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Ladensterben

Der Online-Handel bedroht die Innenstädte

17.02.2014
Immer mehr Bundesbürger kaufen immer öfter per Mausklick ein. Das wird viele deutsche Innenstädte in den nächsten Jahren deutlich verändern. Besonders in den Klein- und Mittelstädten droht ein Ladensterben.

Der Online-Handel droht zum Laden-Killer zu werden. "Die Schleuse ist offen. Die Online-Händler werden dem klassischen Einzelhandel in den nächsten Jahren immer mehr und immer schneller Umsätze wegnehmen", prognostiziert Gerrit Heinemann, Handelsexperte und Leiter des eWeb-Research-Center an der Hochschule Niederrhein. Vor allem in den Mittelstädten werde es richtig zur Sache gehen. "Viele schwache Händler werden wohl ihre Läden schließen müssen."

Nach einer aktuellen Umfrage des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) hat bereits jeder dritte Verbraucher die Anzahl der Fahrten ins Stadtzentrum verringert und kauft stattdessen öfter im Internet ein. Über 60 Prozent der "normalen" Einzelhändler klagen nach Angaben des Einzelhandelsverbandes Deutschland (HDE) über sinkende Besucherzahlen in ihren Geschäften. Doch das ist wohl erst der Anfang.

Was da auf viele klassische Einzelhändler zukommt, lässt der Verlauf des vergangenen Weihnachtsgeschäfts erahnen. Denn während die Einzelhandelsumsätze in den wichtigsten Verkaufsmonaten des Jahres nach Angaben des HDE bei 80 Milliarden Euro stagnierten, explodierten die Umsätze der Online-Händler. Sie verzeichneten nach Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (bvh) ein Wachstum von 54,5 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro.

Für den Handelsexperten Heinemann ist der Siegeszug des Online-Handels gerade kurz vor dem Fest kein Wunder. "Weihnachtseinkäufe sind Stress, das hat nichts mit Faszination oder Einkaufserlebnis zu tun. Das wollen sich die Leute nicht mehr antun. Also kaufen sie online."

Und eine Trendwende oder auch nur eine Abschwächung des Internetbooms ist nicht in Sicht. Auch im kommenden Jahr wird der Online-Handel nach Einschätzungen des HDE mehr als zehnmal so stark wachsen wie der Einzelhandel insgesamt. In weniger als zehn Jahren werde ein Viertel aller Einkäufe im Internet erledigt, erwartet Heinemann.

Allerdings werden nicht alle Einkaufsstraßen Deutschlands im gleichen Maß unter dem Online-Boom leiden, darin sind sich die Branchenbeobachter einig. "Toplagen bleiben Top. Mittellagen geraten verstärkt unter Druck. Im ländlichen Raum besteht Handlungsbedarf", beschreibt der HDE die Lage in den Innenstädten. Schon im vergangenen Weihnachtsgeschäft stellte der Verband bei den Kunden "eine starke Fokussierung auf die Top-Lagen der Innenstädte und die Einkaufszentren fest". Mit anderen Worten: Wo die meisten Attraktionen locken, da funktioniert der stationäre Handel noch am Besten.

Heinemann ist deshalb auch überzeugt: Metropolen wie München, Hamburg, Frankfurt, Köln oder Düsseldorf werden als attraktive Shopping-Destinationen sogar noch an Bedeutung gewinnen. "In diese Super-1a-Lagen wollen alle rein." Auch die Einkaufsmeilen der meisten Großstädte würden sich behaupten.

"Aber der Rest wird Probleme bekommen. Vor allem in Klein- und Mittelzentren mit 30.000 bis 60.000 wird es gewaltige Verwerfungen geben", prognostiziert der Experte. Hier würden die Umsätze der Geschäfte bis 2023 durch den Boom des Onlinehandels voraussichtlich um rund 30 Prozent schrumpfen.

Weitgehend gefeit vor der Online-Konkurrenz ist bislang noch der Lebensmittelhandel. Hier liegt der Marktanteil der Online-Händler noch deutlich unter einem Prozent. Doch ist es auch für Edeka, Rewe und Co. wohl eher eine letzte Atempause vor dem Sturm. Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) prognostiziert auch in dieser Branche einen rasanten Boom des E-Commerce: Schon 2020 werde wohl auch im Lebensmittelhandel jeder zehnte Euro per Mausklick ausgegeben. (dpa/tc)