeder Dritte meint, seine Kunden "sehr genau" zu kennen. Fuer 15 Prozent der Manager ist der Kaeufer ein unbekanntes Wesen. Dieser Wert erstaunt, da die Studie auch feststellt, dass 85 Prozent der Branchen-Player regelmaessig ihre Endverbraucher befragen, dies allerdings nur einmal pro Jahr. Intensiver nutzen diese Unternehmen dagegen das Instrument der Handelspartner-Befragung: Jede fuenfte der 70 auskunftgebenden Companies spricht woechentlich mit ihren Zwischenhaendlern.

Obwohl die Befragten eine Vorreiterrolle bei der Messung der Kundenzufriedenheit haben - etwa 60 Prozent ermitteln diesen Wert einmal pro Jahr -, scheinen sie die Ergebnisse selten zur Grundlage von Verbesserungen im Servicebereich zu machen. Sonst wuerde nicht jeder dritte Player angeben, seine Kunden seien mit dem Service "weniger zufrieden" oder "unzufrieden". Doch Aenderungsbedarf sieht man offenbar nicht. Neun von zehn Unternehmen gaben an, in diesem Bereich "kein Ueberangebot" zu offerieren. Deutlich unter dem Durchschnitt aller Branchen wird auch die Erfuellung der Service-standards durch die Mitarbeiter mittels entsprechender Anreizsysteme belohnt. 67 Prozent geben keine solchen Incentives.

Walter Droege, geschaeftsfuehrender Gesellschafter der Duesseldorfer Unternehmensberatung, kommentiert die Resultate sarkastisch: "In den meisten deutschen Unternehmen scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dass die Kunden ursaechlich fuer Umsatz und Ertrag verant-wortlich sind. Nur wer dient, verdient."

Zu einem aehnlichen Ergebnis wie die Untersuchung von Droege & Comp. kommt eine Studie ueber Kundennaehe, die Christian Homburg von der Wissenschaftlichen Hochschule fuer Unternehmensfuehrung in 500 Firmen verschiedener Industriegueter-Branchen durchfuehrte. Es werde offiziell ueberall Kundenorientierung gepredigt, "obwohl die Unternehmensspitze bereits seit Jahren mit ihren Abnehmern nicht mehr geredet hat", zitieren die "VDI-Nachrichten" den Marketing- Wissenschaftler. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Abnehmer und Lieferanten befragt. Ergebnis: Zwischen den Aussagen der beiden Gruppen konnte nach Darstellung des Professors keine Korrelation festgestellt werden. Waehrend die Kunden sich mit den gelieferten Produkten weitgehend zufrieden zeigten, laesst der Service zu wuenschen uebrig. Vor allem kritisierten die Abnehmer Routinevorgaenge wie Angebotserstellung oder Auftragsabwicklung.