Anwenderbericht: Glaskoch, Bad Driburg

Der softe Maßanzug war für die Hardware eine Nummer zu groß

20.01.1978

"Schon ein halbes Jahr nach der Umstellung des Lagerbewirtschaftungssystems mit einem Standardsoftwareprodukt hatten wir die Anpassungs- und Mietkosten für das erste Jahr wieder drin", strahlt EDV/ORG-Chef Hans-Jürgen Zurbrüggen. - Mit gutem Grund: Bei seinem Brötchengeber, dem Glasgroßhändler Glaskoch in Bad Driburg wird seit einem Jahr für die Lagerdisposition das DIS-1-System der Düsseldorfer D60-Systeme eingesetzt, das dem Handelsunternehmen zu einer wesentlich besseren Ausnutzung des Auftragsbestandes verhalf. Daß dennoch keine Euphorie bei den Glashändlern einsetzte, dafür sorgte die installierte Hardware: "Durch dieses System haben wir erst gemerkt, was für eine langsame und teure EDV-Anlage wir im Hause haben", sieht sieh Zurbrüggen jetzt neuen Problemen gegenüber.

Das Großhandelsunternehmen Glaskoch, Bad Driburg, vertreibt überwiegend importierte Glas-, Keramik- und Porzellanprodukte und hat in diesem Marktsegment zirka 10 Prozent Marktanteil. Die EDV-Mannschaft besteht aus zwei Programmierern, einem Operator sowie zwei Datenerfasserinnen. Im Rechenzentrum ist ein IBM-System 3 Modell 12 mit 64 K installiert, an dem ein Tandemplattenlaufwerk 3340 sowie drei Bildschirmstationen hängen. Darauf werden im Bildschirm- und im Stapelverarbeitungsmodus unter anderem die Auftragsverwaltung, die Fakturierung, das Rechnungswesen und die Kostenrechnung, Vertriebs- und Einkaufsstatistiken, die Warenbeschaffungsdisposition sowie die Lagerbewirtschaftung einschließlich Lagerortoptimierung gefahren. Für alle diese Applikationen wurden bis auf das Lagerbewirtschaftungsverfahren RPG2-Programme in Eigenarbeit geschrieben. "Wir haben selbst kein COBOL- und Mathematik-Know-how im Haus, konnten uns auch bei 14 000 Mark Hardwarebudget keinen 6000-Mark-Mann leisten." Die Glaskoch-Optimierer wußten jedoch, daß derart anspruchsvolle Dinge wie Lagerbestandsprognosen in COBOL geschrieben auf dem Markt existieren und begannen deshalb, sich nach Standardsoftware für diesen Bereich umzusehen. Doch weder das prompt von IBM offerierte IMPAC (Zurbrüggen: "Das läuft doch nirgendwo und ist auch nur für 360/ 370 zugeschnitten") noch andere in der Fachpresse ausfindig gemachte Pakete konnten den Glaskoch-Ansprüchen genügen. Erst ein guter Kontakt zu den EDV-Kollegen beim Lebensmittelgroßhändler SPAR in Bad Hersfeld brachte den entscheidenden Hinweis auf das Lagerbewirtschaftungssystem DIS 1 der Düsseldorfer DbO-Systeme. "Wir stellten fest, daß dieses Paket gar nicht schlecht für uns wäre. Da uns auch der Preis von 450 Mark Monatsmiete bei 54-Monats-Vertrag vernünftig erschien, haben wir mal jemanden von DbO kommen lassen" erinnert sich Zurbrüggen. Ein weiteres Argument für dieses System sahen die Bad Driburger in der Tatsache, daß die Software bei SPAR "ihr Geld bereits wieder eingespielt hatte". So griffen auch die Glashändler zu und setzten das Programmpaket erstmals im April 1977 ein.

Das DbO-System enthält ein Verwaltungsprogramm für Dispositionsstammsätze und Dispositionsfortschreibung. Dazu ein Modul für die Wochendisposition, dazu ein Dispositionsvorschlagsprogramm, das wöchentliche Bestellvorschläge entwickelt sowie eine sogenannte "große Prognosefortschreibung", die anhand einer Bewegungsmatrix der vergangenen 25 Jahre für jeden Arbeitstag die einzelnen Bewegungen mit Koeffizienten linear fortschreibt. Dieses COBOL-Paket wurde von Glaskoch noch mit diversen RPG-2-Programmen aufgemotzt, so daß ein komplettes Großhandels-Lagerbewirtschaftungssystem entstand. "Das Gesamtpaket, das wöchentlich einmal bei uns abläuft und dabei mehrere tausend Artikel disponiert, besteht aus insgesamt vier Programmen und 15 Steps. Darin werden die Dispositionssätze in der Stammdatei fortgeschrieben, die Wochenbewegungen verarbeitet und daraus resultierend Bestellvorschläge entwickelt", lobt Zurbrüggen die Details des Maßanzugs. So führen die DbO-Programme die Nachfrageprognose nach Analyse von 18 Einflußfaktoren durch (sogenannte "adaptive Einflußgrößenkombination"). Diese Methode senkt, - bestätigt Zurbrüggen - "im Vergleich zu anderen marktüblichen Verfahren den effektiven Prognosefehler um zirka 50 Prozent".

Die Aufwendungen für dieses Lagerbewirtschaftungsverfahren haben sich bei Glaskoch binnen kurzem amortisiert: "Nachdem die ersten maschinellen Vorschläge im Juni 1977 gegriffen haben, waren die Anpassungs- und Mietkosten des ersten Jahres (24 925 Mark Anpassung, 6000 Mark für das Erstkonzept sowie zwölf Monatsmieten a 450 Mark) schon nach sechs Monaten wieder drin", rechnet Zurbrüggen stolz vor. Zwar sei der Lagerbestand auch seither proportional zum Umsatz gestiegen ("Da sind wir im Moment noch am Drehen"), aber die Lieferbereitschaft konnte um 3,85 Prozent gesteigert werden. "Das bedeutete in unserem Fall konkret, daß hier aus dem sowieso vorhandenen Auftragsbestand 1,3 Millionen Mark mehr herausgeholt haben", kalkuliert i der Glaskoch-EDV-Primus. Weniger frohgemut sieht Zurbrüggen die Schwachstellen im Rechenzentrum, die bei der Einführung des Lagerbewirtschaftungssystems ans Tageslicht kam: "Vier Stunden Laufzeit für dieses Paket sind nicht gerade ein Kompliment für IBM. Wir haben durch dieses System festgestellt, daß wir eine sehr teure und sehr langsame Anlage haben", kritisiert Zurbrüggen Preis und Leistung seines IBM-Systems. Er hat aus dieser Erkenntnis bereits Konsequenzen gezogen: "Benchmarks haben ergeben, daß auf Univac oder Siemens-Anlagen nur zirka 35 Minuten für die gleiche Applikation benötigt werden. Daher schließen wir einen Herstellerwechsel nicht aus Das Kapitel IBM als ausschließlicher Lieferant von EDV-Know-how und Hardware ist bei uns gelaufen."