Der RoI sagt nur die halbe Wahrheit

08.12.2005
Von Johannes  Lorenz

Weder in der RoI- noch in der PBP-Methode ist per definitionem festgelegt, welche Einzelpositionen unter Gewinn, Kosten oder Casflow zu subsummieren sind. Folglich ergeben sich für die Einstellung des Modells große Freiheiten. Wurden tatsächlich alle Kosten erfasst? Sind Nebeneffekte in anderen Unternehmensbereichen zu erwarten? Entstehen Anpassungs- oder Schulungsaufwände? Um diese Fragen beantworten zu können, ist es wichtig, die getroffenen Annahmen und Randbedingungen sowie das zugrundeliegende Modell bei den RoI-Analysen offenzulegen.

Gern behilft man sich an dieser Stelle mit dem Modell der Total Cost of Ownership (TCO), impliziert doch das Wort "total" eine gesamtheitliche Betrachtung. Tatsächlich erfasst TCO - sofern kein modifiziertes Framework verwendet wird - aber lediglich die direkten Kosten wie den Kaufpreis und die indirekten Kosten wie Wartung, Betrieb etc. In der Investitionspraxis sind aber zwei weitere Kostenarten relevant: die Switching Costs und die Opportunity Costs.

Die Switching Costs

Der Breakeven ist nur ein Zwischenstand
Der Breakeven ist nur ein Zwischenstand

Switching Costs entstehen dadurch, dass entweder heute eine existierende technische Plattform ersetzt wird oder morgen Folgekosten aus einer vorhandenen Technologie erwachsen. Die Hersteller versuchen oft, die künftigen Switching Costs so hoch wie möglich zu treiben, um den Anwender an sich zu binden und ihn von Wettbewerbern fernzuhalten. Es kann nicht schaden, diesen Faktor im Auge zu behalten. Wie Carl Shapiro und Hal Varian in ihrem Buch "Information Rules" schrieben, kann niemand "in der Informationswirtschaft am Wettbewerb teilnehmen, wenn er es nicht versteht, die Switching Costs zu identifiziren, zu messen und zu durchdringen sowie seine Strategie darauf auszurichten."

Die Opportunity Costs

Die von der IT geforderte Anpassungfähigkeit an wechselnde Randbedingungen setzt voraus, dass es Optionen gibt, die sich auch ausüben lassen - möglichst zu tragbaren Kosten. Beim Vergleich von Investments sollte dieser Aspekt Berücksichtigung finden. Eröffnet die vorgeschlagene Technologie Optionen? Limitiert sie sie, oder sperrt sie aus?

Ein Beispiel soll die wachsende Bedeutung der Opportunity Costs verdeutlichen: Um eine Summe von einer Million Euro konkurrieren auf der einen Seite ein Großprojekt, auf der anderen mehrere Klein- und Mittelprojekte. Das Großvorhaben schöpft den gesamten Budgetrahmen aus, so dass keines der anderen Projekte umgesetzt werden kann. Entscheidet sich das Unternehmen für das eine Projekt, so entgehen ihm "Opportunities".

Anders ausgedrückt: Der Nutzen, den das Unternehmen aus den anderen Projekten hätte ziehen können, bleibt aus. Unter dem Strich entstehen damit Kosten. Und diesen Kostenblock hat die Analyse einzubeziehen - als negative Cashflows im Jahr ihres Auftretens.

Der Analyst muss sein Modell so gestalten, dass es möglichst nah an die Realität herankommt. Die Qualität der Analyse steht und fällt mit den Annahmen, die dem Modell zugrunde liegen. Die gemeinsame Betrachtung von Total Cost of Ownership und Switching- sowie Opportunity-Costs liefert also ein stimmigeres Bild der Kostensituation als das reine TCO-Modell.