Der richtige Ausbildungs-Mix

21.07.1978

Die Klage von Personal- und EDV-Leitern darüber, daß über Stellenanzeigen trotz der hohen Arbeitslosenzahl keine qualifizierten EDV-Fachkräfte gewonnen werden können, führt dazu, daß sich die Unternehmungen wieder verstärkt den Möglichkeiten und Problemen der betrieblichen Aus- und Fortbildung zuwenden. Hinzu kommt, daß auch langfristig ein Mangel an hochqualifizierten EDV-Fachkräften, die gleichzeitig über die nötigen Kenntnisse aus speziellen Anwendungsgebieten verfügen, besteht, der von den verschiedenen Bildungsinstituten in den nächsten Jahren nicht behoben werden kann.

Die Diskussion darüber, ob Aus- und Weiterbildung betriebsintern oder extern durchgeführt werden sollte, ist nicht neu. Sie kann letztlich auch zu keinem anderen Ergebnis führen, als daß eine sinnvolle Kombination beider Möglichkeiten anzustreben ist. Wohl aber gibt es bekannte Anhaltspunkte für die Unternehmungen, die aufgrund der Weiterentwicklung der Technik, der strukturellen Veränderungen des Ausbildungsbedarfs und neuerer Erkenntnisse der Andragogik überdacht, ergänzt oder auch nur neu in Erinnerung gerufen werden sollten. Wichtig erscheint zunächst die Unterscheidung zwischen Information, Ausbildung, Fortbildung und Beratung. Bei der Ausbildung handelt es sich im Grunde um eine Aufgabe der öffentlichen oder privaten Bildungsinstitutionen, wobei die betrieblichen Aktivitäten auf diesem Gebiet nur eine Ergänzungsfunktion haben. Im Bereich der Fortbildung oder Weiterbildung bestehen eher echte Alternativen zwischen internen und externen Ausbildungsaktivitäten, weil in diesen Fällen auch Unternehmungen kleinerer Größenordnung entsprechende Programme entwickeln können.

Die Qualität von Ausbildungsmaßnahmen wird wesentlich bestimmt durch den angebotenen Stoff, die verwendeten Medien, die eingesetzten Dozenten und die bereitgestellte Dokumentation. Dieses sind Kriterien, an denen sowohl interne als auch externe Ausbildungsmöglichkeiten gemessen werden müssen. Für kleinere Unternehmungen ist es - auf sich allein gestellt - einfach nicht möglich kurzfristig ein nach diesen Gesichtspunkten mit externen Institutionen vergleichbares Ausbildungsangebot zu entwickeln. Es erscheint auch überflüssig in den Fällen, wo eindeutig der Markt das erforderliche Angebot liefert, und wo Umfang und Dauer einer Ausbildungs- oder Weiterbildungsmaßnahme sowie die Anzahl des innerbetrieblichen Teilnehmerkreises bereits ohne genaue Berechnung eigene Aktivitäten unwirtschaftlich erscheinen lassen.

Als Entscheidungshilfe ist zunächst zu empfehlen, eine Bestandsaufnahme sowohl des kurz-, mittel- und längerfristigen Aus- und Fortbildungsbedarfs vorzunehmen und gleichzeitig zu ermitteln, inwieweit innerbetrieblich entsprechend qualifizierte Dozenten, Ausbildungseinrichtungen sowie die organisatorischen Voraussetzungen für die Planung, Durchsetzung und Koordinierung von Ausbildungsmaßnahmen geschaffen werden können. Erst nach gründlicher Analyse, die sinnvollerweise mit einem Ausbildungsberater vorgenommen werden sollte kann deutlich werden, ob überhaupt eigene Ausbildungsaktivitäten in Frage kommen. Wählen Unternehmungen auf Dauer die Vorteile einer internen Ausbildung, wie etwa die Arbeitsplatz- und Praxisnähe sowie die Möglichkeit, die Erfahrungen des Führungspotentials für Aus- und Weiterbildungsaktivitäten auszuschöpfen und eine unmittelbare Umsetzung von Ausbildungsmaßnahmen in die Anwendung im Betrieb ohne Rücksicht auf externe Kursustermine zu erreichen, so kann langfristig durch die Einrichtung einer Koordinierungsstelle auf Teilgebieten eine betriebsinterne Schulung organisiert werden. Dabei ist zu bedenken, daß Ausbildungsmaßnahmen erst längerfristig wirksam werden und sich vielfach einer isolierten Erfolgskontrolle entziehen.

Aber auch für Unternehmungen, bei denen die Ressourcen für den Aufbau eines eigenen Ausbildungsprogramms und für die Durchführung eigenen Ausbildungsaktivitäten vorhanden und bereits in Teilbereichen realisiert sind, wird es sich empfehlen, für kurzfristige Ausbildungsmaßnahmen - insbesondere zu aktuellen und speziellen Themenstellungen - für die die Teilnehmerzahl innerbetrieblich zu gering ist und der Aufwand für die Erstellung einer Dokumentation wegen der schnellen Veralterung des Stoffgebietes zu aufwendig ist auf externe Ausbildungsmöglichkeiten zurückzugreifen.

Unter externer Ausbildung wird vielfach der Besuch von externen Seminaren verstanden. Bei diesen Veranstaltungen ist es in der Regel nicht möglich, den angebotenen Stoff auf die speziellen Problemstellungen und betrieblichen Besonderheiten der Teilnehmer zuzuschneiden. Andererseits profitiert der Teilnehmer aus der Unternehmung von den Möglichkeiten des außerbetrieblichen Erfahrungsaustausches, der für die Unternehmung neue Impulse bringen kann und die Gefahr von Betriebsblindheit weitgehend beseitigt. Wenn man von diesen keineswegs zu unterschätzenden Vorteilen absieht, so ist erstaunlich, daß nicht in größerem Umfang von der Möglichkeit des Einsatzes externer Dozenten bei innerbetrieblichen Seminarveranstaltungen Gebrauch gemacht wird. Auf diese Weise würden Vorteile, die externe Dozenten aufgrund ihrer Kenntnis vielfältiger betrieblicher Problemstellungen und ihrer didaktischen Erfahrungen in den Betrieb einbringen können, genutzt, wobei gleichzeitig interne Führungskräfte bei diesen Veranstaltungen den Ausbildungsstoff aufgrund ihrer betriebsspezifischen Erfahrungen ergänzen können. Diese Vorgehensweise erfordert zweifellos ein Umdenken und ein wesentlich höheres Maß an organisatorischer und fachlicher Vorbereitung für eine innerbetriebliche Seminarveranstaltung. Vor allem ist anzumerken, daß eigentlich die Zeit des Dozenten als Einzelkämpfer vorbei ist, da das erforderliche Wissen und Verhalten den Teilnehmern realistischer arbeitsteilig durch ein Dozententeam vermittelt werden kann, das sinnvollerweise durch einen externen Dozenten in Verbindung mit einer internen Führungskraft gebildet wird. Ein solches Dozententeam wird überzeugender, praxisnäher und lebendiger den Lehrstoff an die Teilnehmer nachhaltig vermitteln können und wird wohl nur deshalb nicht oder selten eingesetzt, da ein Dozent immer noch als der Experte vorgestellt wird, der in der Lage ist, allen Fragen der Seminarteilnehmer allein standzuhalten.

Dozententeams, die gemeinsam für eine bestimmte Lehreinheit verantwortlich zeichnen, lassen sich im übrigen auch auf der Ebene der überbetrieblichen Ausbildungsinstitutionen in dieser Form etablieren. In dieser Maßnahme, der Zusammenführung von externen Spezialisten und interner Führungskraft im Rahmen betrieblicher Ausbildungsmaßnahmen, liegt eine Chance verborgen, die in der Diskussion um inner- oder außerbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen die Verantwortlichen in den Unternehmungen einen Schritt weiterführen könnte.

BIFOA - Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln