Christian Keller, IBM

Der Outsourcing-Markt ist keineswegs gesättigt

11.11.2014
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Outsourcing, Hosting, Application Management und Cloud Computing - über die Vielfalt im IT-Sourcing und die damit verbundenen Herausforderungen sprach die COMPUTERWOCHE mit Christian Keller, Geschäftsführer der IBM Deutschland GmbH für den Bereich Global Technology Services (GTS).

CW: Das IT-Sourcing-Angebot ist heute groß wie nie, es reicht vom klassischen Outsourcing und Application-Management bis hin zu IaaS, SaaS und anderen und Cloud-Diensten. Mit welchen Kundenwünschen sieht sich die IBM in Deutschland hauptsächlich konfrontiert?

Keller: Das ist ein Potpourri aus allen möglichen Anforderungen. Es gibt Kunden, die mit klaren Vorstellungen auf uns zukommen. Einige haben interne IT-Organisationen, die bereits sehr gute IT-Services liefern, die aber eine höhere Flexibilität benötigen oder auch neue Geschäftsmodelle etablieren wollen, die sich nur schwerlich in den laufenden Betrieb integrieren lassen. In diesen Fällen geht es darum, dass wir die bestehende Art und Weise, wie die Unternehmen ihre IT beziehen, gemeinsam neu gestalten.

Manchmal dreht sich auch alles um technische Fragen, wenn Kunden etwa virtualisieren wollen oder ihre Verfügbarkeit verbessern möchten. Andere wiederum kommen mit klaren Sparzielen auf uns zu. Sie wollen von uns Vorschläge hören, wie man intelligent Kosten reduzieren kann, indem man den IT-Betrieb um Leistungen eines externen Partners ergänzt. Hier geht es meistens um Skaleneffekte. Außerdem gibt es viele Anwender, die Probleme haben, gut ausgebildete Arbeitskräfte zu rekrutieren, die sie für ihre IT-Projekte benötigen, und aus diesem Grund zu uns kommen.

Für uns geht es immer darum, zusammen mit dem Kunden zu definieren, wo der Schuh drückt und welche Ursachen dahinter stehen. Auf Basis dieser Analyse können wir gemeinsam entscheiden, welche Art des Sourcing sinnvoll ist.

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Christian Keller

Dr. Christian Keller ist seit August 2014 Geschäftsführer der IBM Deutschland GmbH und verantwortet in dieser Rolle den Bereich IBM Global Technology Services (GTS) in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zuvor war er Vorsitzender der Geschäftsleitung der IBM Schweiz AG.

Keller ist seit 1995 bei IBM in verschiedene Management-Positionen beschäftigt. Zwischen 1992 und 1995 war er als Projektleiter in einer Unternehmensberatung tätig. Er ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften der Universität St. Gallen (HSG).

CW: Welche Dienste werden zurzeit besonders nachgefragt, also wo gibt es aus IBM-Sicht Wachstum? Insgesamt schrumpfen die IT-Budgets- zumindest was die Ausgaben für den IT-Betrieb betrifft.

Keller: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Zwischen dem klassischen Outsourcing und dem Überführen von IT-Leistungen in die Cloud, um einmal zwei Pole im IT-Betrieb zu nennen, verwischen die Grenzen. Durch den Einsatz von Cloud-Technologien lässt sich die IT-Dienstleistung flexibilisieren und günstiger betreiben. Die genaue Ausgestaltung hängt von diversen Faktoren ab, ob etwa der Kunde bislang alles in Eigenregie betrieben hat, ob die IT schon effizient genug ist und ob schnelle, flexiblere oder neue Lösungen gefragt sind.

Ist etwa eine bereits ausgelagerte IT sehr effizient aufgestellt, kann man durch Skaleneffekte noch weitere Einsparungen realisieren. Insgesamt gibt es auch im deutschen Outsourcing-Markt noch viele Geschäftsmöglichkeiten. Der Markt ist noch lange nicht gesättigt, im Gegenteil, wir spüren eine deutlich stärkere Nachfrage nach flexiblen Sourcing-Modellen, da auch das Geschäft vieler unserer Kunden volatiler geworden ist.

CW: Sehen Sie vor allem im Mittelstand Potenzial?

Keller: Sowohl im Mittelstand, als auch in Großunternehmen. Export-orientierte Mittelständler haben schon sehr viel früher angefangen, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen, als Unternehmen, die vor allem im Heimatmarkt aktiv sind. Das gilt aber auch für die Großen. Wir sehen in beiden Marktsegmenten noch Potenzial.

Mit Beratung aus der abwärts gerichteten Preisspirale

CW: Ein Blick in den Markt für Betriebsdienste der vergangenen Jahre zeigt einen erheblichen Preisdruck in Folge von Global-Delivery-Modellen. Wie reagieren Sie auf die Stärke indischer Provider?

Keller: Wir haben selbst große Offshore-Delivery-Center in Indien und anderen Ländern. Insbesondere in Zeiten, in denen der Datenschutz eine wichtige Rolle spielt, verlangen viele Kunden Betreuung in lokaler Sprache und Datenhaltung im Inland. Wir bieten Lokalität und können dennoch die Anforderungen globaler Unternehmen nach internationaler Präsenz erfüllen.

Wir setzen uns von den Wettbewerbern auch dadurch ab, dass wir Kunden nicht nur IT-Dienstleistungen anbieten können, sondern ganzheitliche Lösungen inklusive Beratung, Software, Hardware und Betrieb. Nehmen Sie das Beispiel IT-Automatisierung: Wie man einen komplexen IT-Betrieb automatisiert, hat viel mit Business Analytics zu tun. Damit lassen sich zum Beispiel wiederkehrende Muster erkennen, so dass wir Kunden ergänzende Dienste anbieten können.

CW: Gibt es bestimmte IT-Segmente, die sich nicht für eine Verlagerung in die Cloud eignen, etwa weil dem regulatorische Hindernisse entgegenstehen?

Keller: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Cloud-Angebote alle Branchen und IT-Segmente durchziehen werden. Entscheidend ist die Ausgestaltung im Einzelnen. Es ist ein Unterschied, ob etwa die öffentliche Hand Projekte startet, oder die Privatwirtschaft, wenngleich es auch dort, etwa im Versicherungs- und Bankenwesen regulatorische Auflagen gibt. Manche IT-Dienste verlangen hohe Sicherheits-standards und on-Premise-Installationen.

Cloud und IT-Betrieb werden hybrid

Wir werden nie eine reine lokale IT-Welt im Eigenbetrieb oder im Outsourcing erleben, sondern zunehmend hybride Sourcing-modelle: Public, Private und hybride Clouds, on-premise und off-premise-Systeme in Mischformen. Jedes Servicemodell bedient unter-schiedliche Anforderungen an Sicherheit, Skalierbarkeit und Flexibilität. Die Cloud-Technologie wird nicht vor bestimmten Kundensegmenten halt machen, es kommt nur auf die Ausgestaltung an.

CW: Gibt es Entwicklungen über das Coud-Thema hinaus, die sich im IT-Betriebsgeschäft als kommender Trend herauskristallisieren?

Keller: Sicher ist, dass wir heute noch nicht abschätzen können, welche Auswirkungen die mit großer Geschwindigkeit auf uns zurollende Big-Data- und Analytics-Welle haben wird. Unternehmen müssen lernen, aus der Datenvielfalt und -menge mithilfe der richtigen Technologien die relevanten Rückschlüsse zu ziehen. Daten-analysetechniken helfen den Unternehmen dabei, Risiken abzuschätzen und neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können.

Das hat auch spürbare Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Um auf das Thema IT-Betrieb zurückzukommen: Auf der einen Seite fördern Analytics-Technologien die Automatisierung und ersetzen zum Teil administrative Tätigkeiten. Auf der anderen Seite entstehen völlig neue Berufsbilder, wie etwa der Data Scientist. Unsere Aufgabe ist es, Sorge dafür zu tragen, rechtzeitig die erforderlichen Skills dafür auszubilden und vorzuhalten.