Der Schulungsmarkt reagiert auf die veränderte IT-Berufswelt

Der Schulungsmarkt reagiert auf die veränderte IT-Berufswelt Standardseminare reichen nicht aus, um Soft Skills zu trainieren

22.01.1999
Von Franz Fuchs Neue Organisationsstrukturen erfordern neue Vorgehensweisen beim IT-Training. Der klassische Frontalunterricht verliert an Bedeutung und wird durch flexible und zielgruppengerechte Schulungen sowie Coaching vor Ort ersetzt.

Wenn innovative Technologien den Wettbewerb anheizen und erfolgversprechende Märkte eröffnen, muß nicht nur die Unternehmensorganisation entsprechend darauf ausgerichtet werden. Auch Schulungs- und Trainingsmethoden ändern sich. Fakt ist, daß der IT-Trainingsmarkt in Bewegung geraten ist.

So sucht die Europäische Kommission Schulungsexperten für Software und Multimedia, um Zentren für Informationstechnologie einrichten zu können. In rund 20 Tagen bildet das Leinfeldener Ingenieurbüro Letters Programmierer zum selbständigen Arbeiten in der Objektorientierung aus. International gute berufliche Perspektiven verspricht die Ditec Informationstechnologie GmbH Arbeitslosen oder Studienabbrechern mit DV-Kenntnissen. Für rund 15000 Mark kann man sich beim Münchner Software- und Beratungsspezialisten in einem halbjährigen Kurs zum Microsoft Certified Systems Engineer (MCSE) ausbilden lassen.

Moderation und Coaching sind gefragt

Moderne Schulung ist aber nicht nur wegen des offensichtlichen Mangels an Fachkräften dringend geboten. Neue Geschäftsprozesse, Organisationsstrukturen, Märkte und Technologien stellen auch andere Anforderungen an Mitarbeiter. Wer unter einem steigenden Wettbewerbsdruck kostensenkend produzieren will, muß umdenken. "Der Mitarbeiter ist der entscheidende Wettbewerbsfaktor", sagt Eva Maria Höllers-Cladders. Die Direktorin der Zentralabteilung Weiterbildung und Führungskräfteentwicklung der Robert Bosch GmbH in Stuttgart fordert deshalb die Kompetenzentwicklung in der Moderation von Projekten oder in Coaching-Gesprächen.

"Wer im Wettbewerb die Nase vorne haben will, muß frühzeitig auf neue Trends reagieren oder diese gar beeinflußen können", umschreibt Peter Siwon vom Münchner Schulungsanbieter Microconsult die Herausforderungen an eine zeitgemäße Schulung. Leichter gesagt als getan. Denn gleichzeitig verändern sich die Formen der Zusammenarbeit in und zwischen Unternehmen. An die Stelle festgefügter, jahrelang gewohnter Organisationsstrukturen treten ad hoc gebildete Teams, in denen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Firmen oder Ländern kurzfristig zusammenfinden, um projektorientiert definierte Aufgaben zu lösen.

Konflikte im Team mit Kreativität lösen

Damit sind Konflikte programmiert: Verschiedene Arbeitsweisen, Wissensstände, Mentalitäten und Kulturen prallen aufeinander. Bei Mitarbeitern, die Neuland betreten, herrschen Skepsis und Unsicherheit, denn oft sind Aufgaben und Ziele noch schwer faßbar. Rigide Zeit- und Budgetplanungen verbreiten Unbehagen und neue Programmiertechniken und Hardware-Architekturen führen zu Verunsicherungen. Kurzum: Menschen, die sich nicht kennen, sollen mit unterschiedlichsten Voraussetzungen in möglichst kurzer Zeit Anforderungen er- füllen - mit Mitteln, die sie gar nicht kennen. Hier gewinnen Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit und Kreativität große Bedeutung.

"Mit Standardseminaren funktioniert das nicht mehr", sagt Sabine Schulze von Siemens Qualifizierung und Training (SQT). Das Thema Customizing stehe ganz weit oben, weiß die Schulungsfrau. "Für ein Unternehmen rentieren sich Seminare nur, wenn es seine Aufgabenstellungen gegenüber den Kunden durch die Schulung wesentlich effektiver lösen kann." Ein Training müsse sich immer in Form von Zeit- oder Geldgewinn auszahlen. Moderne und unternehmensgerechte Weiterbildung bedeute daher nicht, Wissen zu reproduzieren, sondern "gemeinsam Inhalte zu erarbeiten und kreativ damit umzugehen".

Auf den optimalen Schulungsplan komme es an, meint Uta Unger, Schulungsexpertin beim Softwarehaus Ixos, und nicht darauf, "den Unternehmen irgendwelche Trainings aufzuschwatzen". Ihrer Erfahrung nach wollen die Kunden zunächst eine seriöse Beratung, die sich mit ihren Problemen beschäftigt, um anschließend ein maßgeschneidertes Training aufzubauen. Dafür seien Kunden wie SAP, Oracle, Softlab, Hoechst oder Mercedes-Benz auch bereit, relativ viel Geld auszugeben.

Bei Ixos, das über 50 verschiedene Trainings anbietet (unter anderem SAP-R/3-Basistraining, Workflow, Themen zur Software- Entwicklung, Unix) liegen die Preise hoch. Für fünf Tage müssen zwischen dreieinhalb und viertausend Mark pro Person hingeblättert werden. Gutes Training ist also teuer, letztlich aber offenbar doch die effektivste Lösung.

Es wäre übertrieben zu behaupten, daß der Markt für Schulungen boomt. Nach einer Prognose des Marktforschungsunternehmens Meta Group werden in diesem Jahr - ausgehend von einem bereits seit Jahren anhaltenden jährlichen Wachstum von rund drei Prozent - annähernd zwei Milliarden Mark in den deutschen IT-Markt investiert. Nach einer weltweiten Studie der Kienbaum Management Consultants GmbH haben deutsche Unternehmen branchenunabhängig in diesem Jahr insgesamt rund 13,41 (im Vorjahr 13,18) Milliarden Dollar für Training ausgegeben. Laut Kienbaum sollen die gesamten Schulungsinvestitionen in Deutschland 1999 auf rund 13,64 Milliarden Dollar und bis zum Jahr 2000 auf rund 13,87 Milliarden Dollar steigen.

Trotzdem sind Experten optimistisch und glauben, daß der IT-Markt einen verhältnismäßig hohen Anteil an den Gesamtinvestitionen im Schulungsmarkt haben wird. Allerdings nur, wenn die Trainings auf die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sind.

Microconsult ist spezialisiert auf Entwicklerkurse. Dafür sind neben dem technologischen Know-how vor allem auch die Organisation und Infrastruktur für solche Schulungen notwendig. Angenommen, ein Unternehmen plant ein neues Vorhaben, wo projektorientierte Methoden zum Einsatz kommen sollen: "Zunächst versuchen wir zu verstehen, welche Ziele erreicht werden sollen", sagt Siwon. Erst dann "schauen wir uns an, wer in dem Team derzeit ist, und welche Voraussetzungen diese Leute mitbringen".

Um das Projekt richtig abschätzen und umsetzen zu können, müsse man die Differenz sehen zwischen dem, was an Wissen vorhanden und was notwendig sei. "Für uns ist es wichtig", so Siwon, "daß wir am Anfang den Leuten helfen, die richtige Methode einzusetzen, um dann ihre Arbeit erfolgreich abzuschließen." Von früheren Vermittlungsformen müssen man sich dabei trennen. "Unsere Aufgabe ist es nicht zu unterrichten, sondern möglichst effektiv Wissen, Erfahrung und Motivation rüberzubringen."

Für die Trainer bei Microconsult ist es wichtig, daß die Kunden schon vor der Schulung erkennen, ob das Know-how, das sie haben wollen, auch für ihr Projekt den erwünschten Nutzen bringt. Erst wenn das geklärt ist, ist nicht nur der Lern-, sondern auch der Projekterfolg abgesichert. "Wir wollen Kreativitätsverstärker sein", sagt Siwon.

Die Bandbreite der Themen, die Microconsult eigenen Angaben nach abdecken kann, reicht von Mikrocontroller- und Mikroprozessor- Architekturen, Halbleitertechnik, Netzwerken und Kommunikation, ISDN und Telekommunikation über das gesamte Spektrum der Programmiersprachen, Echtzeitprogrammierung, Unix, Windows bis hin zu Internet-Technologien.

"Die Nachfrage ist besonders im technischen und im gesamten betriebswirtschaftlichen Umfeld hoch", sagt Sabine Schulze von SQT. Für die Ixos-Trainingsspezialistin Uta Unger sind "Technical Consultants ein Thema, das die nächsten Jahre boomt". Wichtig seien auch Trainings zum MCT (Microsoft Certified Professionell) sowie zur Software-Entwicklung, nicht zuletzt wegen der 64-Bit- Architektur von Unix.

Franz Fuchs ist freier Journalist in Augsburg.