Die meisten Anbieter setzen auf CMOS-Prozessoren

Der Mainframe-Markt in Deutschland

20.06.1997

"Die Rechenzentren wachsen derzeit schneller als in den vergangenen 30 Jahren", konstatiert Dave Norris, Programmdirektor für Großsysteme der Gartner Group, aufgrund von Anwenderbefragungen. Das sei auch nicht verwunderlich, denn die DV-Leiter müßten zunehmend Unix-Server aus den Abteilungen in die Rechenzentralen integrieren.

"Harvesting", zu übersetzen mit "Einsammeln" oder "Ernten", nennt Norris den neuen Trend. Die Unternehmen, aufgeschreckt durch die hohen Unterhaltskosten und die schwierige Verwaltung verteilter Systeme, fordern eine Rückverlagerung - zumindest der Datenbestände - auf die althergebrachten Mainframes. Genervte Abteilungsleiter wollen sich nicht länger mit der Verwaltung ihrer Systeme abmühen und suchen Hilfe beim RZ-Leiter.

Die Aufstellung der Gartner Group (siehe Abbildung oben) zeigt, daß beim Client-Server-Computing die Supportkosten mit bis zu 77 Prozent der Gesamtausgaben zu Buche schlagen. Von diesem ohnehin schon hohen Anteil müssen zehn Prozent für Backup-, Druck- oder Archivierungsaufgaben aufgewendet werden. Die Rechnung für die zentrale Datenhaltung sieht einen Anteil an den Gesamtkosten in Höhe von 28 Prozent für Support vor, wovon zwei Prozent auf diese Operationen entfallen.

Ebenfalls für die Mainframes spricht, daß deren Kosten, gerechnet in Dollar je MIPS (Millionen Instruktionen pro Sekunde), wegen der CMOS-Technik deutlich gesunken sind. Bei den wassergekühlten Rechnerboliden mit "Emitter-Coupled-Logic"-(ECL-)Prozessoren mußten die Anwender 1992 noch 100000 Dollar je MIPS-Rechenleistung auf den Tisch blättern.

Für dieses Jahr rechnet die Gartner Group damit, daß ein MIPS für unter 9000 Dollar zu haben sei. Grund: Die neuen CPU-Generationen lassen sich kostengünstiger produzieren. Für das Jahr 2000 prognostiziert Norris einen MIPS-Preis von unter 3000 Dollar.

Die Marktforscher rechnen mit einem Wachstum des Mainframe-Marktes in Höhe von zehn bis 30 Prozent in den kommenden fünf Jahren. Allerdings lassen die Zahlen für den Unix-Markt in diesem Zeitraum eine Steigerung um 40 bis 75 Prozent erwarten. Norris gibt den RZ-Leitern deshalb den Rat, Unix-Server nicht länger zu ignorieren und schon bei deren Beschaffung auf geeignete Software etwa für Sicherungs- und Archivierungsaufgaben oder für die Steuerung und Kontrolle von Rechenlastverteilung zu achten. Das gleiche Vorgehen empfiehlt er für den Kauf von NT-Servern, denn "in ein paar Jahren stehen diese Rechner vor der RZ-Türe und wollen integriert werden".

Der Mainframe-Markt

Eine CW-Umfrage bei Herstellern der in Deutschland am häufigsten anzutreffenden Mainframes, IBM, Amdahl, Comparex (mit Hitachi-Prozessoren), Siemens-Nixdorf (SNI), Unisys und Bull, ergab, daß sich die CMOS-Technik bereits weitgehend durchgesetzt hat.

Zwar sind die ECL-Maschinen noch immer leistungsstärker als CMOS-angetriebene Rechner, aber Analysten gehen davon aus, daß die neuen CMOS-Generationen innerhalb der nächsten zwei Jahre gleichziehen werden. Ein Anwender von CMOS-basierten Mainframes ist die Commerzbank, die auch noch vier wassergekühlte "9021"-Systeme im Einsatz hat. Commerzbank-DV-Manager Niels Diemer zeigte sich bei der Vorstellung der neuen IBM-Prozessorgeneration "G4" allerdings enttäuscht darüber, daß die Chips deutlich unter 100 MIPS liegen.

Von den befragten Herstellern verkaufen nurmehr die Bull AG und Comparex (Hitachi-Rechner) Mainframes mit ECL-Prozessoren. Eine Besonderheit bei CMOS-Chips bietet die Siemens-Nixdorf AG an, die ihre "SR 2000" mit den RISC-Chips "R4400" der Silicon-Graphics-Tochter Mips Technology ausstattet.

Besonderheiten

Die Münchner beanspruchen mit dem "Hiplex"-Cluster anstelle der Sysplex-Kopplung ein Alleinstellungsmerkmal. Der sogenannte "Global Store", ein schneller, nichtflüchtiger und hochverfügbarer Erweiterungsspeicher, dient als Kopplungsmedium für den Hiplex-Verbund. Das SNI-Betriebssystem BS2000/OSD ist mit der Einführung der Version 2.0 seit Dezember 1995 XPG4-kompatibel. Die Zertifizierung für Unix/1170 soll im dritten Quartal 1997 erfolgen. Die Windows-NT-Strategie sieht vor, daß man Interoperabilität zwischen BS2000/ OSD auf Unternehmenslevel und NT auf Abteilungsebene garantieren will. Möglich wird das durch TCP/IP, Distributed-Computing-Environment-(DCE-)Unterstützung, Transaktionsverarbeitung, Data Base Access, SNMP, Microsoft OLE/Active X sowie die geplante OMG/Corba-Unterstützung. Ein Java-Compiler, der zusammen mit Sun entwickelt wird, soll im zweiten Quartal 1998 verfügbar sein.

Neben SNI und Unisys bietet auch die Bull AG mit "GCOS" ein eigenes Betriebssystem an, während Kunden von Amdahl und Comparex sich von IBM die Lizenzen für OS/390 sichern müssen. Die Franzosen stellen sicher, daß eine gemeinsame Nutzung von Platten- und Sicherungsperipherie unabhängiger Hersteller zwischen Unix, NT und Version 7 von GCOS möglich ist. Da das Betriebssystem voll TCP/IP-fähig ist, kann, so die Aussage von Bull, sowohl von Unix- als auch von NT-Systemen auf GCOS-7-Daten zugegriffen werden. Zudem soll sich ein gesicherter und verschlüsselter Zugriff von Arbeitsplatzrechnern mit Web-Browsern auf die GCOS-7-Daten und -Anwendungen bewerkstelligen lassen.

Interessant bei den Anbietern von Mainframes mit OS/390-Betriebssystem ist die unterschiedliche Zielsetzung bezüglich der Anzahl beziehungsweise Leistungsfähigkeit der Escon-Verbindungen für den I/O-Verkehr. Während Amdahl in den Millenium-700-Systemen die Anzahl der Kanäle auf 512 verdoppelt, denkt IBM über einen anderen Weg nach: Big Blue wird möglicherweise weniger Glasfaserverbindungen einsetzen und dafür die Durchsatzrate von derzeit 17 MB/s erhöhen.