Der neue Führungsstil bringt Akzeptanz durch Kompetenz

26.04.1985

Professor Dr. Reinhard Höhn, Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft Bad Harzburg, Teil 2

Die Information des Vorgesetzten durch den Mitarbeiter gehört zu den Schwachstellen im Management der meisten Unternehmen. Es ist daher verständlich, daß der Vorgesetzte versucht, die Unzulänglichkeit der Menschen durch die Technik auszugleichen. Er geht also mit Hilfe des Computers zur Totalinformation über und, ohne daß der Mitarbeiter davon weiß, ruft er die gespeicherten Informationen ab. Dies ist jedoch kein Ausweg, um das Problem der stagnierenden Information von unten nach oben zu lösen. Ich meine aus folgenden Gründen. Der Vorgesetzte erstickt in der Informationsflut und kapituliert nur zu leicht vor der nicht mehr zu bewältigenden Menge an Daten. Die wenigen, für ihn wesentlichen Informationen vermag er vielfach gar nicht ohne weiteres zu erkennen. Darüber hinaus vermitteln sie oft ein falsches Bild, wenn sie nicht zusätzlich vom Mitarbeiter interpretiert werden.

Die Inanspruchnahme des Mitarbeiters wiederum wird vom Vorgesetzten unterlassen. Er ist sich nämlich der Notwendigkeit dieser Interpretation in vielen Fällen gar nicht bewußt - oder auch reine Bequemlichkeit verhindert die Zusammenarbeit.

Es ist daher nicht möglich, den Mitarbeiter auf Grund der neuen technischen Möglichkeiten aus seiner Informationspflicht zu entlassen. Für den Mitarbeiter gilt folgende Beschränkung.

Er darf seinerseits nicht mit Hilfe des Computers zu dem für ihn letztlich bequemen Weg der Totalinformation übergehen und alle in seinem Bereich anfallenden Daten an den Vorgesetzten weiterleiten. Vielmehr muß er zwischen überflüssigen und notwendigen Informationen unterscheiden. Nach wie vor muß er den Vorgesetzten gezielt über all das informieren, was dieser zu wissen hat, um den Überblick über den Arbeitsbereich des Mitarbeiters zu behalten und die für ihn wichtigen Tatbestände bei seinen Entscheidungen berücksichtigen zu können. Das gleiche gilt für die Information des Vorgesetzten über Vorkommnisse, die sich vom normalen Betriebsgeschehen abheben oder ein Abweichen vom vorgesehenen Ablauf darstellen.

Seine Informationen darf der Mitarbeiter nicht kommentarlos, etwa in Form einer vom Computer ausgedruckten Datenliste, dem Vorgesetzten zuleiten. Er muß vielmehr ausdrücklich auf den informationspflichtigen Tatbestand aufmerksam machen und durch seine Interpretation dafür sorgen, daß dem Vorgesetzten die Bedeutung des Falles bewußt wird. Der Mitarbeiter darf also nicht in Ruhe abwarten, ob und wann der Vorgesetzte auf eine für ihn wichtige Information stößt, und sich im Ernstfall damit herausreden: "Ich hatte Ihnen ja diese Informationen über den Computer zukommen lassen." Es handelt sich hier um eine Form der berüchtigten Verschleierungstaktik unter Ausnutzung der neuen technischen Möglichkeiten.

An die Informationstreue des Mitarbeiters sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Er muß die Garantie bieten, daß die Eingabe der Informationen, zu denen er verpflichtet ist fach- und seitgerecht erfolgt. Es kann nicht Sinn der computergestützten Information sein, daß derjenige, der Informationen abruft, sich zunächst rückversichern muß, ob die gespeicherten Daten auch up to date sind.

Zur Informationstreue des Mitarbeiters gehört ebenfalls die Pflicht, den erforderlichen. Datenfluß in Gang zu haben. Ergeben sich Rückstände, die die sich im Rahmen der Toleranzen ausgleichen lassen, so hat er seinen Vorgesetzten unverfüglich davon in Kenntnis zu setzen.

Die Information des Mitarbeiters durch den Vorgesetzten zahlt zu den unabdingbaren Aufgaben des Vorgesetzten. Sie ist zugleich ein wichtiges Mittel, um seine Führung sichtbar zu machen. Da keine erhebliche Belastung für ihn bedeutet, ist es verständlich, daß der Vorgesetzte hofft, die neuen Techniken könnten ihm diese Aufgabe abnehmen. Dies ist jedoch ein Irrtum. Durch die Freigabe des Abrufes von Informationen aus dem Bereich des Vorgesetzten kann zwar eine gewisse Entlastung für diesen eintreten, mehr jedoch nicht.

Dafür gibt es mindestens drei handfeste Gründe.

Der Mitarbeiter kann vielfach gar nicht wissen, ob eine für ihn wesentliche Information angefallen ist, die er abfragen müßte. Oft bedarf die Information der Interpretation durch den Vorgesetzten. Darüber hinaus gibt es Informationen, die computermäßig nicht erfaßbar sind oder nicht gespeichert werden sollen, aber trotzdem für den Mitarbeiter wichtig zu wissen sind. Hier muß der Vorgesetzte selbst in Aktion treten. Beratung durch den Mitarbeiter gilt ist ein wesentliches Element kooperativer Führung. Die Vorstellung, daß neue Techniken eine Beratung für den Mitarbeiter überflüssig machen, ist irrig.

Beratung bietet mehr als nur abgerufene Information; Beratung beinhaltet das Aufzeigen von Argumenten, den Austausch von Meinungen. Diese Vorgänge lassen sich nicht über einen Computer abwickeln. Des weiteren enthält die Beratung subjektive Wertungen, die der Mitarbeiter auf Grund seiner Sachkenntnis und seines Detailwissens mit einbringen muß. Das gleiche gilt für Hintergrundinformationen, die oft von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Sachlage sein können.

All diese Faktoren sind mit dem Rechner nicht zu erfassen. Aufgabe des Mitarbeiters bleibt es daher, die ihm vom Computer übermittelten Daten anhand seines Wissens und seiner Erfahrung kritisch zu überprüfen und bei seinen Empfehlungen an den Vorgesetzten zu berücksichtigen.

Zu den Grundelementen kooperativer Führung gehört, die Mitarbeiter bei der Einführung der neuen Techniken einzubeziehen. Bei neuen Techniken einzubeziehen. Bei Neuerungen jeder Art, die Sie und ihr Arbeitsgebiet betreffen, ist es ihnen dann Möglich, ihre Erfahrungen, ihr Wissen und Können in den Entscheidungsprozess miteinzubringen. Dies ist zugleich die Voraussetzung dafür, daß sie sich mit dem Vorhaben identifizieren und Positiv an der Verwirklichung arbeiten.

Es ist erstaunlich in welch gröblicher Weise gegen diesen allgemein anerkannten Grundsatz bei der Einführung der neuen Techniken verstoßen wurde - und immer noch wird. Dies geschieht unter dem Blickpunkt des Primats der Technik, nach dem der Mensch sich der Technik anzupassen hat. Auf diese Weise werden alle Probleme aus dem organisatorischen Umfeld und den Bedürfnissen der Menschen, die mit diesen Techniken umzugehen haben, außer acht gelassen. Der innere Widerstand gegen die neuen Techniken wird damit geradezu organisiert; er ist nicht systemimmanagement, sondern hausgemacht. So kommt es, daß vielfach umfangreiche kostenintensive Computersysteme aufgebaut werden, deren effiziente Nutzung an der ablehnenden Haltung der Mitarbeiter scheitert.

Wenn man von den Mitarbeitern im Umgang mit der neuen Technik Selbständigkeit und Handeln erwartet, so ist es widersinnig, sie bei der Planung ihres Einsatzes auszuschalten. Es ist ebenfalls widersinnig, ihnen ein System aufzuzwingen, mit dem sie sich abfinden müssen. Kooperativer Führungsstil und aufokroyierte Technik schließen sich aus.