Compaq stellt MS-DOS-Maschine mit 32-Bit-Prozessor von Intel vor:

Der PC mausert sich zur Workstation

12.09.1986

MÜNCHEN - Den AT-kompatiblen Deskpro 386 mit Intels neuem CPU-Chip 80386 hat Compaq jetzt offiziell angekündigt. Die Rechenleistung beziffert der Hersteller auf 4 Mips, auf die Festplatte passen 40 oder 130 Megabyte. Preis für den Neuling je nach Ausbau: 15 000 bis 26 000 Mark.

Die Maschine ist aufgrund der Prozessorstruktur weitgehend softwarekompatibel zu bestehenden MS-DOS-Programmen. Da die Taktfrequenz mit 16 Megahertz deutlich höher liegt als bei bisher marktüblichen ATs, steigt die Verarbeitungsgeschwindigkeit entsprechend an. Wird die Software allerdings mittels eines passenden Compilers der 32-Bit-Architektur angepaßt, so sind noch einmal Geschwindigkeitsgewinne etwa um den Faktor zehn zu erwarten, teilt Compaq mit. Damit könnte der Deskpro 386 Minicomputerleistung im AT-Gehäuse erreichen.

Der 32-Bit-Prozessor greift standesgemäß über einen ebenso breiten Datenbus auf den Arbeitsspeicher zu, der aus schnellen statischen 1-Megabit-Chips aufgebaut ist. Die Grundausstattung beläuft sich auf 1 MB, davon stehen 640 KB für Standard-Anwenderprogramme zur Verfügung. Dazu ist die Funktionalität eines Intel-Above-Boards mit weiteren 256 KB funktional integriert; der Rest ist als RAM-Disk organisiert. Mit dem Lotus/Intel/Microsoft-Standard adressiert die Maschine bis zu acht MB, auf die Mutterplatine passen zehn MB Speicher. Insgesamt beträgt die Adressierungskapazität 14 MB.

Gegenwärtig stehen laut Compaq zwei Festplatten-Versionen zur Verfügung. Die 40-MB-Platte greift im Mittel in 25 Millisekunden auf ihre Daten zu; bei der 130-MB-Version sind es nur 18 Millisekunden. Ein Streamer-Tape zur Datensicherung ist ebenfalls eingebaut; die Kassette speichert bis zu 40 MB bei einer Übertragungsrate von einem MB pro Minute - der doppelten Geschwindigkeit bisheriger Compaq-Maschinen. Grundsätzlich stehen zwei Tastaturen ohne Kostenunterschied zur Auswahl, nämlich die

M-AT-Tastatur oder das Compaq-Enhanced-Keyboard.

Als Betriebssystem werden vorläufig MS-DOS 3.1 und Xenix V/286 zum Einsatz kommen. Ersteres ermöglicht keinen Multitasking-Betrieb, erlaubt aber dafür den Einsatz des breitesten Softwarespektrums am Markt. Darin sieht Compaq auch den Vorteil gegenüber eingeführten Workstation-Herstellern, denn der Deskpro 386 liefert laut Compaq beides - die Leistung einer 32-Bit-Workstation und die Einbindung in die MS-DOS-Welt.

Als Zielgruppe stellt Compaq sich Power-User vor, die zum Beispiel große Spreadsheets und Datenbanken zu bearbeiten haben und dafür nicht nur eines großen Speichers, sondern auch der entsprechenden Rechenleistung bedürfen. Außerdem peilt der Hersteller mit seinem neuen Computer den Markt für Abteilungsrechner an. Auch den Herstellern von 32-Bit-Workstations weht Jetzt ein kalter Wind ins Gesicht, werden die Vorstellungen des Neulings im 32-Bit-Geschäft Realität, vor allem wegen des Preises. Dazu ist allerdings die Nachrüstung mit gegenwärtig noch nicht existierenden Hochleistungs-Grafik-Controllern und entsprechenden Monitoren erforderlich.

Trotzdem gibt Compaq sich sehr zuversichtlich: Bereits im letzten Quartal dieses Jahres will das Unternehmen in Deutschland "eine vierstellige Anzahl" von verkauften Geräten erreichen, und für das kommende Jahr sind rasante Steigerungsraten eingeplant.

Erste Stimmen von Mitbewerbern wurden mittlerweile auch schon laut. Clearance Jones zum Beispiel, Product-Manager bei Telex Computer Products, teilte mit, daß auch in seinem Unternehmen an einem ähnlichen Projekt gearbeitet wird. Allerdings will Telex warten, bis Big Blue hier Signale setzt. Die vorsichtige Haltung des Wettbewerbs bringt er zum Ausdruck, wenn er erklärt: "Ich halte das IBM-Marketing für sehr clever. Wir vermuten, daß IBM etwas ausbrütet. Dann geht der ganze Zirkus von neuem los, womöglich mit einem anderem Standard."