Der Traum, auf eigenen Füßen zu stehen:Ambitionen im Datenträgerhandel

04.07.1980

HANAU (gr) - "Nun gibt es noch einen EDV-Zubehörhändler." Mit diesem Seufzer auf gelbem Papier lädt Richard Uhl zur Eröffnungsparty seines Datenträger-Shops "Art 2000" in Hanau ein. Die Konkurrenz auf diesem Markt ist hart. Besonders im Rhein-Main-Gebiet gibt es etliche Händler, die ihre EDV-Anwender mit magnetischen Datenträgern versorgen wollen, um so ihr Brot zu verdienen. Doch Uhl spricht optimistisch. Er glaubt, eine Marktlücke entdeckt zu haben.

Der EDV-Anwender verfügt nach Ansicht von Uhl kaum über Erfahrung und tiefergehendes Wissen, wenn es um die Auswahl des für seine Anlage "passenden" Datenträgers geht. Auf dem Markt tummeln sich etwa zehn Hersteller. Die Produkte unterscheiden sich im Hinblick auf ihre Qualität und ihren Preis.

Verarbeitung schafft Qualität

Wesentlicher Bestimmungsfaktor für die Qualität eines magnetischen Datenträgers ist nach den Erfahrungen Uhls die Verarbeitung. Es kommt darauf an, wie das magnetische Material im Werk gemischt wurde, welches Trägermaterial verwendet wird und wie die Magnetschicht auf den Träger aufgebracht ist. Ein weiteres Gütemerkmal, so Uhl, stellt das Testverfahren dar, mit dem der Hersteller die Spreu vom Weizen trennt. Einige Hersteller führten den Endtest nur stichprobenartig durch, andere testeten alle ihre Produkte, was sich natürlich auch im Preis niederschlägt. Handelt es sich beispielsweise um IBM-kompatible Kassetten mit 77 Spuren, unterziehen manche Produzenten alle Spuren einer Überprüfung, andere testen außerdem noch die Räume zwischen den Spuren. Wenn das Laufwerk und damit die Kassette warm wird, erläutert der Datenträger-Fachmann, der seine Erfahrungen bei der BFI Elektronik Abteilung Datentechnik gesammelt hat, ändert sich die Größe der Diskette, die Spuren verschieben sich.

Diese Form von Aufklärung und Beratung soll ein wichtiger Teil der Geschäftstätigkeit des dreißigjährigen Jungunternehmers bilden. Er lege es nicht darauf an, durch "aggressive Preise oder Sexy-Werbung" auf sich aufmerksam zu machen. Vielmehr versucht er, "dem Kunden ein gutes Produkt zu entsprechenden Preisen" zu verkaufen, wie er seine Vertriebsstrategie erklärt. "Der Kunde muß allerdings den Service bezahlen."

Disketten kauft man permanent

Dieser Service, mit dem sich Uhl von seinen Konkurrenten unterscheiden will, beschränkt sich nicht auf die einmalige Beratung, welches Produkt wohl das tauglichste ist. Uhl träumt, seinen Stammkunden ein Partner zu sein. "Bei den Produkten eines bestimmten Herstellers, nennen wir ihn X, stellt sich heraus, daß sie gut arbeiten. Nach einem halben Jahr treten Schreibfehler auf." Zwei Möglichkeiten bestehen nun: Einmal kann die Qualität der Bänder oder Disketten beim Hersteller nachgelassen haben, zum anderen wäre es möglich, daß der Schreib-/Lesekopf durch den Gebrauch gelitten hat und deshalb Fehler verursacht.

Uhl ist diese Kommunikation zwischen Kunden und ihm wesentlich. Zumindest mit einem Tip möchte er dem leidgeprüften Anwender aushelfen. Vorgenommen hat sich Uhl, alle Aufträge, die bis 16.00 Uhr bei ihm eingehen, am gleichen Tag zu erledigen. In zwei bis drei Wochen sollen alle Floppies, Disks, Cartridges, Disk Packs und Computerbänder auf Lager sein. Uhl arbeitet primär mit Control Data Deutschland und Verbatim zusammen.

Direktimporte aus den USA werden für ihn als Händler und - über den Preis - auch für den Endverbraucher eine attraktive Sortimentsbereicherung darstellen.

Als Ziel hat er sich in dem halben Jahr zum 31. Dezember 1980 einen Umsatz von 500 000 Mark gesetzt. In der als Personengesellschaft eingetragenen "Art 2000" arbeitet Uhl zusammen mit seiner Frau, die nach Geburt des Kindes als selbständige Geschäftsfrau Werbemittel vertreibt. "Als das Kind da war, wollte ich nicht nur Hausfrau sein", meint Frau Uhl. "So wie wir jetzt zusammenarbeiten, herrscht ein sehr gutes Klima." Unterbringung und Versorgung des zweieinhalbjährigen Sohnes sind keine Probleme mehr.

Härtere Konditionen bei Lieferanten

"Als ich so weit war, mich selbständig zu machen, stand meine Frau voll hinter mir", sagte Uhl. Er erfüllt sich dabei den "Traum eines jeden jungen Mannes, auf eigenen Füßen zu stehen". Ein Kredit aus dem ERP-Programm der Lastenausgleichsbank erleichterte den Start. "Den jungen Unternehmen gegenüber verhalten sich die Lieferanten härter", erklärte Uhl. Sie verlangten zum Teil Bankbürgschaften. Direkt-lmporte aus den USA müßten im voraus bezahlt werden. Über die Mehrarbeit als Selbständiger oder die größeren Belastungen klagt Uhl überhaupt nicht. "Mit der 40 Stundenwoche komme ich nicht über die Runden. Doch das war vorher auch nicht gewesen. In meinem eigenen Büro ist das Engagement ein bißchen größer. Es geht schließlich ums eigene Geld."