Ohne Mobilcom-Chef Gerhard Schmid wird der deutsche TK-Markt ärmer

Der Telefon-Aldi sagt Tschüss

05.04.2002
Er hat den Torhüter vom Eis genommen, um im Powerplay den Sieg zu erzwingen. Doch ein Befreiungsschlag des Gegners brachte den Puck ins eigene Tor. Mit diesem Bild lässt sich die Situation um den früheren Eishockeyspieler Gerhard Schmid wohl am besten zusammenfassen. Der Mobilcom-Chef hat den Machtkampf mit France Télécom verloren. Die Folgen dürften jedoch weit über das Unternehmen hinausreichen.

Der sich abzeichnende Abgang Schmids vergangene Woche war für die Verhältnisse des exzentrischen Managers, der über Jahre hinweg als Enfant terrible der deutschen TK-Szene auftrat, mehr als bescheiden. "Mobilcom-Hauptaktionär Gerhard Schmid und France Télécom haben sich auf einen grundsätzlichen Weg geeinigt, die aktuellen Streitfragen zu lösen", lautete die entscheidende Passage einer insgesamt zehnzeiligen Presseerklärung der Mobilcom AG, mit der zunächst ein Schlussstrich unter die seit Wochen andauernden Auseinandersetzungen zwischen Schmid und France-Télécom-Chef Michel Bon gezogen wurde.

Rücktritt unmittelbar nach dem VerkaufDie Vereinbarung sieht inoffiziellen Angaben zufolge vor, dass Schmid seinen Anteil von rund 40 Prozent innerhalb der nächsten Wochen an eine Reihe von Banken und Investmenthäusern (in Branchenkreisen ist von der Deutschen Bank, Merrill Lynch, Société Générale und ABN Amro die Rede) verkauft und unmittelbar danach von seinem Amt als Mobilcom-Vorstandsvorsitzender zurücktritt. Dem Vernehmen nach soll Schmid pro Anteil 22 Euro in bar kassieren, also neun Euro mehr, als das Papier beispielsweise bei Handelseröffnung am vergangenen Dienstag wert war. Gleiches soll mit dem rund zehnprozentigen Anteil von Schmids Ehefrau geschehen, so dass den Eheleuten Schmid insgesamt mehr als 700 Millionen Euro zufließen dürften.

Gerhard Schmid hat sich also seinen Rückzug - gemessen an den derzeitigen Branchenverhältnissen - vergolden lassen. Böse Zungen behaupten, dass dies sein eigentliches Ziel war, nachdem schon vor Wochen absehbar gewesen sei, dass der Machtpoker mit France Télécom nicht zu gewinnen sein würde. Vieles spricht dafür, dass es auch so gewesen ist. Denn als es vergangene Woche im Pariser Headquarter des französischen TK-Riesen zum "Showdown" zwischen Schmid und France-Télécom-Finanzchef Jean-Louis Vinciguerra gekommen ist, hat der Mobilcom-Gründer Insidern zufolge nur noch über den Preis und eine Bestandsgarantie für seine Company verhandelt. Der Franzose soll ihn vor die Alternative Verkauf an die Banken oder einen für Mobilcom langen und ruinösen Rechtsstreit gestellt haben.

Noch vor zwei Wochen auf der Mobilcom-Bilanzpressekonferenz in Hamburg hatte sich das Ganze weitaus entschlossener angehört, als Schmid mit Blick auf die Auseinandersetzung mit den Franzosen betonte, für ihn gebe es "nur Schwarz oder Weiß". Das hätte bedeutet: Entweder trägt France Télélcom die ursprünglich vereinbarten Investitions- und Markteintrittspläne beim UMTS-Mobilfunk uneingeschränkt mit, oder er beharrt auf einer angeblich vertraglich gesicherten "Zwangsoption", wonach die Franzosen bei "unüberbrückbaren Differenzen" 33 Prozent seiner Anteile zu einem für ihn attraktiven Preis übernehmen müssen.

Jetzt hat sich Paris zunächst für "Grau" entschieden. Schmids Anteile und damit auch die Schulden von Mobilcom in Milliardenhöhe werden bei den Banken, die zum Teil auch Gläubiger von Mobilcom sind, geparkt. Wären die Franzosen auf Schmids "Angebot" eingegangen, sein Aktienpaket größtenteils selbst zu übernehmen, hätte sie das schätzungsweise weitere sechs Milliarden Euro gekostet - unter anderem für ein dann fälliges, über dem aktuellen Börsenkurs liegendes Angebot an die Kleinaktionäre, zu dem France Télécom aufgrund eines von 28,5 auf mehr als 30 Prozent gestiegenen Anteils an Mobilcom gesetzlich verpflichtet gewesen wäre. Hinzu gekommen wäre die Schuldenlast der Norddeutschen, die angesichts der andauernden tiefroten Zahlen (allein minus 205,57 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2001) immer weiter steigt.

"Wir haben den Krieg gestoppt, und einen Waffenstillstand erreicht", ließ France-Télécom-Manager Vinciguerra zu der Tatsache erklären, dass Schmid nun nach Lage der Dinge aus dem Spiel ist. Doch das Thema Mobilcom dürfte damit noch längst nicht abgehakt sein - vor allem nicht für die derzeit rund 5700 Mitarbeiter, denen weitere Wochen der Unsicherheit bevorstehen. Die Gespräche mit und unter den Gläubigerbanken laufen, wenn überhaupt, gegenwärtig erst an. Wer wie viele Anteile von Mobilcom übernimmt und ob sich das ganze Paket, so wie es nun der Öffentlichkeit vermittelt wurde, auch schnüren lässt, scheint dabei noch offen zu sein. Bezeichnend dafür sind die rhetorischen Rückzugsgefechte, die sich Schmid jetzt noch mit den Franzosen liefert. Während France Télécom offiziell davon ausgeht, dass Schmid selbst mit den Banken verhandelt, streute der Noch-Mobilfunk-Chef in diversen Tageszeitungen seine Sicht der Dinge, die da lautet: "Nun ist Paris am Zug." Fest dürfte bei nüchterner Betrachtung allerdings stehen, dass sich France Télécom und die Banken auf eine (neue) Strategie des Unternehmens einigen und einen neuen Vorstandsvorsitzenden finden müssen. Dieser habe dann vorrangig die Aufgabe, den Banken zu helfen, ihre Aktienmehrheit an Mobilcom gewinnbringend zu verkaufen, heißt es unter Finanzanalysten.

Weitaus einschneidender könnten sich aber die bei Mobilcom anstehenden Entscheidungen auf den deutschen TK-Markt und dabei vor allem auf das kommende UMTS-Szenario auswirken. Denn Schmids Pläne, noch in diesem Jahr als erster Anbieter mit UMTS-Diensten auf den Markt zu kommen, dürften nun Makulatur sein. Während der Mobilcom-Chef bekanntermaßen darauf bestand, noch in diesem Jahr 1,3 Milliarden Euro für den Aufbau und Start des eigenen UMTS-Netzes auszugeben, werden die Franzosen diese Investitionen nun auf maximal 500 Millionen reduzieren. Gleichzeitig ist Schuldendienst angesagt, denn immerhin stehen inzwischen knapp sieben Milliarden Euro an Verbindlichkeiten im Raum, die Mobilcom aufgrund einer Zusage von France Télécom angehäuft hat. Schließlich hatten die Franzosen im März 2000 beim Erwerb des 28,5-Prozent-Anteils versprochen, die UMTS-Lizenzkosten und den entsprechenden Netzaufbau zu finanzieren. Gut 4,7 Milliarden Euro sind bereits im Juli fällig und müssen entsprechend "umgeschuldet" werden.

Branchenkenner erwarten deshalb eine Fusion von Mobilcom mit einem anderen der kleinen UMTS-Lizenznehmer in Deutschland, also E-Plus, O2 (Viag Interkom) oder Quam. Verstärkt werden solche Spekulationen durch öffentliche Äußerungen aus der France-Télécom-Zentrale in Paris, wo es in den letzten Tagen hieß: "Wir sind der Ansicht, dass es zu viele Mobilfunkanbieter in Deutschland gibt." Heißester Kandidat dürfte E-Plus sein, wo Gesellschafter Bell South eben erst seinen 22,5-Prozent-Anteil an die hochverschuldete E-Plus-Mutter KPN zurückgegeben hat. France Télécom könnte sich, so die Annahme, von den an einem solchen Deal zwangsläufig auch interessierten Mobilcom-Gläubiger-Banken quasi ein Filetstück auf dem Silbertablett servieren lassen, bei dem Wachstums- und Ertragsperspektive im gesunden Verhältnis zum finanziellen Risiko stehen.

Ein solches müssten die Franzosen aber angesichts eigener Verbindlichkeiten von mehr als 60 Milliarden Euro zwangsläufig eingehen, wollen sie endlich ihren seit Jahren propagierten großen Markteintritt in Deutschland realisieren. E-Plus beziehungsweise KPN sind in diesem Zusammenhang ein gutes Stichwort, denn bereits Ende 1999 wollte Michel Bon einen 17-Prozent-Anteil am Düsseldorfer Mobilfunk-Provider erwerben, wurde dann jedoch von den Niederländern knallhart ausgebootet. Auch deshalb soll sich Insidern in Paris zufolge der France-Télécom-Chef im März 2000 von Gerhard Schmid über den Tisch ziehen haben lassen. "Er kaufte sich bei Mobilcom mit Nibelungenschwüren ein", zitiert die "Financial Times Deutschland" besagten Anonymus. Wie sollen der reiche französische Eliteschulabsolvent Bon und der Selfmade-Milliardär Schmid nur miteinander klarkommen, fragte man sich damals schon in der deutschen TK-Szene.

Doch ungeachtet dieser "Personalie" lohnt es sich, noch einen kurzen Blick auf Mobilcom zu werfen. Sollte es zu einer Verschmelzung mit einem anderen UMTS-Lizenznehmer kommen, dürfte das nicht nur weitere ungeklärte Fragen in regulatorischer Hinsicht (dann müsste nämlich eine der beiden Lizenzen zurückgegeben werden) nach sich ziehen. Wahrscheinlich droht dann auch eine Zerschlagung des Unternehmens, das mit Deutscher Telekom und Arcor einer der wenigen Vollsortimenter im deutschen TK-Markt ist. Mit 2,59 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2001 brachte die Gerhard-Schmid-Company für die Verhältnisse der hiesigen Wettbewerbslandschaft immerhin einiges Gewicht in die Waagschale.

Und was vielleicht für die deutsche TK-Szene noch bedeutsamer sein könnte: Mit dem umtriebigen Mobilcom-Chef verlieren die Konkurrenten des Ex-Monopolisten Telekom ihren wohl effektivsten Lautsprecher. "Schnelle Spielzüge, eine robuste Mannschaft und ein bisschen Powerplay", so charakterisierte Schmid, der einst als Halbprofi und später als Eishockeytrainer sein Betriebswirtschaftsstudium finanziert hat, selbst bei vielen Gelegenheiten seinen Management-Stil.

Oft schien er jedenfalls dem Wettbewerb meilenweit voraus. Schon beim Autoverleiher Sixt, wo er als Marketing- und Vertriebsvorstand mit flotten Werbesprüchen von sich reden machte; erst recht seit 1991, als er mit der Mobilcom Communications GmbH den seinerzeit kleinsten Wiederverkäufer der Mobilfunknetze D1 und D2 gründete.

Im März 1997 ging Mobilcom als erstes Unternehmen am Neuen Markt an die Börse, die Aktie war mehr als 100fach überzeichnet. Anfang 1998 entdeckte Schmid als einer der ersten Telekom-Wettbewerber die Sprengkraft des Geschäfts mit Call-by-Call-Angeboten im eben erst liberalisierten Markt für Festnetztelefonie und zwang den Platzhirschen Telekom in einen für viele Anbieter ruinösen Preiskampf. Das Wort vom "Telefon-Aldi" machte die Runde, doch Schmid zeigte sich unbeeindruckt. Mobilcom überlebte, ging sogar gestärkt aus dem Kräftemessen mit dem Marktführer hervor.

Mehrmals änderte Schmid in der Folge seine Unternehmensstrategie, baute zwischenzeitlich sogar ein eigenes Backbone, um primär Unternehmenskunden zu bedienen, engagierte sich im Internet-Zugangs- und Dienstegeschäft. Wichtigstes Standbein blieb jedoch der Mobilfunk, der, nachdem auch bei den Norddeutschen die Margen im Festnetzgeschäft immer geringer wurden, die erneute, erfolgreiche Wende bringen sollte. Mit Hilfe des ältesten Geschäftsbereiches soll Mobilcom dank UMTS endlich zu einem der Großen in der deutschen TK-Landschaft avancieren, versprach Schmid zuletzt seinen Aktionären und Mitarbeitern.

Jetzt wird es vermutlich beim Traum bleiben. Der selbsternannte Marathon-Läufer, eines der "großen persönlichen Ziele", die sich der 50-jährige Schmid nebenbei auch noch gesteckt hatte, ist auf halber Strecke ausgestiegen, witzeln einige Branchenkenner. Angesichts von 700 Millionen Euro, die Schmid nun bald zusätzlich auf der hohen Kante haben dürfte, rechnen jedoch nicht wenige damit, dass das Enfant terrible der deutschen TK-Szene in absehbarer Zeit irgendwo wieder auf halber Strecke zusteigen könnte. (gh)

Abb: Die Performance der Mobilcom-Aktie im Jahr 2001

Auch der einstige Highflyer am Neuen Markt musste dem schlechten Börsenumfeld Tribut zollen. Anfang der Woche dümpelte das Mobilcom-Papier bei 13 Euro. Quelle: Mobilcom AG