Open-Source-Software/CW-Interview mit Alan Cox

Der Linuxer, den Microsoft zu kaufen versuchte

12.02.1999
Alan Cox gilt in der Entwicklung des Linux-Betriebssystem- Kerns als der zweite Mann hinter Linus Torvalds. Der 30jährige kam mit Linux in ersten Kontakt, als er sich auf die Suche nach einer Entwicklungsplattform für das von ihm mitentwickelte Multiuser- Dungeon-Spiel "Aber-MUD" machte. Zur Zeit ist er beim Linux- Distributor Red Hat beschäftigt. Das Gespräch führte Eva-Katharina Kunst .

CW: Wann sind Sie zum ersten Mal mit Linux in Berührung gekommen?

Cox: Als Linux 0.12 angekündigt wurde, kaufte ich mir einen 386er PC, kratzte alte MFM-Festplatten und anderes Zeug zusammen. Ich brachte das Ganze zum Laufen, aber Linux konnte damals nicht alles Notwendige, um Aber-MUD starten zu können. Ich habe angefangen, Fehler und Schwächen zu beseitigen.

CW: Und wie sah Ihr erster Kontakt mit Linus Torvalds aus?

Cox: Ich schickte ihm einen Patch für die serielle Schnittstelle. Linus antwortete per Mail mit dem Kommentar, Ted Tso habe das Problem bereits gelöst. Glücklicherweise war ich nicht so einfach abzuschütteln.

CW: Welche neuen Features wird die Entwicklerversion 2.3 des Linux-Kernels bieten?

Cox: Skalierbarkeit, 64-Bit-Dateien auf 32-Bit-Maschinen, 10000 und mehr gleichzeitig laufende Prozesse, noch bessere Unterstützung für Rechner mit einer großen Anzahl von Prozessoren und riesigen Hauptspeichergrößen. Und da es wichtig ist, mit der Skalierbarkeit auch umgehen zu können, sind Journaling-File- Systeme und logisches Platten-Management ebenso zu erwarten wie die Unterstützung von High-end-I/O wie I20.

Für die Anwender im Desktop-Bereich findet die Revolution anderswo statt. Da gibt es so wichtige Dinge wie die Eignung für den Universal Serial Bus (USB). Aber der wirkliche Zauber wird sein, mit Applikationen im Kontext von Gnome und KDE in neue Benutzerkreise vorzudringen.

CW: Wie beurteilen Sie die Zukunft von Linux?

Cox: Das kann ich wirklich nicht sagen. Ich hätte die Entwicklungen der letzten zwölf Monate niemals vorhergesagt, und so fühle ich mich auch nicht in der Lage zu weiteren Prognosen. Aber Linux hat wohl gute Chancen, die wichtigste Unix-Variante zu werden, einfach weil die meisten Hersteller von Unix-Systemen ihr Geld nicht mit Software, sondern mit Hardware und Support verdienen. Vorausgesetzt, sie können den Kunden Marketing- technisch plausibel machen, daß ihr Betriebssystem Linux wird, und vorausgesetzt, daß die Kompatibilität und die notwendigen Funktionen erhalten bleiben, dann ist es finanziell gesehen einfach gesunder Menschenverstand.

CW: Und jetzt noch zu Ihrer eigenen beruflichen Zukunft ...

Cox: Gegenwärtig arbeite ich für "Building Number Three", eine selbständige Organisation von Red Hat. Für einen vorhersehbaren Zeitraum kann ich für Red Hat arbeiten und dennoch unabhängig sein. Letzteres ist mir wichtig, denn anstelle des roten Huts kann ich mir einen Hut meiner Wahl aufsetzen, beispielsweise wenn es um Entscheidungen zum Linux-Kernel geht.

CW: Wie beurteilen Sie die Halloween-Dokumente, in denen Microsofts geplante Strategie gegen Linux zusammengefaßt ist?

Cox: Ich muß zugeben, daß ich in den meisten Belangen nicht sonderlich überrascht bin. Alle Hersteller untersuchen die potentielle Konkurrenz oder Bedrohungen ihrer Geschäfte. Und doch war einiges höchst aufschlußreich. Allein die Tatsache, daß die Antwort auf Linux nicht "besserer Service", "preiswertere Produkte" oder "bessere Produkte" lautet, spricht Bände. Wo ich Aussagen wie "niedrigere Preise für Einplatz-Lizenzen" erwartet hätte, spricht Microsoft von Veränderung und Mißbrauch offener Standards, um Kunden gefangenzuhalten.

CW: Es heißt, Microsoft habe versucht, Sie abzuwerben.

Cox: Sie kontaktierten mich über einen Microsoft-Mitarbeiter, den ich persönlich kenne, und boten mir an, mich nach Seattle zu fliegen, um mögliche Jobs zu diskutieren. Ich sagte nein. Ende der spannenden Geschichte.

CW: Wie geht es weiter mit Microsoft?

Cox: Es wird spannend, sollte Microsoft sein Monopol verlieren und gezwungen werden, mit realistischen Produktpreisen zu arbeiten. Bei allen Verzögerungen von NT 5, jetzt Windows 2000 und vielleicht bald Windows 2001, kommt mir der Gedanke, jemand hätte den Programmierern und Software-Architekten eine LKW-Ladung mit Brooks Klassiker "The Mythical Man Month" schenken sollen, bevor sie mit ihrer Arbeit anfingen.

Eva-Katharina Kunst ist freie Autorin in München.