Analyst Corner

Der Outsourcing-Markt in Deutschland: keine Impulse durch Herkules

15.01.2008
Von Matthias  Kraus
Was Herkules bislang für den deutschen Markt vollbracht hat, waren keine Heldentaten. Die Auslagerung der Bundeswehr-IT an IBM und SIS - bekannt als Herkules-Projekt - konnte nicht die Schleusen für weitere Public Private Partnerships öffnen. Auf viele Worte folgten bis jetzt kaum Taten.

Erst wollten ihn alle haben – dann keiner mehr. Doch letztlich konnte nach jahrelangen Verhandlungen im Dezember 2006 der Abschluss des über 17 000 Seiten umfassenden Herkules-Vertrages bekannt gegeben werden. Im Rahmen des 7,1 Milliarden Euro schweren Zehn Jahres-Vertrags beauftragt die Bundeswehr die IT-Dienstleister SIS (Siemens IT Solutions and Services) und IBM mit der Modernisierung und dem Betrieb der gesamten nichtmilitärischen ITK-Infrastruktur an 1 500 Standorten. 140 000 PCs, 7 000 Server, 300 000 Festnetztelefone und 15 000 Mobiltelefone sind beeindruckende Eckdaten. Viele Outsourcing-Anbieter erhofften sich eine Signalwirkung nicht allein für den öffentlichen Sektor, verbunden mit einer stärkeren Zunahme der Dynamik des deutschen Outsourcing-Marktes.

Diese Erwartung wurde auch damit begründet, dass die öffentliche Hand in Deutschland bislang kaum an privatwirtschaftliche Anbieter auslagert. Das ist verwunderlich, denn der Modernisierungsbedarf der IT und die – trotz der guten Steuereinnahmen – knappen Kassen der öffentlichen Einrichtungen sind bekannt. Gleichzeitig ist es das erklärte Ziel der Bundesregierung, bis 2010 den Anteil von PPPs ("Public Private Partnerships") an öffentlichen Projekten von rund vier auf 15 Prozent zu steigern.

Doch der Herkules-Deal konnte als größte europäische "Public Private Partnership" bisher keine sichtbaren Impulse für derartige Kooperationen oder allgemein für den deutschen Outsourcing-Markt geben. Das hat verschiedene Gründe:

  • Der Herkules-Vertrag und auch andere PPPs wurden regelrecht zerredet. Bereits vor der Vertragsunterzeichnung prangerte der Bundesrechnungshof den zweifelhafen Nutzen von PPP-Projekten wie Herkules an. Auch in diesem Jahr bemängeln die Prüfer IT-Projekte der öffentlichen Hand und nennen in diesem Zusammenhang gleich mehrere Bundeswehrprojekte.

  • Auch ehemalige Bieter scheinen den Nutzen des Herkules-Deals für private Anbieter in Zweifel zu ziehen. Jedoch ist es noch zu früh, um ein Zwischenfazit zu ziehen und einen möglichen Beweis gegen diese These zu führen. Letztlich wird sich erst am Ende der zehnjährigen Vertragslaufzeit der wirtschaftliche Nutzen für die beteiligten Vertragspartner bilanzieren lassen.

  • Nennenswerte Erfolge konnten bislang noch nicht gemeldet werden. Auch wenn dies bei Megadeals mit der Komplexität und dem langen Vertragszeitraum zusammenhängt, ist es bedauerlich, da ein guter Zwischenstand Entscheidungsträger zu anderen Großprojekten ermuntern kann.

  • Megadeals verlieren an Bedeutung. Der Trend zu überschaubaren Vereinbarungen mit mehreren Dienstleistern hält an, denn Anwender und Anbieter erkennen zunehmend, wie komplex und langwierig die Umsetzung eines Riesenvertrages ist. Wenn sie "Next-Generation"-Outsourcing-Verträge abschließen, trauen sich erfahrenen Anwenderunternehmen zu, mehrere, aber dafür kleine Outsourcing-Verträge und -Partner zu koordinieren. Anwender mit geringerer Auslagerungserfahrung wiederum beginnen lieber mit wenigen und kleineren Verträgen (zum Beispiel Managed Services), um Schritt für Schritt Erfahrung zu sammeln und dabei die optimale IT-Fertigungstiefe für ihr Unternehmen zu finden.

Dennoch entwickelt sich der deutsche IT-Outsourcing-Markt kräftig, inzwischen liegen die Wachstumsprognosen über dem westeuropäischen Durchschnitt. Dies wird in den kommenden drei bis fünf Jahren dazu führen, dass sich der Rückstand auf Großbritannien, den größten Outsourcing-markt in Westeuropa allmählich verringert. Die Bereitschaft zum Auslagern von IT entwickelt sich also weiterhin evolutionär. Nennenswerte positive Impulse durch Megadeals dürften auch zukünftig in Deutschland nicht zu erwarten sein. Vielmehr sollte die Entscheidung zur Reduzierung der Fertigungstiefe davon abhängen, inwieweit die definierten Ziele durch die Auslagerung erreicht oder zumindest näher gerückt werden.

Zur Person

Matthias Kraus
Matthias Kraus
Foto:

Matthias Kraus ist seit Januar 2007 als Research Analyst bei der IDC Central Europe GmbH tätig. In dieser Position beobachtet er insbesondere die Trends und Entwicklungen im deutschen Markt für IT-Services. Zu seinen Aufgaben gehören die Erstellung von Studien zu verschiedenen Themen sowie die Unterstützung von Consulting-Projekten. Vor seinem Wechsel zu IDC sammelte Kraus sieben Jahre Erfahrung als Produktmanager in der IT-Industrie. In dieser Zeit arbeitete der diplomierte Betriebswirt fünf Jahre im Bereich Services. Dabei zählte die Markt- und Wettbewerbsbeobachtung zu seinen Schwerpunkten.