Der Siegellack ist ab

27.02.1987

Nun ist der "GAU für gütegesiegelte Software eingetreten - von den Kritikern der Qualitätswapperl schon oft herbeigewünscht, von seinen Befürwortern bislang als schlichtweg unmöglich unter den Teppich gekehrt. Auch das "Mea culpa" der Verantwortlichen, die ihren Fauxpas als Verkettung unglücklicher Umstände zu verharmlosen suchen, ändert nichts an der Tatsache - es wurde geschummelt.

Gleichwohl ist den Initiatoren vom rechtlichen Standpunkt im nachhinein kaum mehr beizukommen. Zwar wäre im Fall Sibware und Zenith eventuell eine arglistige Täuschung nach ° 123 BGB nachzuweisen, aber der Gesetzestext bei Treu und Glauben (° 242 BGB) - der juristische Weichmacher, wie er in Fachkreisen genannt wird - bügelt unter der Voraussetzung, daß dem Kunden kein wirklicher Schaden entstanden ist die Sache in etwa wieder gerade. Denn die beim Kauf zugesicherten Eigenschaften der Software wurden ja vom TÜV im nachhinein testiert. Werden jetzt noch die Updates kostenlos geliefert, ist die Geschichte sowohl für die Konkurrenz als auch für den Kunden gegessen.

Was bleibt, ist die erschreckende Sorglosigkeit der Verantwortlichen, mit der das TÜV-Emblem im Schnellschuß vermarktet wurde. Erschreckend auch das Verhalten der betroffenen PC-Händler, die in der Vorfreude klingender Registrierkassen ihre natürliche Skepsis unterdrückten und - kopflos wie die Lemminge - das Versprechen ihrer Lieferanten ungeprüft an die Kundschaft weitergaben.

Den Anwendern, die sich als DV-Laien auf die TÜV-Plakette verlassen hatten, dürfte indes eines klar geworden sein: Der Siegellack ist vorerst ab.