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Der Mainframe ist für R/3 viel zu teuer

07.03.2002
Kaum ein Kunde lässt SAPs Standardsoftware R/3 oder Mysap auf IBM-Mainframes laufen. Der Grund: Die Betriebskosten sind zu hoch, technische Vorteile gegenüber Unix- oder Windows-Servern gibt es nicht.

LAHNSTEIN (COMPUTERWOCHE) - Kaum ein Kunde lässt SAPs Standardsoftware R/3 oder Mysap auf IBM-Mainframes laufen. Der Grund: Die Betriebskosten sind zu hoch, technische Vorteile gegenüber Unix- oder Windows-Servern gibt es nicht. Mit neuen Preismodellen will sich IBM dem Wettbewerb stellen - und verärgert so die Kunden mit Legacy-Anwendungen. R/3 für IBM-Mainframes erweist sich als Ladenhüter. Zwar gibt es nach IBM-Angaben rund 700 R/3- oder Mysap-Installationen, die S/390- oder z-Series-Rechner als Datenbank-Server nutzen, aber nur in 100 Fällen läuft auch die eigentliche Anwendung, der Applikations-Server, auf dem Großrechner - und selbst dann "in der Mehrzahl nur die kritischen R/3-Komponenten", gesteht Eduard Schneil, bei IBM verantwortlich für das Enterprise-Applications- Geschäft auf z-Series-Systemen. "Die Dialogprozesse laufen auf unseren p-Series (Unix) oder PC-Servern. In vielen Situationen ist diese

Vorgehensweise auch unsere Empfehlung an die Kunden." Selbst R/2-Anwender verweigern sich nach einem Wechsel zu R/3 dem Großrechner. In weniger als zehn Prozent der Fälle migrieren sie zu Mainframe-R/3, schätzt Heinz Spitzmüller, Leiter R/2-Services bei der SAP AG.

Das Eingeständnis, dass sich der Mainframe kaum als Anwendungs-Server für die betriebswirtschaftliche Standardsoftware eignet, liegt im Preis für Mainframes begründet. "Der Ressourcenbedarf des R/3-Applikations-Servers unter USS (Unix System Services, die Unix-Umgebung auf IBM-Mainframes, Anm. d. Red.) für Dialogbetrieb verhindert einen wirtschaftlichen Betrieb auf S/390-Systemen", berichtet Robert Varga, bei dem österreichischen Energiekonzern OMV für SAP verantwortlich. Daher nutzen selbst eingefleischte Mainframe-Liebhaber das System in der Regel nur für Update- und Batch-Prozesse, da dies die Performance deutlich erhöht.

Bei anderen Komponenten, insbesondere im Dialogbetrieb, macht sich der Vorteil einer engen Anbindung an DB2/390 nicht bemerkbar. Im Gegenteil: Einige kritische Komponenten sind auf dem Mainframe sogar schlechter aufgehoben. Zum Beispiel fehlt bei R/3s "Central Instance" (CI) auf dem Mainframe die Failover-Fähigkeit. Die CI übernimmt die Verteilung der Anwender-Transaktionen auf die Applikations-Server. Fällt sie aus, läuft R/3 nicht mehr. Auf anderen Betriebssystem-Plattformen ist ein Failover möglich.

An Failover wird gearbeitet

An Failover für die CI auf S/390 arbeiten IBM und SAP. "Die Failover-Funktionalität ist zurzeit im Pilotbetrieb und wird in Kürze freigegeben", kündigt Schneil an. Erfahrungen aus den IBM-Labors zeigen, dass der Ausfall einer CI nur rund 30 bis 40 Sekunden dauert, bis eine andere S/390-Partition die Arbeit übernommen hat. Bei Unix-Systemen hält der Ausfall zirka zwei bis drei Minuten an - was den meisten Anwendern reichen dürfte. Nicht zuletzt erfordert die Großrechnerumgebung nach Vargas Erfahrungen eine Menge Mainframe-Know-how: "Der Applikations-Server unter S/390 ist keine unkritische Umgebung. R/3-Erfahrung aus der Unix-Welt alleine reicht nicht."

Mainframe muss mit Unix konkurrieren Da der Mainframe funktional kaum einen Vorteil als Ablaufumgebung bietet, kommt dem Preis eine besondere Rolle zu. IBM hat das erkannt. "Bei Kunden, die z-Series-Server für den R/3-Applikations-Server nutzen wollen, kalkulieren wir unsere Angebotspreise mit besonders spitzem Bleistift", räumt Schneil ein und begründet das damit, dass "wir wissen, dass wir hier mit Unix- und PC-Systemen konkurrieren müssen". Das gilt sogar für die Datenbank. Aus Kostengründen haben schon einige Unternehmen DB2/390 gegen Unix-basierende Datenbanksysteme, vor allem Oracle, ausgetauscht. Nach Auskunft von Oracle gehören hierzu Reemtsma, Lidl & Schwarz und der Bayerische Rundfunk.

Mit einem neuen Einstiegs-Mainframe will IBM das System nun für Standardanwendungen wie R/3 lukrativ machen. "Mit den z800-Rechner-Modellen, die ausschließlich für Linux einsetzbar sind, bieten wir ein neues Preisgefüge an, das deutlich unter den Preisen herkömmlicher S/390-Systeme liegt und sich speziell an Kunden richtet, die neue Anwendungen auf dem Mainframe einsetzen wollen", beschreibt Schneil die Zielsetzung. Die Preise sowohl für Soft- als auch für Hardware sind günstiger - obwohl die Prozessoren die gleichen sind, die auch in den herkömmlichen Mainframes zum Einsatz kommen. Wer an z/OS, dem Mainframe-Betriebssystem hängt, kann zumindest noch in den Genuss kostengünstiger Software kommen, wenn er nämlich z/OS.e nutzt, ein Mainframe-Betriebssystem, dem die Ablaufumgebung für Legacy-Anwendungen fehlt, zum Beispiel für Cobol und Cics.

Das bringt aber die bestehende Kundschaft in Rage. "Es hat den Eindruck, als wolle IBM die Anwender mit Legacy-Applikationen stark zur Kasse bitten, während Systeme für neue Anwendungen, die auf z/OS.e oder Linux basieren, subventioniert werden", schimpft Christoph Laube, Regional Manager bei der deutschen Sektion der Großrechner-Anwendervereinigung GSE. Besonders sind ihm die mit Updates verbundenen Preiserhöhungen bei Systemsoftware ein Dorn im Auge, zum Beispiel 30 Prozent beim Wechsel von Cics 1.3 auf Cics 2.0 oder ein Aufschlag von 40 bis 70 Prozent bei der Aktualisierung von OPC/ESA, die einen Wechsel auf Tivoli TWS erfordert. "Die massiven Preiserhöhungen, die mit Software-Updates verbunden sind, sind nicht gerechtfertigt", kritisiert Laube.

Während IBM also die Legacy-Kunden melkt, können sich die R/3-Anwender bald über preiswerte Systeme freuen. Die OMV, die den Applikations-Server vor allem aus Kostengründen nicht einsetzt, hofft dank des günstigeren Pricings von Linux for z-Series, den R/3-Betrieb komplett auf S/390 umstellen zu können. "Wir erwarten dringend die Freigabe von R/3 auf Linux for z-Series", erläutert OMV-Mann Varga. Das Unternehmen hat an dem entsprechenden Pilotprogramm teilgenommen. "Aus meiner Sicht bestehen keine technischen Gründe, das System nicht freizugeben. Verglichen mit R/3 für USS unter S/390 ist die Linux-Version weniger komplex und daher leichter handhabbar." Diese Erfahrung haben auch andere Teilnehmer des Pilotprogramms gemacht.

Suse-Linux lässt auf sich warten Allerdings wird sich Varga noch ein wenig gedulden müssen. SAP wartet auf die Suse-Distribution für die G7-64-Bit-Prozessoren. Diese will Suse aber erst im zweiten Quartal dieses Jahres freigeben. Ob sich damit auch der Wunsch nach einer günstigen R/3-Ablaufumgebung erfüllt, ist noch nicht ausgemacht. Laut Preisliste verlangt Suse nämlich 14500 Euro Lizenz- und Wartungskosten im Jahr für eine Ein-Prozessor-Maschine. Für einen P-Series-Prozessor fallen dagegen nur 1250 Euro an. Hinzu kommen die Kosten für die Hardware. Bei dem enormen Ressourcenbedarf von R/3 muss sich erst noch zeigen, ob der Mainframe wirklich mit Unix konkurrieren kann.

GSE kritisiert neues Mainframe-Pricing

Das neue Preismodell der IBM für ihre z-Series-Rechner stößt bei den Anwendern noch immer auf Ablehnung. Auf einem Treffen der Großrechneranwendervereinigung GSE haben hochrangige Vertreter von Unternehmen wie Allianz, Datev, Deutsche Bank, Victoria, Volkswagen und Ford die Bedingungen für Workload License Charging (WLC) und Usage License Charging (ULC) erneut kritisiert. "Die WLC führt zu aberwitzigen Installationen, wenn man das neue Preissystem optimal ausnutzen will", erläutert Christoph Laube, Regional Manager bei der deutschen Sektion der GSE. "Zum Beispiel sind viele kleine Partitionen (LPARs) nötig, was das System-Management unnötig kompliziert macht." Die finanziellen Auswirkungen der neuen Regelungen ließen sich kaum abschätzen. "Viele Firmen werden vermutlich von der ersten Rechnung nach dem neuen Modell unangenehm überrascht sein", glaubt Laube. Am schlimmsten

ist aus seiner Sicht, dass eine Reihe von Anwendern aus Kostengründen genötigt sein werden, auf die Höchstverfügbarkeit einzelner Anwendun gen zu verzichten. "Damit macht IBM den wichtigsten Vorteil der z-Series-Systeme zunichte."

(mo)