Customer-Relationship-Management/CRM-Systeme: Trends, Bewertung und Auswahl

Der Markt ist zersplittert

21.09.2001
Anbieter von Standardlösungen für Customer-RelatioshipManagement (CRM) gibt es viele. Angesichts des enormen Funktionsumfangs und der immer spezifischeren Anforderungen der Anwender ist eine systematische Produktauswahl die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches CRM-Projekt. Von Wolfgang Lotz und Thomas Schröder*

Customer-Relationship-Management gilt bei vielen Markt-Analysten derzeit als eines der attraktivsten IT-Wachstumssegmente. Es hat eine neue Ära der Beziehung des Unternehmens zu seinen Kunden eingeläutet: CRM ermöglicht es Unternehmen, Kundenbeziehungen individueller und profitabler zu gestalten. Das Ziel sind Wettbewerbsvorteile. Vor dem Hintergrund zunehmend anspruchsvoller, wechselbereiter Kunden tritt die Differenzierung über Produkte und Dienstleistungen immer mehr in den Hintergrund. Da kommt die Erkenntnis, dass das Management der Kundenbeziehungen eine entscheidende Quelle des Unternehmenserfolges ist, gerade wie gerufen.

Seit 1997 wächst der Markt für CRM-Software geradezu explosionsartig, laut Gartner Group von damals 830 Millionen Dollar Lizenzumsatz bis auf zirka 3,7 Milliarden Dollar im Jahr 2000. Die Auguren rechnen mit einem weiteren Wachstum. So prognostiziert PAC (Pierre Audoin Conseil) für den deutschen CRM-Markt bei einer jährlichen Wachstumsrate von fast 40 Prozent bis 2003 ein Gesamtvolumen von rund 4,4 Milliarden Mark. Damit ist der deutsche CRM-Softwaremarkt einer der wachstumsstärksten in den nächsten Jahren.

Entsprechend groß ist auch die Zahl der Anbieter, die Softwarelösungen für die Kundenbindung anbieten. So listet die Universität Eichstätt in ihrer Neuauflage der Studie "CRM 2000" insgesamt 139 Softwarelösungen für CRM auf. Der Markt ist sehr zersplittert und viele Hersteller stagnieren bei einem kümmerlichen Marktanteil von weniger als einem Prozent. In diesem Umfeld bedeuten die 21 Prozent, die sich Siebel Systems aus dem CRM-Kuchen herausgeschnitten hat, die Marktführerschaft. Der weltweite Markt wird von amerikanischen Herstellern dominiert.

Beim Funktionsspektrum der angebotenen CRM-Lösungen setzen die meisten Hersteller unterschiedliche Schwerpunkte. So ist beispielsweise der amerikanische Anbieter E.Piphany ein Key-Provider für die Unterstützung von Marketing-Prozessen. Dem deutschen Softwareriesen SAP attestieren die Anweder dagegen umfangreiche Funktionalität im Bereich Mobile Sales.

Vor etwa drei Jahren fand ein Wandel statt: Ließen sich bis dahin die analytischen und operativen CRM-Prozesse nur dadurch unterstützen, dass Produkte verschiedener Hersteller kombiniert wurden ("Best of Breed"), begann um 1998 die Konsolidierung: Die operativen Lücken, welche die eigenen Lösungen aufwiesen, schließen die Hersteller von CRM-Software zunehmend durch Zukauf oder Integration von Fremdlösungen.

Das hatte Auswirkungen auf der Anbieterseite. Auch das erste Quartal 2001 war vom Fusionierungsfieber befallen: Mit Kana Communications und Broadbase taten sich im Februar zwei CRM-Hersteller durch Aktientausch in Höhe von rund 71 Millionen Dollar zu Kana Software zusammen. Einen weiteren Zukauf tätigte auch Peregrine Systems, Anbieter von Softwarelösungen für das Infrastruktur-Management, im Juni 2001. Für rund 1,1 Milliarden Dollar wurde der Konkurrent Remedy übernommen. Durch den Kauf von Remedy, spezialisiert auf Helpdesk- und CRM-Systeme, kann Peregrine sein Produktportfolio nun auch um Lösungen für das Kunden-Management erweitern.

Die Marktkonzentration wird weiter anhalten. So prognostizieren Gartner-Analysten, dass von 200 CRM-Anbietern bis 2004 nur 50 überleben werden. Konkurrenten sind dabei nicht mehr nur die CRM-Anbieter, sondern auch die traditionellen Anbieter von Enterprise-Resource-Planning-(ERP)-Lösungen wie SAP und Oracle, die vor allem mit der einfacheren Backend-Integration in ihre Systeme für die CRM-Lösungen aus eigenem Hause werben.

Unterschiede in der FunktionalitätWettbewerb erwächst auch aus dem schnellen Technologiewandel. Etablierte CRM-Anbieter, die mehr als fünf Jahre am Markt sind, hinken technologisch häufig hinterher, da sie damit beschäftigt sind, ihre Client-Server-basierten Produkte auf die heute geforderte Internet-Technologie zu migrieren. Gleichzeitig drängen kleinere Lösungsanbieter mit neuen Produkten, die vollständig in Java-Technologie entwickelt sind, auf den CRM-Markt.

Auf den ersten Blick sind die Systeme in ihrem Funktionsumfang ähnlich, doch bei näherem Hinsehen offenbaren sie ihre Unterschiede hinsichtlich spezieller Unternehmensanforderungen, Reifegrad, Zukunftsfähigkeit sowie Produktpreise. CRM-Systeme müssen deshalb immer in einem mehrdimensionalen Kontext für die jeweilige Unternehmenssituation bewertet werden.

Vielfach dominieren technologische Kriterien die Auswahl und Bewertung von CRM-Systemen. Im Mittelpunkt eines jeden CRM-Projekts sollten aber die fachlichen Anforderungen an das System stehen - sie sind es, die ein Unternehmen benötigt, um die kundengerichteten Geschäftsprozesse optimal zu unterstützen. Dabei sollte zunächst geprüft werden, welche Funktionalitäten in der ersten Ausbaustufe wirklich gebraucht werden. Viele Unternehmen begehen den Fehler, Funktionalitäten einzukaufen und dafür zu zahlen, die garnicht oder erst später benötigt werden.

Innerhalb der Funktionsfestlegung sollten Umfang und Komplexität der vom CRM-System betroffenen Produkte und Dienstleistungen sowie auch die in dem System abzubildenden Geschäftsprozesse, deren Regeln und Workflows berücksichtig werden.

Technologische Betrachtung an zweiter StelleDie für die Kundenansprache genutzten Inbound- und Outbound-Kontaktmedien wie zum Beispiel Telefon, Web, E-Mail, Fax, Briefpost und mobile Devices sowie deren Nutzungsintensität sind zu definieren. Nicht zu vergessen sind CRM-Teilfunktionalitäten wie Kampagnen-Management, CTI-(Computer Telephony-Integration)Unterstützung zur Kundenidentifikation oder auch Helpdesk-Funktionalitäten. Wenn die Funktionalität festgelegt ist, muss das Unternehmen daran gehen, die einzelnen Ausbaustufen qualitativ zu planen. Durch die ergänzende Kapazitätsplanung wird das Mengengerüst festgelegt, das direkt kostenrelevant ist.

An zweiter Stelle muss die technologische Betrachtung stehen. Deren Mittelpunkt bildet die Integrationsfähigkeit des CRM-Systems in die bestehende IT-Infrastruktur. Meist sind bestandsführende Systeme wie etwa SAP R/3 bereits vorhanden, deren Datenbestände nun angebunden werden müssen. Aber auch Medienserver wie TK-Anlage, Fax-Server, E-Mail-Server oder ein Web-Portal müssen mit dem CRM-System synchronisiert werden, um die jeweiligen Kundenkontaktkanäle anzubinden. Umfang der angebotenen Standard-Schnittstellen und die Adaptoren zu etablierten Backend-Systemen und Medien-Servern sind hier wichtig.

Die "Out of the box"-Fähigkeit einer Lösung sorgt für eine schnelle Standardimplementierung ohne große Customizing-Aufwände. Ein komfortables Toolset an Development-Werkzeugen muss kundenspezifische Erweiterungen ermöglichen. Das CRM-System sollte Internet-fähig sein, und die zugrunde liegende Architektur muss den zukunftssicheren, komponentenbasierten Technologiestandards wie Corba, EJB und XML genügen. Das Datenmodell sollte erweiterungsfähig sein und eine durchgängige Datenhaltung für die verschiedenen CRM-Teilfunktionalitäten ermöglichen. Wichtig ist ferner, dass eine Integration mit anderen Anwendungen auf der Arbeitsoberfläche (Desktop) des Agenten möglich ist. Hinsichtlich der zu speichernden Datenmengen und Antwortzeiten muss die Lösung auch künftigen Anforderungen genügen.

Bei den gegenwärtigen Konsolidierungsprozessen im CRM-Markt ist ein Unternehmen gut beraten, auch auf die Zukunftsfähigkeit des Anbieters selbst zu achten. Zu jedem Auswahlprozess gehört daher die Bewertung des potenziellen Anbieters anhand spezieller Kriterien. Wichtig ist vor allem die Support-Fähigkeit vor Ort, um später auf Kundenwünsche schnell reagieren und Probleme rasch beheben zu können. Ein weiteres Gütekriterium ist der Releasestand der angebotenen Lösung, denn er gibt Auskunft über die Lösungsreife. Zur Bewertung gehören ferner die Personalkapazitäten und Implementierungserfahrung mit den Produkten. Angaben zu Referenzprojekten, die hinsichtlich Unternehmensgröße und Branche mit dem eigenen Unternehmen vergleichbar sind, und nicht zuletzt die Qualität der gelieferten Unterlagen und die Termintreue im Ausschreibungsverfahren ergänzen die Bewertung.

Mehr gescheiterte ProjekteEin wichtiges Auswahlkriterium sind natürlich auch die Kosten. Hierzu muss das Unternehmen das Lizenzmodell des Anbieters auch im Detail verstehen, sonst kann es die Investitionskosten nicht beurteilen. Neben den Anschaffungskosten für Soft- und Hardware sind ferner die Betriebskosten relevant. Zudem fallen noch Implementierungskosten für einen Systemintegrator oder für Mitarbeiter des CRM-Anbieters sowie für eigene Mitarbeiter an. Die Neueinführung einer Software erfordert meist auch die Schulung der Endanwender, Administratoren und Entwickler.

Trotz des Booms häufen sich in letzter Zeit auch Nachrichten über gescheiterte CRM-Projekte. So prognostizieren die Analysten der Gartner Group eine starke Zunahme der fehlgeschlagenen CRM-Einführungen innerhalb der nächsten zwei Jahre. Die Analysten sehen in der unzureichenden Planung und Zieldefinition die Hauptursache für die Misserfolge.

Mehr als nur SoftwareDer Respekt vor einem ganzheitlichen CRM-Ansatz verleitet viele Unternehmen dazu, ihre CRM-Ziele zunächst zu eng zu definieren oder keine klare Vorstellung von CRM zu entwickeln. Die Folge: Die Projekte bleiben häufig abteilungsbezogenes Stückwerk, was wiederum dazu führt, dass die gesamten unternehmensweiten Potenziale nicht ausgeschöpft werden können. Auch ist in vielen Projekten zu beobachten, dass die Technologie die Fachlichkeit dominiert - meist Ausdruck eines lückenhaften oder gar fehlenden Fachkonzeptes. Technologisch abbildbare Möglichkeiten lösen häufig einen wahren Katalog von Wünschen aus, was den Blick auf die Kerngeschäftsprozesse in Marketing oder Vertrieb verstellt - der Fokus wird verschoben. Ein CRM-Projekt wird dann fast immer als reine Tool-Implementierung verstanden. Sind die fachlichen Anforderungen nur lückenhaft definiert, besteht zudem die Gefahr, das falsche System auszuwählen. Hohe Customizing-Aufwände sind dann meist die Folge.

Zur erfolgreichen Umsetzung eines CRM-Projekts gehört mehr als nur die Einführung einer geeigneten Software. Eine CRM-Lösung kann nur so gut sein, wie die kundengerichteten Geschäftsprozesse im Rahmen einer Zieldefinition dokumentiert und evaluiert wurden. Hierzu müssen die Entscheider in den Unternehmen eine klare Vorstellung von dem entwickeln, was sie unter CRM im Unternehmen verstehen (Vision) und was sie mit CRM erreichen möchten (Potenziale). Schwächen in der Anforderungsanalyse und damit in einem unvollständigen Fachkonzept rächen sich spätestens zu Beginn der Systemimplementierung.

Die Auswahl und Bewertung eines CRM-Systems ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Angebote am Markt sicherlich nicht einfach und schnell zu erledigen. Vielmehr tut ei systematischer Auswahlprozess not, er ist die Grundlage für ein erfolgreiches CRM-Projekt. Hierzu sind sowohl fachliche Anwender als auch IT-Experten heranzuziehen.

*Wolfgang Lotz ist Senior Management Consultant, Thomas Schröder Management Consultant der CSC Ploenzke AG.

Abb: Käufe, Übernahmen und Fusionen

Der CRM-Markt konsolidiert sich durch Fusionen und Übernahmen. Quelle: CSC Ploenzke