Der Staat ist nicht der größte Schnüffler

06.06.2008

Sensibilisiert die Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom andere Unternehmnen eigentlich für einen vorsichtigeren Umgang mit Kundendaten? Bisher wurde Datenschutz in der öffentlichen Diskussion implizit immer als der Schutz des Bürgers vor der Datensammelwut des Staates begriffen. Dass Unternehmen aber offenbar die gleiche Leidenschaft für Daten entwickelt haben, ist den meisten noch nicht bewusst. Naiv sammeln sie mit Kundenkarten bei jedem Unternehmen Punkte, lassen bereitwillig ihre Konsum- und Informationsgewohnheiten ausspähen und veröffentlichen ihre privatesten Geheimnisse auf Facebook, StudiVZ oder anderen Social-Networks. Die meisten Bürger machen sich überhaupt keine Gedanken darüber, welche digitalen Spuren sie im Netz hinterlassen. Sie achten weder darauf, was sie öffentlich machen, noch sorgen sie sich darum, welche Daten sie als Konsument über Kredit-, Kundenkarten oder Umfragen von sich preisgeben.

Der Telekom-Skandal trägt hoffentlich nicht nur bei den Kunden der Telekom zu der Einsicht bei, dass ihre persönlichen Daten auch bei "seriösen" Unternehmen keineswegs sicher vor Ausspähung sind. Dabei stellen "Recherchen" wie die der Telekom nur die Spitze des Eisbergs dar. Sich darüber zu entrüsten ist allerdings wohlfeil. Aufsichtsräte und Journalisten sind betroffen, beide Gruppen sind durch besondere Gesetze geschützt. Die Auftraggeber der Telekom und die spitzelnde Detektei haben eindeutig gegen Gesetze verstoßen und werden dafür zur Rechenschaft gezogen. Alles in Ordnung also?

Nein, überhaupt nicht! Abgesehen davon, dass sich inzwischen bei jedem aufmerksamen Beobachter der Verdacht regt, das Verhalten der Telekom sei keine Ausnahme, sondern die Regel unternehmerischen Umgangs mit sensiblen Daten, sollten alle gewarnt sein. Zunehmend betrachten Unternehmen die Daten ihrer Kunden als noch ungehobenen Schatz, der in ihren Datenbanken schlummert. Sie werden immer häufiger gezielt mit Business-Intelligence-Werkzeugen durchforstet, um verwertbare Informationen zum Konsumverhalten herauszufiltern. Sicher, zunächst geht es darum, das Kaufverhalten spezifischer Gruppen und ihre Reaktion auf bestimmte Kaufanreize zu ergründen. Aber wenn beispielsweise die Bewegungsdaten der Kundenkarten mit den persönlichen Daten abgeglichen werden und zu Namen, Adresse, Alter, Geschlecht, Einkommensklasse auch noch die digitalen Spuren erschlossen werden, die Surfer in Foren oder Social-Networks hinterlassen hat, dann ergibt das ein recht klares Bild einer Persönlichkeit, das für die verschiedensten Zwecke missbraucht werden kann: Von politischer Agitation über das Berechnen von Versicherungsrisiken bis hin zur Verweigerung von Krediten.

Wenn nicht heute, werden Kunden schon sehr bald den Wert ihrer persönlichen Daten entdecken. Und dann werden sie nur noch den Unternehmen Informationen anvertrauen, die eine klare und kundenfreundliche Datenschutzpolitik betreiben und keine Ausspähung. Unternehmen sollten darauf vorbereitet sein.

Weitere Meinungsbeiträge und kurze Analysen finden Sie im Blog des Autors unter www.-wittes-welt.eu